Dienstag, 19. März 2024

Archiv


Die Triebfedern von Raubkopierern

Weltweit wird zu 36 Prozent illegal erworbene Software eingesetzt. Zwar liegt Deutschland mit 30 Prozent zwar etwas niedriger, vermutlich weil das Unrechtsbewusstsein noch ausgeprägter ist als beispielsweise in der Ukraine mit einem Anteil von 91 Prozent oder Vietnam und China, wo ähnlich viel Software aus illegalen Quellen stammt. Wo die Gründe für das kriminelle Treiben liegen, erhellt jetzt eine von Microsoft in Auftrag gegebene Studie der Universität Witten Herdecke.

Von Wolfgang Noelke | 10.07.2004
    Um es vorweg zu sagen: Eine nach wissenschaftlichen Kriterien erstellte, repräsentative Studie ist dies nicht, was da im Auftrag von Microsoft vorgelegt wurde. Denn dazu bedarf es normalerweise 2000 Teilnehmern und nicht nur 500, von denen man dann noch fast drei Viertel ignoriert. Mit nur 130 ausgewerteten Teilnehmern sollte man das eher als nichtrepräsentative Umfrage bezeichnen, selbst wenn diese unter wissenschaftlicher Aufsicht ausgewertet wurde. Interessant zu erfahren gewesen wäre auch die Formulierung der Fragen dieser Umfrage zum Thema "Raubkopie", weil dann auch Laien die Interpretation der Antworten leichter fiele. Aber ausgerechnet die Fragen dieser Studie zur so genannten "digitalen Mentalität" wurden nicht veröffentlicht. So müssen sich Raubkopierer künftig damit abfinden, in vier Gruppen eingeteilt zu werden:

    Diejenigen, die sich gut auskennen und auch viel für sich selber kopieren, das sind die "PC- Freaks". Die PC- Freaks sind eine kleine Gruppe mit ungefähr zehn Prozent. Dann gibt es eine Gruppe von Usern, die sich nicht so gut auskennt und trotzdem alles Mögliche aus einer art Sammelleidenschaft auf ihre Festplatte ziehen, das sind die "Hobby – User". Dann gibt es die, die wenig raubkopieren, die sich sehr gut auskennen, das sind die so genannten "PC- Profis", auch eine kleine Gruppe von ungefähr sechs, sieben Prozent. Das sind diejenigen, die allein aus einer gewissen sozialen Fallhöhe es prinzipiell nicht machen, weil sie in einem Unternehmen arbeiten, oder gar Chef eines Unternehmens sind. Uns zuletzt: die größte Gruppe von ungefähr fünfzig Prozent, die haben wir "Pragmatiker" genannt, die sich wenig, oder kaum mit Computern auskennen und die auch sehr wenig raubkopieren.

    ...so Hergen Wöbken von der Universität Witten-Herdecke, der aber auch erklärt, warum die Softwareindustrie sich hütet, mit so massiven Mitteln gegen Raubkopierer vorzugehen, wie es zur Zeit die Musik- und Filmindustrie praktiziert.

    Weil klar sein muss, dass jeder Raubkopierer auch ein potentieller Kunde ist und es im Grunde darum gehen muss, ihm eine goldene Brücke zu bauen, hinüber in die Legalität, wo ich ihn dann zu einem tatsächlich zahlenden Kunden mache. Das erreiche ich nicht, indem ich ihm irgendwelche pauschalen Vorwürfe an den Kopf werfe. Der Unterschied zu der Filmindustrie ist, dass der Einzelnen zwar die Wahl hat: "gehe ich ins Kino oder gehe ich nicht ins Kino?" - aber hinter der Filmindustrie verbirgt sich ein relativ undurchsichtiges Netzwerk an Firmen, so dass sich da die Abneigung oder der Unwille des Verbrauchers schwerlich gegen einzelne Firmen oder Produktionsfirmen richten wird, wohingegen gerade in der Softwareindustrie es exponierte Unternehmen gibt, die dann auch Ziel von solchem Unwillen des Nutzers werden.

    Der dann aber doch – sobald er auf das "richtige" Betriebssystem konditioniert ist und irgendwann die entsprechende "soziale Fallhöhe" erklommen hat – spätestens als Mitarbeiter oder als Leiter einer Firma sich wohlwollend des Unternehmens erinnern sollte, welches ihn hat gewähren lassen. – Den digitalen Mentalitäten der Nutzergruppen gesellt sich so in einer Symbiose die nicht zu unterschätzende digitale Sensibilität der Softwarehersteller. Dies ist das interpretierbare Fazit dieser zunächst unvollständig erscheinenden Studie: "So lange ihr noch im privaten Bereich übt, werdet ihr zwar nicht verfolgt, aber erinnert Euch bitte daran, dass Raubkopieren grundsätzlich strafbar ist und bitte seid so fair, die Forschungs- und Entwicklungskosten der von Euch benutzten Software angemessen zu honorieren und vor allem das dazu notwendige Programm einer digitalen Rechteverwaltung zu akzeptieren." Teilweise ist es schon angekommen in der Nutzergemeinschaft, denn während illegal erworbene Software im privaten Bereich goutiert wird, fordert dieselbe Gemeinde harte Sanktionen gegenüber denjenigen, die Raubkopien zum wirtschaftlichen Vorteil einsetzen. Dr. Thomas Urek, Justitiar von Microsoft Deutschland hat verstanden:

    Die einzige – im privaten Bereich, meine ich – wirklich gute Chance, die wir haben, ist Kommunikation auf der einen Seite und ist sicher so was, wie Schüler- und Studenten-Lizenz, wo ich sage: der normale private Haushalt, mit einem bis drei PCs ist mit einem "Office" in der Schülerlizenz abgedeckt. Das glaube ich, sind Maßnahmen, mit denen wir hoffentlich was erreichen können, aber im gewerblichen Bereich: wenn Sie an Unternehmen denken, wo das eine Unternehmen legale Software einsetzt, dafür Geld bezahlt hat, das andere nicht. Das ist eine gewisse Verzerrung und das haben wir massenhaft.