Christoph Schmitz: Schwerer Regen in Köln. Die Bergungsarbeiten am zerstörten Historischen Archiv sind mühsam und schwierig. Zu den beiden Verschütteten ist man noch nicht vorgedrungen. Das Gedächtnis einer 2000 Jahre alten Metropole liegt in Trümmern, über 1000 Jahre dokumentierte Geschichte einer Stadt, der Rheinlande, der Hanseregion, Deutschlands und Europas sind unter Tonnen Stahl, Beton und Gestein seit drei Tagen begraben. Über die europäische Dimension des wahrscheinlichen Verlustes sind sich die Experten im In- und Ausland einig. Die Resonanz auf das Unglück ist groß, wie Robert Kretzschmar, Vorsitzender des Verbandes deutscher Archivarinnen und Archivare heute sagte:
Robert Kretzschmar: Wir sind vom Verband deutscher Archivare überwältigt über die Solidaritätadressen, die sich eben nicht an Anteilnahme erschöpfen nur, sondern wo konkrete Hilfe angeboten wird.
Gespräch mit Stefan Koldehoff
Christoph Schmitz: Vor dem Gespräch mit der Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder zuerst jetzt neue Informationen zum aktuellen Stand der Bergungsarbeiten, was die Kulturgüter betrifft. Gestern lauteten die Meldungen, dass Tausende mittelalterliche Urkunden aus den Kellern des unzerstörten Hinterhauses des Stadtarchivs gerettet und ausgelagert werden. Heute Mittag informierten Kulturdezernent Georg Quander und die Leiterin des Historischen Archivs, Bettina Schmidt-Czaia, über den Stand der Rettungsarbeiten. Stefan Koldehoff, Sie waren heute dort dabei. Sollte es wirklich einen Hoffnungsschimmer geben?
Stefan Koldehoff: Na ja, ein klein wenig Hoffnung gibt es vielleicht, aber tatsächlich auch nicht mehr als ein klein wenig. Es gibt Teile des Archivs, vor allen Dingen des Kellergeschosses und der nicht eingestürzten Flachbauten im hinteren Teil der Anlage, aus denen offenbar Archivalien geborgen werden konnten. Das sind Teile des sogenannten Haupturkundenarchivs. Allerdings, wie ich mir habe sagen lassen, 30.000 bis 40.000 Urkunden, die bei Weitem nicht zu den bedeutendsten, die dort hunderttausendfach gesammelt wurden, zählen. Es ist außerdem gesichert worden und wird nun als Erfolg verkauft seitens der Politik, das, was gar nicht mehr im eingestürzten Gebäude selbst lag, sondern gegenüber im Keller einer Schule. Das sind im Wesentlichen Verwaltungsakten aus den 60er-, 70er-, 80er-Jahren, die vielleicht irgendwann mal eine große Bedeutung haben, aber sicherlich zurzeit noch nicht. Ich bin an Ordnern vorbeigegangen, auf denen dann steht: Zeugniskonferenzen 1975.
Schmitz: Sie wurden in diese Zwischenlagerstätten geführt?
Koldehoff: Ja, es ist vieles ausgelagert worden ins Archiv des Erzbistums Köln. Das ist ein relativ neuer, unterirdischer Bau in der Innenstadt von Köln. Dort ist auf Zuwachs gebaut worden, sodass man ad hoc drei Regalkilometer Raum zur Verfügung stellen konnte. Und dort werden Sachen jetzt hingebracht.
Schmitz: Aber der größte Teil liegt unter dem Schutt begraben, man kommt da nicht dran?
Koldehoff: Das ist heute noch mal ganz deutlich gesagt worden, 90 Prozent liegen unter den Schuttbergen, unter sechs Etagen Stahl und Beton. Und was das bedeutet, lässt sich noch nicht ermessen. Das, was in die Baugrube hineingestürzt ist und da wahrscheinlich mit Grundwasser, mit bei Regen steigendem Grundwasser Berührung hat, das wird so gut wie verloren sein, sagte heute Professor Robert Fuchs vom Institut für Restaurierungswissenschaften an der Fachhochschule Köln. Es gab wohl zu ganz, ganz wenigen Stellen, die oberirdisch gelegen haben, auch schon Zugang. Auch das, was man dort sieht, so Fuchs, sei allerdings eher katastrophal.
Robert Fuchs: Wir haben ja noch Preziosen zu erwarten. Ich habe gestern auch ein Buch in die Hand bekommen, das war so mit dem Regal verklemmt, dass wir es überhaupt nicht aus dem Regalbrett bekommen haben. Das ist also jetzt im Moment ein Stück Stahlregal mit Buch.
Koldehoff: Danach ist Professor Fuchs dann vor der versammelten Presse in Tränen ausgebrochen. Sie sehen also, ein Quäntchen Hoffnung möglicherweise. Aber von diesen 90 Prozent Archivalien, die noch verschüttet sind, glauben die Experten nicht wirklich, dass da viel zu retten sein wird.
Schmitz: Also die Stimmung allgemein ist eher schlecht?
Koldehoff: Die ist eher schlecht, zumal man nach wie vor nicht weiß, wann es gelingt, überhaupt die Trümmer zu stabilisieren, sodass man mal erst nach den beiden Vermissten und dann nach weiterem Material wird suchen können.
Schmitz: Es gibt ein Ingenieursgutachten, das seit heute aufgetaucht ist. Welche Bedeutung hat das, und wurde das in der Pressekonferenz heute Morgen erwähnt?
Koldehoff: Die Stadt lehnt nach wie vor jede Aussage zur Schuldfrage ab. Die Kriminalpolizei ermittelt, und man kann ein bisschen den Eindruck haben, dass das der Stadt, den Kölner Verkehrs-Betrieben und der Gebäudewirtschaftsgesellschaft auch gar nicht so unlieb ist, dass sich da noch niemand zu äußern muss. Dieses Gutachten, das dem Kölner Stadt-Anzeiger zugespielt wurde und das uns auch vorliegt, stammt von Januar. Da ist noch mal ganz konkret auf Setzrisse eingegangen worden, auf Abplatzungen, auf Dehnungsfugen, die sich geweitet haben. In diesem Gutachten heißt es vom Gutachter: "Um eventuell weitere Schäden am Gebäude zu vermeiden, empfehle ich, einen öffentlich anerkannten Sachverständigen für Bauwerkschäden einzuschalten." Das ist - das hat die Stadt heute bestätigt - nicht geschehen. Es bleibt also weiterhin zu vermuten, dass die Stadt nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die sinnvoll und nötig gewesen wären.
Schmitz: Ein letztes Wort noch dazu: Wie geht man im Augenblick vor? Räumt man schon Archivalien ab?
Koldehoff: Man versucht es. Das, was nass geworden ist, wird schockgefrostet, aber wie gesagt, an viel ist überirdisch im Moment noch nicht dranzukommen.
Schmitz: Stefan Koldehoff, vielen Dank für diesen Bericht über die Sicherungs- und Bergungsarbeiten am zerstörten Kölner Stadtarchiv.
Robert Kretzschmar: Wir sind vom Verband deutscher Archivare überwältigt über die Solidaritätadressen, die sich eben nicht an Anteilnahme erschöpfen nur, sondern wo konkrete Hilfe angeboten wird.
Gespräch mit Stefan Koldehoff
Christoph Schmitz: Vor dem Gespräch mit der Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder zuerst jetzt neue Informationen zum aktuellen Stand der Bergungsarbeiten, was die Kulturgüter betrifft. Gestern lauteten die Meldungen, dass Tausende mittelalterliche Urkunden aus den Kellern des unzerstörten Hinterhauses des Stadtarchivs gerettet und ausgelagert werden. Heute Mittag informierten Kulturdezernent Georg Quander und die Leiterin des Historischen Archivs, Bettina Schmidt-Czaia, über den Stand der Rettungsarbeiten. Stefan Koldehoff, Sie waren heute dort dabei. Sollte es wirklich einen Hoffnungsschimmer geben?
Stefan Koldehoff: Na ja, ein klein wenig Hoffnung gibt es vielleicht, aber tatsächlich auch nicht mehr als ein klein wenig. Es gibt Teile des Archivs, vor allen Dingen des Kellergeschosses und der nicht eingestürzten Flachbauten im hinteren Teil der Anlage, aus denen offenbar Archivalien geborgen werden konnten. Das sind Teile des sogenannten Haupturkundenarchivs. Allerdings, wie ich mir habe sagen lassen, 30.000 bis 40.000 Urkunden, die bei Weitem nicht zu den bedeutendsten, die dort hunderttausendfach gesammelt wurden, zählen. Es ist außerdem gesichert worden und wird nun als Erfolg verkauft seitens der Politik, das, was gar nicht mehr im eingestürzten Gebäude selbst lag, sondern gegenüber im Keller einer Schule. Das sind im Wesentlichen Verwaltungsakten aus den 60er-, 70er-, 80er-Jahren, die vielleicht irgendwann mal eine große Bedeutung haben, aber sicherlich zurzeit noch nicht. Ich bin an Ordnern vorbeigegangen, auf denen dann steht: Zeugniskonferenzen 1975.
Schmitz: Sie wurden in diese Zwischenlagerstätten geführt?
Koldehoff: Ja, es ist vieles ausgelagert worden ins Archiv des Erzbistums Köln. Das ist ein relativ neuer, unterirdischer Bau in der Innenstadt von Köln. Dort ist auf Zuwachs gebaut worden, sodass man ad hoc drei Regalkilometer Raum zur Verfügung stellen konnte. Und dort werden Sachen jetzt hingebracht.
Schmitz: Aber der größte Teil liegt unter dem Schutt begraben, man kommt da nicht dran?
Koldehoff: Das ist heute noch mal ganz deutlich gesagt worden, 90 Prozent liegen unter den Schuttbergen, unter sechs Etagen Stahl und Beton. Und was das bedeutet, lässt sich noch nicht ermessen. Das, was in die Baugrube hineingestürzt ist und da wahrscheinlich mit Grundwasser, mit bei Regen steigendem Grundwasser Berührung hat, das wird so gut wie verloren sein, sagte heute Professor Robert Fuchs vom Institut für Restaurierungswissenschaften an der Fachhochschule Köln. Es gab wohl zu ganz, ganz wenigen Stellen, die oberirdisch gelegen haben, auch schon Zugang. Auch das, was man dort sieht, so Fuchs, sei allerdings eher katastrophal.
Robert Fuchs: Wir haben ja noch Preziosen zu erwarten. Ich habe gestern auch ein Buch in die Hand bekommen, das war so mit dem Regal verklemmt, dass wir es überhaupt nicht aus dem Regalbrett bekommen haben. Das ist also jetzt im Moment ein Stück Stahlregal mit Buch.
Koldehoff: Danach ist Professor Fuchs dann vor der versammelten Presse in Tränen ausgebrochen. Sie sehen also, ein Quäntchen Hoffnung möglicherweise. Aber von diesen 90 Prozent Archivalien, die noch verschüttet sind, glauben die Experten nicht wirklich, dass da viel zu retten sein wird.
Schmitz: Also die Stimmung allgemein ist eher schlecht?
Koldehoff: Die ist eher schlecht, zumal man nach wie vor nicht weiß, wann es gelingt, überhaupt die Trümmer zu stabilisieren, sodass man mal erst nach den beiden Vermissten und dann nach weiterem Material wird suchen können.
Schmitz: Es gibt ein Ingenieursgutachten, das seit heute aufgetaucht ist. Welche Bedeutung hat das, und wurde das in der Pressekonferenz heute Morgen erwähnt?
Koldehoff: Die Stadt lehnt nach wie vor jede Aussage zur Schuldfrage ab. Die Kriminalpolizei ermittelt, und man kann ein bisschen den Eindruck haben, dass das der Stadt, den Kölner Verkehrs-Betrieben und der Gebäudewirtschaftsgesellschaft auch gar nicht so unlieb ist, dass sich da noch niemand zu äußern muss. Dieses Gutachten, das dem Kölner Stadt-Anzeiger zugespielt wurde und das uns auch vorliegt, stammt von Januar. Da ist noch mal ganz konkret auf Setzrisse eingegangen worden, auf Abplatzungen, auf Dehnungsfugen, die sich geweitet haben. In diesem Gutachten heißt es vom Gutachter: "Um eventuell weitere Schäden am Gebäude zu vermeiden, empfehle ich, einen öffentlich anerkannten Sachverständigen für Bauwerkschäden einzuschalten." Das ist - das hat die Stadt heute bestätigt - nicht geschehen. Es bleibt also weiterhin zu vermuten, dass die Stadt nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die sinnvoll und nötig gewesen wären.
Schmitz: Ein letztes Wort noch dazu: Wie geht man im Augenblick vor? Räumt man schon Archivalien ab?
Koldehoff: Man versucht es. Das, was nass geworden ist, wird schockgefrostet, aber wie gesagt, an viel ist überirdisch im Moment noch nicht dranzukommen.
Schmitz: Stefan Koldehoff, vielen Dank für diesen Bericht über die Sicherungs- und Bergungsarbeiten am zerstörten Kölner Stadtarchiv.