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Die Überirdischen wurden geerdet

Nach dem Gewinn von sechs Titeln im Vorjahr galt das von Pep Guardiola trainierte Team als die beste Fußball-Mannschaft aller Zeiten. Denn nie zuvor war es einem Verein gelungen in einer Saison Meisterschaft, Pokal, Champions League, spanischen und europäischen Supercup und die Club-Weltmeisterschaft der Fifa zu gewinnen.

Von Sebastian Bargon |
    Nach dem Ausscheiden im Halbfinale der Champions League gegen Inter Mailand müssen sich die frustrierten Katalanen schnell wieder aufrappeln, um die Tabellenführung in der Primera Division zu verteidigen. Vier Spieltage vor Saisonende will Barca´s Erzrivale Real Madrid die Schwäche der Katalanen ausnutzen und ihnen die Meisterschaft in letzter Sekunde wegschnappen.

    Rückblende: Für die euphorischen Fans des F.C. Barcelona war das Halbfinal-Rückspiel am Mittwoch gegen Inter Mailand nur eine Zwischenstation, um am 22. Mai im Madrider Stadion Santiago Bernabéu als erste Mannschaft in der Champions League-Geschichte ihren Titel zu verteidigen.

    Aber trotz der frenetischen Anfeuerungsrufe der 96.000 Zuschauer scheiterte Pep Guardiolas Team an Inter Mailands ultra defensiver Taktik. Inter-Coach José Mourinho hatte ein dichtes Spinnennetz gespannt, in dem sich Barca´s hochgelobte Stürmer immer wieder verfingen. Der Schütze des einzigen Barca-Tores Gerard Piqué:

    "Ich muss zugeben, dass sie sehr gut verteidigt haben. Jetzt wünsche ich Inter Mailand viel Glück fürs Finale.”"

    Der große Traum vom Champions League-Sieg im Stadion des verhassten Hauptstadt-Clubs war gescheitert. Barcas Spielmacher Xavi Hernández blieb nur süß-saurer Galgenhumor.

    ""Die Madridistas werden zufrieden sein, denn sie haben in dieser Saison viel gelitten."

    Natürlich knallten nach dem Ausscheiden der Katalanen in Madrid die Sektkorken, denn ein Triumph von Barcelona im Santiago Bernabéu wäre die schlimmste Demütigung in der 108-jährigen Clubgeschichte gewesen. Jetzt wollen die "Königlichen" den Spieß umdrehen und Barcelona im Liga-Endspurt überholen. Die Rechnung geht so: Madrid muss seine restlichen vier Spiele gewinnen und Barça mindestens einmal patzen.

    Reals Spielmacher Xabi Alonso wünscht sich, dass Barça gleich heute Abend bei seinem schweren Auswärtsspiel in Villareal Punkte verliert. Alonsos Hoffnung ist nicht ganz unbegründet, selbst Pep Guardiola gibt zu, dass sein Team angeschlagen ist:

    "Wir müssen wieder aufstehen, den Schock überwinden und das Spiel gegen Villareal gut vorbereiten."

    Villareal, der heutige Gegner des F.C. Barcelona, dürfte die Taktik von Mailands Coach José Mourinho mit großem Interesse studiert haben.

    Denn Inter war es auf frappierende Art gelungen das gefürchtete Kurzpass-Spiel der Katalanen zu unterbinden - die Schlüsselspieler Xavi und Messi kamen kaum zur Geltung. Außerdem war Zlatan Ibrahimovic, Barças teuerster Einkauf aller Zeiten, ein Totalausfall. Der schwedische Mittelstürmer wirkte aufgrund seiner statischen Spielweise wie ein Fremdkörper. Bei seiner Auswechslung wurde er von den Barça- Fans gnadenlos ausgepfiffen - eine schallende Ohrfeige auch für Guardiola, der Ibrahimovic im Sommer 2009 für 45 Millionen Euro von Mailand nach Barcelona geholt hatte. Seinem Erfolgs-Stümer Samuel Eto'o hatte Guardiola den Laufpass gegeben und ihn den Mailändern als Zugabe für Ibrahimovic ablösefrei überlassen. Damals hatte Guardiola seine Gefühls-Entscheidung wie folgt begründet:

    "Ich verstehe gut, dass die Leute Gründe suchen, vor allem weil es sich bei Eto'o um einen großartigen Spieler handelt. Aber meine Erfahrung als Fußballer sagt mir, dass der Wechsel gut für unseren Club und für die Mannschaft ist. Daran habe ich keinen Zweifel. Wenn es schlecht läuft, trage ich die Verantwortung."

    Der Trainer der Stunde heißt zweifelsohne José Mourinho. Zumindest für die Madrider Sportzeitung Marca. Sie titelte nach dem Ausscheiden des Erzrivalen:

    "Mou - du hast es dir verdient !”

    Gemeint war nicht nur der Einzug ins Finale im Bernabéu, sondern auch der Trainer-Job bei den Neo-Galaktischen am Ende dieser Saison. Auf die Frage, ob die Spielweise des portugiesischen Erfolgs-Trainers die anspruchsvollen Real-Fans überzeugen könne, antwortete Madrids Sportdirektor Miguel Pardeza ausweichend:

    ""Beim Fußball geht es darum zu gewinnen. Ich denke Inter hat Barca auf die einzig mögliche Art ausgeschaltet.”"

    Derzeit wird in den Madrider Fan-Foren heiß diskutiert, ob Reals jetziger Coach Manuel Pellegrini nach der Saison weiter machen oder seinen Schleudersitz für den Barca-Bezwinger Mourinho frei geben soll. Skeptiker bezweifeln, dass der "König des Anti-Fußballs” der Richtige für Real wäre. Sie erinnern an das Schicksal von Fabio Capello, den letzten Vertreter des Catenaccio auf der Real-Bank. Capello, musste vor drei Jahren trotz des gewonnenen Meister-Titels seinen Hut nehmen. An diesem Wochenende könnte bereits eine Vorentscheidung fallen - sowohl im Titelkampf, als auch in der Frage, wer in der nächsten Saison den spanischen Rekordmeister trainieren wird.