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Die tickende Zeitbombe für die Landwirtschaft

Wenn derzeit von Australien die Rede ist, dann geht es überwiegend um die verheerenden Buschbrände. Aber der fünfte Kontinent hat noch ein ganz anderes Problem, das nicht so spektakulär in Bilder umzusetzen und das auch nicht mit einem kräftigen Regenschauer zu lösen ist: die zunehmende Bodenversalzung. Erste Stellen in Westaustralien sind dadurch bereits unfruchtbar geworden und auch im Südosten wird das Problem spürbar - die Regionen also, in denen vor allem Getreide angebaut wird, womit Australien einen großen Teil des Weltmarktes beliefert.

Von Dagmar Röhrlich |
    Australiens Getreideanbaugebiete sind bedroht: Denn heute wird eine Gefahr akut, die sich in den vergangenen 100 Jahren schleichend und lange unbemerkt aufgebaut hat. Unter viele Äckern sind in zehn bis 20 Metern Tiefe Gesteinshorizonte, die Salz enthalten, das nun vom Grundwasser gelöst und in Richtung Oberfläche transportiert wird. Diese emporsteigende Salzlösung ist eine große Gefahr für die Bodenfruchtbarkeit. Angefangen hat alles mit dem "Import" europäischer Anbaumethoden:

    Wir haben eine Landwirtschaft nach europäischem Muster eingeführt, und dadurch den Wasserhaushalt des Systems verändert, wodurch sehr viel mehr Wasser in die Grundwasserspeicher als früher gelangt. Auf diesem alten Kontinent hier aber gibt es viele salzhaltige Schichten, die einst unter dem Meer abgelagert worden sind. Wenn der Grundwasserspiegel ansteigt, wird dieses Salz gelöst und kommt an die Oberfläche. Das wird große Gebiete im australischen Südosten treffen und wahrscheinlich vielerorts unprofitabel machen - zumindest auf lange Sicht.

    Chris Smith sucht im Auftrag der australischen Forschungsorganisation CSIRO nach einer Lösung für dieses Problem. Im Bundesstaat Westaustralien sind schon die ersten Äcker durch das Salz unfruchtbar geworden. Auch in der Kornkammer des Murray-Darling-Beckens mehren sich die Anzeichen.

    Der Wasserspezialist Smith hat sich zunächst an eine gründliche Bilanz der Situation gemacht - per Experiment. Er pflanzte in zwei riesigen, tonnenschweren "Blumentöpfen" verschiedene Getreidesorten an. Durch grammgenaues Wiegen bestimmte er regelmäßig ihren Wasserhaushalt. Das Resultat: Die Getreidepflanzen lassen einfach zu viel Wasser durch. In regenreichen Jahren sind es 100 Liter pro Quadratmeter. Bei der einheimischen Vegetation dagegen gelangt nur ein bis fünf Liter pro Quadratmeter ins Grundwasser. Im wesentlichen, betont Chris Smith, stehe man vor einem Koordinierungsproblem.

    Die einheimischen Ökosysteme brauchen nicht unbedingt viel Wasser, aber sie brauchen es kontinuierlich das ganze Jahr über, 365 Tage lang. Die Agrarpflanzen sind dagegen so gezüchtet, dass sie nach der Aussaat im Winter sehr schnell wachsen und im Frühjahr und Frühsommer viel Wasser brauchen. Aber nach der Ernte ist Schluss und das folgende halbe Jahr, wenn ein Großteil des Regens fällt, wächst auf den Äckern nichts, was ihn aufhielte…and there is nothing actually growing.

    Über das Jahr gemessen lassen selbst die durstigsten Getreidesorten wesentlich mehr Wasser durch als die genügsame Buschvegetation. Der Vorschlag des CSIRO-Forschers an die Farmer lautet daher: Ergänzt Euer Anbauprogramm um weitere Pflanzen. So kann die Grünfutterpflanze Luzerne das Manko ausgleichen: Denn ihre Wurzeln reichen tiefer. Sie würde die Bodenschicht unterhalb der Getreidewurzeln vom Wasser leeren. So schafft sie eine Art Speicher, in den dann bei der Pflanzperiode der Wasserüberschuß durch die Ackerpflanzen wieder aufgenommen werden kann. Ein Fruchtwechsel von Getreide und Luzerne im passenden Rhythmus dichtete das Leck also regelrecht ab. Der richtige Rhythmus ist das Entscheidende:

    Der Trick ist nur, zwischen den Pflanzen hin- und herzuschalten. Denn wir wollen den Speicher schnell austrocknen, und die Luzerne kann das. Wir müssen dann wissen, dass die Speicherschicht trocken gefallen ist, damit wir zu Getreide wechseln können. Und sobald der Speicher wieder voll ist, müssen wir zur Luzerne wechseln. Das muss schnell gehen, denn mit Getreide läßt sich viel mehr Geld verdienen.

    Ein zuverlässiger und einfach zu bedienender Wassermesser wird gerade erprobt. Doch es geht auch noch anders. Man könnte auf den quadratkilometergroßen Äckern etwas Fläche für die einheimische Vegetation reservieren. Der Wasserhaushalt pegelt sich dann aufs Ganze betrachtet wieder ein. Dazu sollten die Farmer die weniger fruchtbare Parzellen auswählen - nur, dazu müssen sie erst einmal wissen, wie man die am besten erkennt. Auf einigen Versuchsfarmen führt das Team von Chris Smith gerade solche Untersuchungen durch. Ein schnelles Heilmittel ist das alles allerdings nicht. Selbst wenn jetzt entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, die Effekte werden erst in Jahrzehnten sichtbar werden. Für manchen Acker kommt das aber zu spät. Denn der Kampf gegen das Salz ist auch ein Kampf gegen die Uhr.