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Die studierten Knöllchen-Schreiber

In Rumänien bietet die juristische Fakultät der West-Universität Temeswar einen Studiengang an, den man woanders so schnell nicht findet: Kommunalpolizei. Wer dort nach drei Jahren den Bachelor bekommt, darf, mit akademischen Weihen versehen, Strafzettel verteilen.

Von Thomas Wagner |
    Sein erstes Praktikum hat er gerade hinter sich gebracht. Ibrasi Razvan, 21 Jahre, Student an der West-Universität Temeswar, Rumänien:

    "Ich habe gerade eine Woche lang in den Arbeitsalltag der Lokalpolizei Temeswar hineingeschnuppert. Leider, leider durfte ich noch keine Strafzettel verteilen. Dazu habe ich als Student noch kein Recht. Aber ansonsten habe ich überall man hineinschauen können, in alles, was man bei der Lokalpolizei so zu tun hat: Wirtschaftskontrolldienst in den Geschäften, Dokumente überprüfen, Streife fahren ... ich habe jeden Tag eine andere Aufgabe kennengelernt."

    Ibrasi Razvan hat sich für einen außergewöhnlichen Studiengang entscheiden: West-Universität, Fakultät für rechts- und Verwaltungswissenschaften, Spezialstudiengang Kommunalpolizei - ein echtes Wortungetüm, was aber was hermacht – und Respekt einflößt:

    "Klar, wenn sie falsch parken, dann verpasse ich natürlich auch ihnen einen Strafzettel", sagt der Student, der, wenn er erst einmal seinen Bachelor in der Tasche hat, Recht und Gesetz in Rumänien endlich Geltung verschaffen will. Sein Kommilitone Andre-Marius Vrabete hat denselben Studiengang belegt – und sich nach dem Abschluss ein ehrenwertes berufliches Ziel gesetzt:

    ""Strafzettel ausstellen, die Gesetze anwenden. Also, ich bin für Recht und Ordnung, wie bei euch in Deutschland. Ich hoffe, wir schaffen das irgendwann auch noch."

    Im Moment ist Rumänien aber noch weit davon entfernt: Tausende von Autos werden tagtäglich in fast schon rüpelhafter Manier auf den Gehsteigen geparkt. Zeitgenossen mit dunklen Sonnenbrillen auf der Nase brausen mit irrsinnigen Geschwindigkeiten in ihren Nobelkarossen durch die Straßen; da ruht die ganze Hoffnung der rumänischen Nation auf den kommunalen Ordnungshütern mit Universitätsabschluss. In ihren Seminaren und Vorlesungen pauken sie Jura, aber auch die Verwaltungsabläufe in den Behörden. Alleine, damit wird es bald ein Ende haben. Professor Marilen Gabriel Pirtea ist seit sechs Monaten Rektor der West-Universität:

    "In diesem Jahr haben wir in diesem Studiengang keine Erstsemester mehr aufgenommen. Wir werden ihn auslaufen lassen. Wegen des Studiengangs 'Kommunalpolizei' sind wir in schöner Regelmäßigkeit bei den anstehenden Evaluierungen zurückgestuft worden."

    So richtig wissenschaftlich ist das Ding mit der Kommunalpolizei dann halt doch nicht, weiß auch der Rektor.

    "Die Anzahl der Publikationen, der wissenschaftlichen Veröffentlichungen in der rechtswissenschaftlichen Fakultät ist, seitdem wir diesen Studiengang haben, deutlich zurückgegangen. Und das hat zu der niedrigeren Bewertung geführt. Irgendwie gibt es bei der Lokalpolizei selbst ja auch nicht so furchtbar viele Themen, die man erforschen könnte."

    Knöllchen bleibt eben Knöllchen: Da lässt sich auch wissenschaftlich kaum etwas herumdeuteln. Absolventen des Studiengangs hoffen dennoch auf gute Karrierechancen bei den lokalen Polizeibehörden im Land. Dass sie sich später einmal, beim Knöllchenverteilen, nicht immer nur Freunde machen werden, wissen die zukünftigen Ordnungshüter bereits während ihres Studiums. Ibrasi Razvan will deshalb nach dem Bachelor nicht sofort zur Lokalpolizei, sondern sicherheitshalber noch ein bisschen an der Uni bleiben.

    "Nach diesem Studium schreibe ich mich bei den Psychologen ein. Dazu bin ich schon jetzt fest entschlossen."