Dina Netz: Die Hofer Filmtage sind ein kleines Festival, aber ein für das deutsche Kino wichtiges, denn das steht dort traditionell im Mittelpunkt. Vergangenen Dienstag hat die 45. Ausgabe der Hofer Filmtage begonnen, gestern ist sie zu Ende gegangen, 74 lange Dokumentar- und Spielfilme und 38 Kurzfilme waren zu sehen. Frage an unseren Filmkritiker Rüdiger Suchsland: Hof ist eines der Festivals, zu dem alle Generationen von Filmemachern kommen, um über ihre Filme zu diskutieren. Nehmen wir uns also zuerst den Nachwuchs vor: Bei den Hofer Filmtagen werden immer auch Spielfilmdebüts präsentiert. Haben Sie neue Talente entdeckt, Herr Suchsland?
Rüdiger Suchsland: Ja, das ist schon der Grund, warum man hinkommt: Man hofft immer, was zu sehen, was man noch nie gesehen hat und vielleicht die ganz berühmten Namen, sagen wir mal, den Tom Tykwer der Zukunft oder die Doris Dörrie der Zukunft zu sehen. Das kann ich, vielleicht liegt es ja an mir, jetzt in diesem Jahr eigentlich nicht behaupten. Es gab schon ein paar sehr schöne Kurzfilme – diese Kurzfilme, das sind so die ersten Fingerübungen, die dann oft noch während der Filmhochschule gemacht werden. Es gibt natürlich auch immer ein paar Regisseure, Regisseurinnen, die überhaupt nicht auf einer Filmhochschule sind. Es gab ein paar Kurzfilme, die interessant sind, auch deswegen, weil man dann sieht, dass da natürlich diese intensiven Themen sind, mit denen man so eine Karriere anfängt: Also es geht um Liebe und Tod, es geht um die Eltern, es geht um die eigene Kindheit. So was taucht in diesen Filmen auf, aber es geht dann auch nicht darüber hinaus. Und ich kann jetzt nicht sagen, es mag auch an diesen Förderbedingungen liegen, oder an der Tatsache, was auf solchen Schulen verlangt wird, ich kann nicht sagen, dass man da Filme gesehen hat, wo man glaubt, das ist eine neue Sprache des Kinos. Eigentlich so die etwas älteren, die 30-, 40-Jährigen, die haben dann die interessanteren Filme gemacht. Das sind dann die zweiten oder dritten Spielfilme.
Netz: Es gab ja gleich drei deutschsprachige Spielfilme über afrikanische Flüchtlinge in Europa im Programm. Kann man jetzt aus dieser Beobachtung schon einen thematischen Schwerpunkt ableiten?
Suchsland: Ja, das ist erstaunlich. Das ist auch ganz gut, dass hier Filmemacher – und das ist dann die angesprochene Generation der ein bisschen älteren -, dass die hier ein brennendes politisches, gesellschaftlich relevantes Thema aufgreifen, nämlich die Migration, vor allem diese schrecklichen Boat People, arme Menschen vor allem aus Afrika, die dann angeschwemmt werden zum Teil an die spanische Küste, und ich fand es schon ganz auffällig, dass gleich drei Filmemacher jeweils einen Film erzählen über diese Menschen in Spanien. Es sind aber jeweils deutsche Filme. Mir hat eigentlich am besten gefallen Sören Voigts "Implosion". Der erzählt von einer Touristenfamilie, die da Urlaub machen und die eher so durch Zufall ein Flüchtlingsmädchen aus Afrika, was versteckt ist, aufnehmen und die dann automatisch in diese Menschenhandelsnetzwerke verstrickt werden. Das war ein sehr interessanter Film, auch der zweite Spielfilm eines Regisseurs.
Netz: Dieser Sören Voigt, der gehört zu denjenigen Regisseuren, die ihre Filme mit kleinem Budget drehen. Wie stand es sonst um das Autoren- oder Independent-Filme in Hof?
Suchsland: Ja, das ist das Schöne. Man sieht da schon Filme, die sind einerseits rein fürs Fernsehen gemacht, sind also durchfinanziert, auch Filme, die von der Filmförderung sehr gut bedacht sind, und dann gibt es aber andere. Das eine ist so ein Sonderfall, das ist ein Film von Dominik Graf, den man ja kennt, der macht ganz viel fürs Fernsehen, und das ist, glaube ich, das erste Mal, dass er einen Film völlig ohne Förderung gedreht hat, "Das unsichtbare Mädchen". Wenn man hört, worum es geht, dann weiß man auch, warum es keine Förderung gab. Es geht nämlich tatsächlich auch um so eine Art Menschenhandel und ein verschwundenes Kind in Oberfranken. Das Ganze wurde auch in Hof gedreht und in der Umgebung, spielte da am Rand, früher war es Zonenrand, heute ist da die tschechische Grenze, und es geht dann schon um die Verstrickungen der Staatspartei. Es gibt einen Innenminister, der heißt Günther, wie es mal in Bayern einen Innenminister gab, Günther Beckstein. Man kann sich da denken was man will, in jedem Fall wird so eine lokale Szenerie wie in einem Vergrößerungsglas, wie in einem Brennglas wirklich zu einem Ort, an dem sich die ganze Republik zeigt: mit politischen Verstrickungen, mit Verbrechen, mit korrupten Polizeibeamten. Das ist ein toller Polizei-Thriller.
Netz: Im deutschsprachigen Film ist überhaupt das Genrekino, also Thriller, Krimis, meist sehr stark. In Hof in diesem Jahr auch?
Suchsland: Ja. Der erwähnte Film ist in jedem Fall so etwas, und das ist ein Independent-Film eben von einem eigentlich integrierten Regisseur. Etwas anderes ist der Film von Klaus Lemke, der heißt "Drei Kreuze für einen Bestseller". Das ist auch, wenn man so will, ein Thriller, wo ein junges Mädchen und ihr Freund zu Mördern werden, man kann auch sagen, so außer Atem, ganz billig gedreht, neu, Update in Deutschland und Spanien in den Nullerjahren oder kurz danach. Klaus Lemke ist ja auch fast schon ein Veteran des Aufbruchs der Zeit in den 60er-Jahren. Er war aber immer ein Outsider im neuen deutschen Film, also nicht jemand, der da alles mitgemacht hat. Und er redet heute gegen die Filmförderung. Er sagt, Papas Staatskino ist tot, so wie damals die Oberhausener im Oberhausener Manifest gesagt haben, Opas Kino ist tot. Also es gibt Wiederaufbrüche, es gibt Wiederneuanfänge in Hof und im deutschen Film.
Netz: Vielen Dank, Rüdiger Suchsland. Er hat für uns die Essenz der Hofer Filmtage auf den Punkt gebracht.
Rüdiger Suchsland: Ja, das ist schon der Grund, warum man hinkommt: Man hofft immer, was zu sehen, was man noch nie gesehen hat und vielleicht die ganz berühmten Namen, sagen wir mal, den Tom Tykwer der Zukunft oder die Doris Dörrie der Zukunft zu sehen. Das kann ich, vielleicht liegt es ja an mir, jetzt in diesem Jahr eigentlich nicht behaupten. Es gab schon ein paar sehr schöne Kurzfilme – diese Kurzfilme, das sind so die ersten Fingerübungen, die dann oft noch während der Filmhochschule gemacht werden. Es gibt natürlich auch immer ein paar Regisseure, Regisseurinnen, die überhaupt nicht auf einer Filmhochschule sind. Es gab ein paar Kurzfilme, die interessant sind, auch deswegen, weil man dann sieht, dass da natürlich diese intensiven Themen sind, mit denen man so eine Karriere anfängt: Also es geht um Liebe und Tod, es geht um die Eltern, es geht um die eigene Kindheit. So was taucht in diesen Filmen auf, aber es geht dann auch nicht darüber hinaus. Und ich kann jetzt nicht sagen, es mag auch an diesen Förderbedingungen liegen, oder an der Tatsache, was auf solchen Schulen verlangt wird, ich kann nicht sagen, dass man da Filme gesehen hat, wo man glaubt, das ist eine neue Sprache des Kinos. Eigentlich so die etwas älteren, die 30-, 40-Jährigen, die haben dann die interessanteren Filme gemacht. Das sind dann die zweiten oder dritten Spielfilme.
Netz: Es gab ja gleich drei deutschsprachige Spielfilme über afrikanische Flüchtlinge in Europa im Programm. Kann man jetzt aus dieser Beobachtung schon einen thematischen Schwerpunkt ableiten?
Suchsland: Ja, das ist erstaunlich. Das ist auch ganz gut, dass hier Filmemacher – und das ist dann die angesprochene Generation der ein bisschen älteren -, dass die hier ein brennendes politisches, gesellschaftlich relevantes Thema aufgreifen, nämlich die Migration, vor allem diese schrecklichen Boat People, arme Menschen vor allem aus Afrika, die dann angeschwemmt werden zum Teil an die spanische Küste, und ich fand es schon ganz auffällig, dass gleich drei Filmemacher jeweils einen Film erzählen über diese Menschen in Spanien. Es sind aber jeweils deutsche Filme. Mir hat eigentlich am besten gefallen Sören Voigts "Implosion". Der erzählt von einer Touristenfamilie, die da Urlaub machen und die eher so durch Zufall ein Flüchtlingsmädchen aus Afrika, was versteckt ist, aufnehmen und die dann automatisch in diese Menschenhandelsnetzwerke verstrickt werden. Das war ein sehr interessanter Film, auch der zweite Spielfilm eines Regisseurs.
Netz: Dieser Sören Voigt, der gehört zu denjenigen Regisseuren, die ihre Filme mit kleinem Budget drehen. Wie stand es sonst um das Autoren- oder Independent-Filme in Hof?
Suchsland: Ja, das ist das Schöne. Man sieht da schon Filme, die sind einerseits rein fürs Fernsehen gemacht, sind also durchfinanziert, auch Filme, die von der Filmförderung sehr gut bedacht sind, und dann gibt es aber andere. Das eine ist so ein Sonderfall, das ist ein Film von Dominik Graf, den man ja kennt, der macht ganz viel fürs Fernsehen, und das ist, glaube ich, das erste Mal, dass er einen Film völlig ohne Förderung gedreht hat, "Das unsichtbare Mädchen". Wenn man hört, worum es geht, dann weiß man auch, warum es keine Förderung gab. Es geht nämlich tatsächlich auch um so eine Art Menschenhandel und ein verschwundenes Kind in Oberfranken. Das Ganze wurde auch in Hof gedreht und in der Umgebung, spielte da am Rand, früher war es Zonenrand, heute ist da die tschechische Grenze, und es geht dann schon um die Verstrickungen der Staatspartei. Es gibt einen Innenminister, der heißt Günther, wie es mal in Bayern einen Innenminister gab, Günther Beckstein. Man kann sich da denken was man will, in jedem Fall wird so eine lokale Szenerie wie in einem Vergrößerungsglas, wie in einem Brennglas wirklich zu einem Ort, an dem sich die ganze Republik zeigt: mit politischen Verstrickungen, mit Verbrechen, mit korrupten Polizeibeamten. Das ist ein toller Polizei-Thriller.
Netz: Im deutschsprachigen Film ist überhaupt das Genrekino, also Thriller, Krimis, meist sehr stark. In Hof in diesem Jahr auch?
Suchsland: Ja. Der erwähnte Film ist in jedem Fall so etwas, und das ist ein Independent-Film eben von einem eigentlich integrierten Regisseur. Etwas anderes ist der Film von Klaus Lemke, der heißt "Drei Kreuze für einen Bestseller". Das ist auch, wenn man so will, ein Thriller, wo ein junges Mädchen und ihr Freund zu Mördern werden, man kann auch sagen, so außer Atem, ganz billig gedreht, neu, Update in Deutschland und Spanien in den Nullerjahren oder kurz danach. Klaus Lemke ist ja auch fast schon ein Veteran des Aufbruchs der Zeit in den 60er-Jahren. Er war aber immer ein Outsider im neuen deutschen Film, also nicht jemand, der da alles mitgemacht hat. Und er redet heute gegen die Filmförderung. Er sagt, Papas Staatskino ist tot, so wie damals die Oberhausener im Oberhausener Manifest gesagt haben, Opas Kino ist tot. Also es gibt Wiederaufbrüche, es gibt Wiederneuanfänge in Hof und im deutschen Film.
Netz: Vielen Dank, Rüdiger Suchsland. Er hat für uns die Essenz der Hofer Filmtage auf den Punkt gebracht.