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Die Stürme des Schicksals

Vor zweieinhalb Jahren Mozarts Oper "Idomeneo" hastig vom Spielplan der Deutschen Oper in Berlin, weil Regisseur Hans Neuenfels damals unter anderem einen abgeschlagenen Mohammed-Kopf vorzeigen ließ. In Hannover ist Mozarts Choroper nun in einer Version zu sehen, die sich ganz auf die vier antiken Hauptfiguren konzentriert.

An Georg-Friedrich Kühn |
    Dies ist gleichsam ein "Idomeneo" light, stark verkürzt, konzentriert auf die vier Hauptfiguren, mithin manchmal etwas pauschal wirkend aber mit durchaus eindrucksvollen Szenen. Zumal am Schluss, wenn das junge Paar und neue Herrscherpaar - der Kreter-Prinz Idamante und die Trojanische Beute-Prinzessin Ilia - durch ihre Hingabe füreinander und für das Volk gesiegt haben. Der als Symbol des drohenden Unheils auf der Bühne kreisende Mauerblock ist zum Stillstand gekommen. Das Volk versammelt sich davor um den zum Abtreten gezwungenen König Idomeneo, der die Übergabe der Herrschaft an seinen Sohn verkündet, schließt ihn gleichsam weg in seine Reihen. Idamante und Ilia steigen über die Menschen hinweg auf die Mauer. Und das Mauer-Monster sinkt in die Tiefe.

    Ganz in weiß haben Regisseur Philipp Himmelmann und seine Ausstatterinnen Elisabeth Pedross und Petra Bongard das angelegt. Weiß ist der Bühnenraum, die Figuren tragen weiße Kleider und blonde Haare. Nuancen werden angedeutet durch Licht. Und, wenn Idomeneo aus dem Sturm vor dem Seeungeheuer errettet landet, durch die Blut-Spur rot. Nicht nur Idomeneo kommt blutbesudelt mit blutgefärbtem Hackebeil auf die Bühne, auch auf den Kostümen der Inselbewohner zeigen sich Male von Blut. Das vermittelt durchaus antikische Dimensionen - mit Querverweisen in die jüngere deutsche Vergangenheit. Auf der Strecke bleibt in dieser Deutung aber die Zeichnung der Figuren. Die Wand ist nicht nur Symbol des durch die Lebensgier des Königs und seinen Schwur ausgelösten Unheils: er hat gelobt, den ersten Menschen, der ihm am Strand begegnet, zu opfern - unglücklicherweise sein Sohn Idamante.

    Die Wand wird auch zum strapazierten Haltepunkt für die Inszenierung. An der Wand entlang schieben sich die Figuren, um ihre Bedrückung zu bekunden. Das Volk sitzt oder steht meist mit dem Rücken zum Publikum im Kreis um die Wand herum im Raum. Das Volk, obwohl musikalisch die fünfte Kraft in Mozarts Partitur, ist nicht Akteur, mit ihm wird agiert.

    Martin Haselböck am Pult des Hannoverschen Staatsorchesters setzt auf drängende Tempi, neigt gelegentlich zum Überhasten, sodass Bühne und Graben auseinander fallen. Zumal Brigitte Hahn als auch darstellerisch zu sehr überzeichnende Elettra hat da mit den Koloraturen ihre Schwierigkeiten.

    Für Tomas Zagorski als stämmigen König Idomeneo hat man ohnehin die alternativ vorgesehene Variante ohne Koloraturen gewählt. Barbara Senator gibt den Idamante mit Sensibilität aber doch auch mit allzu viel Vibrato in der Stimme. Den besten Eindruck, stimmlich wie darstellerisch, macht Ania Wegrzyn als Ilia.

    Das Publikum spendete am Ende freundlichen Beifall, fürs Inszenierungsteam gab es ein paar Buhs. Man hat gewiss schon diffizilere Aufführungen dieser ersten großen, fast experimentellen Oper Mozarts gesehen und gehört. Aber das Stück, an dem Mozart vielfach feilte, hat selbst etwas Unfertiges. Es zu inszenieren verlangt viel psychologisches Feingefühl. Hier war davon nicht immer sehr viel zu spüren.