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Die Uni Osnabrück will künftig lslamlehrer ausbilden

Wie jede Religionsgemeinschaft in Deutschland haben auch Muslime ein Grundrecht auf staatlichen Unterricht. Neben einigen juristischen Problemen steht noch ein ganz praktisches der bundesweiten Einführung von Islamunterricht im Wege: Es gibt gar nicht genügend Lehrer für dieses Fach. Daran soll unter anderem ein neuer Studiengang in Niedersachsen etwas ändern: Islamische Religionspädagogik. Das Wissenschaftsministerium hat bereits zugestimmt. Gestern trafen sich Vertreter der Osnabrücker Universität mit der Landesregierung in Hannover. Themen: die schwierige Finanzierung des Studiengangs und die Inhalte.

Von Andrea Bonhagen | 10.03.2006
    Jahrelang hat der Erziehungswissenschaftler und Theologie-Professor Peter Graf für den Studiengang gekämpft, jetzt geht alles Hals über Kopf: Schon im Oktober sollen die Studenten im Unterricht sitzen, so will es die Landesregierung. Graf weiß noch gar nicht, ob er auf die Schnelle überhaupt zwei Professoren, einen Juniorprofessor und einen wissenschaftlichen Mitarbeiter findet. Studenten werde es allerdings genug geben, meint er:

    " Es wird ein Frauenstudium sein sehr wahrscheinlich. Junge Frauen muslimischen Glaubens, die studieren können, ein Pädagogikstudium absolvieren, werden wir ohne weiteres finden in der Größenordnung von 30, 40 Studierenden pro Jahr; das ist die Zahl von Studierenden, die wir aufnehmen können."

    Generell studieren wesentlich mehr Frauen als Männer auf Lehramt; das gilt auch für Studierende muslimischen Glaubens. Zum Curriculum gehören die Grundlagen des Islam, Prophetengeschichte, Islam in Europa und die Scharia, das islamische Gesetz. Auch Fachdidaktik und Religionspädagogik müssen die angehenden Islam-Lehrer belegen. Georg Wessling, Sprecher des niedersächsischen Kultusministeriums, erklärt, dass die Lehrer später an den Schulen einen aufgeklärten Islam vermitteln sollen:

    " Die Schülerinnen und Schüler sollen dadurch zu einer mündigen Glaubensentscheidung und zu eigenverantwortlichem Handeln in unserer Gesellschaft geführt werden. Also es geht um Reflektion, nicht um blinde Übernahme traditioneller Formen. Das ist, glaube ich, auch die Trennlinie, die man ziehen muss zu Koranschulen. Der Islamische Religionsunterricht in Niedersachsen ist ja staatlich verantwortet und findet auch in deutscher Sprache statt."

    In Deutschland gibt es etwa 750.000 Schüler muslimischen Glaubens. Im Grundgesetz ist verankert, dass jede Religionsgemeinschaft ein Recht auf staatlichen Unterricht hat. Sobald zwölf muslimische Schüler zusammenkommen, müsste eine Schule eigentlich islamischen Religionsunterricht anbieten. Aber noch gibt es rechtliche Probleme. Muslime gelten nicht als Religionsgemeinschaft, weil sie zu zersplittert sind. Einigen sich Sunniten, Schiiten, Aleviten und andere deutschlandweit, braucht das Land auf einen Schlag etwa 5000 Islam-Lehrer. Höchste Zeit für diese Gleichberechtigung, findet Theologie-Professor Peter Graf:

    " Es sind deutsche Jugendliche muslimischen Glaubens, und denen einen deutschsprachigen Islamunterricht anzubieten, ist die Aufgabe des Staates. Natürlich auch, um sie aus irgendwelchen Korankursen, die in Hinterhöfen stattfinden, herauszuholen. Nur: Der Anlass für dieses Projekts ist es nicht. Die Größe diese Projektes liegt darin, dass man diese Minderheiten endlich gleichrangig behandeln muss. Und ihnen eine religiöse ethische Erziehung anbieten wie den Christen auch."

    In Niedersachsen gibt es einen runden Tisch mit Vertretern des Islam. Sie sind wie die christlichen Kirchen an der Planung des Studiengangs beteiligt. Inwieweit sie Prüfungen beisitzen oder den Prüfungsstoff mitbestimmen, ist noch offen. Islamische Religionspädagogik wird ein Aufbaustudium über vier Semester sein. Fertige Lehrer oder Studenten kurz vor Abschluss, die zum Beispiel Sport und Mathe auf Lehramt studieren, können sich bewerben. Sie sollten muslimischen Glaubens sein, weil sie nur dann auch von den islamischen Verbänden akzeptiert werden, so Graf. Für ihn ist es wichtig, dass die muslimischen Lehrer vollwertige Kollegiumsmitglieder sind. Das betont auch Thomas Vogtherr, Vizepräsident der Uni Osnabrück:

    " Das würde ich mir sehr wünschen, dass die so ausgebildeten Lehrkräfte auch das Ihre dazu tun, Informationen über ihre eigene islamische Religion an nicht-islamische Schüler weiterzugeben. In Form von AGs, Informationsveranstaltungen, auch einfach dadurch, dass sie als Ansprechpartner zur Verfügung stehen und man den einen oder die eine kennt, die über eine Frage Auskunft geben kann, die einen gerade bewegt."

    Diese Vorstellung gibt es auch vor Ort an den Schulen. Für Schulleiter Martin Igelmann von der Grundschule Stüveschule in Osnabrück zum Beispiel ist es höchste Zeit für Islamische Religionslehrer.

    " Wir haben insgesamt 220 Schüler bei uns an der Schüler bei uns an der Schule und 141 islamische Schüler darunter. Wir haben bei den islamischen Kindern das Phänomen, dass die auf zwei verschiedenen Stühlen sitzen. Einerseits sind sie morgens in der Schule und lernen dort Demokratie; andererseits ist man nachmittags in irgendeiner Moschee und wird dort im islamischen Glauben unterrichtet. Ich denke mal, dass so ein Religionsunterricht im Islam auch die Grundlagen für eine demokratische Gesellschaftsordnung unterstützen kann bei den Kindern."

    Viele Eltern würden ihre Kinder lieber einem staatlich ausgebildeten Islam-Lehrer anvertrauen als einem Prediger in der Moschee, schätzt Igelmann.