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Die studierten Päckchen-Packer

Vorweihnachtszeit - das ist die Zeit des Päckchen-Packens. Erst mit der richtigen Verpackung kommt das Präsent wirklich gut an. Mit Schleifchen oder ohne, Goldpapier oder nicht - die Wahl der Verpackung ist ebenso kompliziert wie die Geschenkauswahl. Wen wundert es, dass man Päckchen-Packen auch studieren kann?

Von Thomas Wagner |
    "Wie haben Sie denn Ihr Weihnachtspäckchen gepackt in diesem Jahr ? - Mit Schleifen hab' ich das gepackt, sonst nichts, nur einfache Schleifchen."

    "Wie jedes Jahr, mit Geschenkpapier, am besten mit lustigen Weihnachtspapieren."

    "Mit Weihnachtspapier und mit schönen bunten Schleifen."

    "Mit Liebe und Weihnachtspapier. Kleine Schleifchen natürlich, soll auch fürs Auge schön sein." Die Verpackung soll mir Spaß machen und dem Beschenkten. - Können Sie sich denn vorstellen, dass man Päckchen packen auch studieren kann? - Es mag wohl alles geben."

    Jawohl, es gibt ihn tatsächlich - den Studiengang "Packaging Technology" am "International Packacking Institute" (IPI) in der Schweizer Grenzstadt Schaffhausen. Markus Dippel ist einer jener Handvoll Studenten, die sich dort eingeschrieben hat. Der diplomierte Physiker wechselte vor drei Monaten zum Aluminium-Hersteller Alcan. Seine Aufgabe dort: Der Entwurf neuer Verpackungen. Da reichen Newtons Gravitationslehre, Einsteins Relativitätstheorie und so manches, was man im Physik-Studium mitkriegt, nicht aus: Markus Dippel hat in den ersten Blockseminaren beim IPI Schaffhausen einiges dazu gelernt.

    "Es ging um Ökologie und Unternehmensführung. Ökologie - da ging es um alles, was irgendwie mit Ökobilanzen zu tun hat: Wo kommen die Rohstoffe her, wie werden sie verarbeitet? Was mache ich da draus? Dann welche Rohstoffe sind für Verpackungen umweltfreundlicher, welche sind teurer, wie sieht das ganze vom ökologischen Standpunkt aus?"

    Ökologie - dieser Bereich hat in den vergangenen Jahren in der Verpackungstechnik enorm an Bedeutung gewonnen. Doch wer in Schaffhausen "Päckchen packen" studiert, bekommt noch einiges mehr mit: Wie lassen sich Verpackungsprozesse am Fließband, beispielsweise in der Lebensmittelindustrie, so gestalten, dass die möglichst kostengünstig sind? Welche Materialien vertragen sich mit welchen Inhalten - eine Frage, die vor allem in der Lebensmittelbranche, aber auch in der pharmazeutischen Industrie eine wichtige Rolle spielt? Wie lassen sich Verpackungsprozesse so gestalten, dass möglichst wenig Material verbraucht wird? Und auch das gehört dazu: Eine Prise Verkaufs-Psychologie. Professor Ingo Büren, Direktror des IPI Schaffhausen:

    "Man muss natürlich grundsätzlich verstehen, was passiert, wenn ein Kunde in einem Supermarkt den Laden betritt. Supermärkte sind halt heute ein enormes Vehikel für verpackte Güter und damit für die Versorgung von weiten Bevölkerungsteilen. Und man muss eben wissen, was passiert. Unter welchen Kriterien trifft ein Konsument seine Auswahl? Das macht dann eine Verpackung gut oder schlecht in diesem primären Marketing-Sinn. Und wie gesagt: Der Verpackungsspezialist - der weiß, wie er diese Überlegungen kombiniert mit knallharten Überlegungen zur Technik, Materialverwendung und auch der Ökologie."

    So wird das Studium von Verpackungs-Engineering zu einer spannenden Angelegenheit. Im krassen Gegensatz dazu steht das geringe Interesse an diesem Fach: Entsprechende Studiengänge werden bereits seit mehreren Jahrzehnten in Stuttgart, Berlin und Leipzig angeboten. Alles in allem haben in dieser langen Zeit aber gerade mal 500 Studenten ein "Verpackungs-Studium" abgeschlossen. Kein Bock auf die "Päckchen-Wissenschaft" an den Hochschulen - Roger Roth vom IPI Schaffhausen hat dafür eine Erklärung:

    "Die Leute kennen eigentlich den Bereich Verpackung gar nicht. Das fällt auch jedem Bürger auf: Wer beschäftigt sich schon damit, was er in den Händen hat? Er möchte eigentlich den Inhalt kaufen. Aber wenn Sie in ein Geschäft ein und dort etwas einkaufen, dann kaufen sie eigentlich die Verpackung. Das wird Ihnen aber erst bewusst, wenn Sie dann mal schauen, was wirklich hinter der Verpackung steckt. Und auch mir ging da lange so, dass ich keine Ahnung hatte, welche Technologie sich hier im Verpackungsbereich verbirgt."

    Demgegenüber steht ein immenser Bedarf der Industrie an Verpackungs-Experten: Alleine in Deutschland setzt die Verpackungsbranche jährlich über 30 Milliarden Euro um. Doch es mangelt an gut ausgebildeten Fachleuten. Das führte vor eineinhalb Jahren zur Gründung des IPI Schaffhausen. An dem Institut sind dann auch so namhafte Unternehmen wie Alcan, Bosch-Packaging und Nestle beteiligt. Während in diesem Jahr der Zertifikats-Studiengang startete, wird ab März kommenden Jahres ein Master-Studiengang unter der organisatorischen Obhut der Hochschule Konstanz angeboten. Doch erst mal sind Weihnachtsferien. Gleichwohl hat der Konstanzer Markus Dippel auch für diese Tage in seinem neuen Studium wertvolle Anregungen erhalten. Er packt jedenfalls seine Weihnachtspäckchen anders als in den Jahren zuvor - nämlich:

    "Mit weniger Material und dafür gezielter und etwas zweckmäßiger. Weniger Karton, weniger Kunststoff, versuchen, auf ökologische Materialien auszuweichen, so gut es geht."