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Die Töchter des Harald Schmidt?

Die Geschichte ist kompliziert. Am letzten Mittwoch eines jeden Monats findet in einem Etablissement namens nbi - Schönhauser Allee 157 - die Berlin Bunny Lecture statt. Kenner erklären, daß nbi "neue Berliner Initiative" bedeute und an den anderen Tagen als Musik-Club funktioniere.

Von Michael Rutschky | 02.08.2004
    Berlin Bunny Lecture, die Formel erinnert an akademische Festvorträge mit Prominenz. Und zugleich an das Emblem der Zeitschrift Playboy - passend trug Ulrike Sterblich, das Supatopcheckerbunny, vergangenen Mittwoch zum schwarzen Hosenanzug ein weißes T-Shirt mit dem Langohr als Aufdruck. Zum Supatopcheckerbunny gehört fest das Hilfscheckerbunny, dargestellt von Stese Wagner, das sich dadurch auszeichnet, daß es die Dinge noch nicht ganz richtig checkt. Aber das Hilfscheckerbunny bemüht sich. Leser der Zeitschrift Titanic finden dort regelmäßig Cartoons, die Tex Rubinowitz zeichnet und die von den Abenteuern und Einsichten der beiden Bunnys erzählen; im Internet gelangt man auf eine hübsche Website - das unübersichtliche Gelände, auf dem wir uns hier bewegen, umfaßt also aparte Formen der neuberliner Geselligkeit und das Netz ebenso wie eine endgültige Satire-Zeitschrift.

    Diesen Mittwoch handelte die Bunny Lecture von Konflikten und Auseinandersetzungen, und das Supatopcheckerbunny ließ uns in seiner Einladung wissen: "Alles andere wäre falscher Sommeroptimismus, und das ist nicht meine Art. Ich liebe es, Kontrapunkte zu setzen und pfeife darauf, was die Spießer dann zu meckern haben!" Um die Geschichte stark zu vereinfachen, könnte man also sagen: Es handle sich um die Parodie auf eine Talkshow, bei der es ja gleichfalls immer darum geht, die Dinge richtig zu checken. Anderseits lädt das Supatopcheckerbunny zu den Bunny Lecture stets Experten ein, die wirklich was zur Sache zu sagen haben und das nicht bloß parodieren, eine mystische Verwirrung. Diesmal war es Kurt Scheel, gemeinsam mit Karl Heinz Bohrer Herausgeber der highbrow-Zeitschrift Merkur; außerdem Kinogeher und Kinoexperte: An drei Clips führte er vor, wie im klassischen Hollywood-Western Auseinandersetzungen geführt und Konflikte gelöst werden.

    Die intelligenten Fragen und Einwände von Supatopcheckerbunny - denen Hilfscheckerbunny wieder nur schlecht folgen konnte - führten zu Ergebnissen, die ein langer dünner Mann, der Kirk Erbs genannt zu werden wünscht, mit schwarzem Filzstift auf einem Bogen Packpapier festhielt, wobei ein Schema entstand, das irgendwie die Stichworte "Blümchensex" und "Westernduell" mit "Sport ist die Lösung" und "Betriebsratswahl" verband. Ach ja: als Expertin neben Kurt Scheel eingeladen, hatte Corinna Stegemann, Redakteurin der tageszeitung, eine schöne Liebesgeschichte über die Konflikte und Auseinandersetzungen vorgelesen, zu denen die Betriebsratswahl in einem Theater führten. Unbedingt erwähnt werden muß auch der Cartoonist Fil, ein anderer regelmäßiger Gast von Supatopcheckerbunny, der zur Klampfe zu singen pflegt und diesmal außerdem den Kampf des japanischen Kinomonsters Godzilla gegen ein anderes japanisches Kinomonster vorführte: als Pantomime, wie er ankündigte, die er freilich wegen seines Lampenfiebers mit Worten begleitete.

    Das Publikum, das stets zahlreich zu den Bunny Lectures kommt, lacht selten krachend über diese sich selbst parodierende Parodie. Das Vergnügen ist meist ein stilles und entzündet sich an den seltsamen Verknotungen von Gedanken und Formulierungen, bei denen nie zu entscheiden ist, ob es sich um hochintelligente Einsichten oder läppischen Schwachsinn handelt.

    Beteiligen durfte sich das Publikum diesmal durch das Ausfüllen von Zetteln: "So geht meine Lieblingsbeschimpfung." Höchstes Lob erlangte einer, der darauf hinwies, das alles auf die Betonung ankommt: "Du - Wandfarbe!" oder "du - Lockenwickler!" können unter den richtigen Umständen schärfer treffen als das schmutzigste Schimpfwort. Ja, nicht wahr, mit solchen Einsichten pflegt der japanische Zen-Meister seinem Schüler den letzten Schritt zur Erleuchtung zu erleichtern.