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Die Urpfarre des Sauerlandes

Kreuze, Mythen, Totenwege - eine Stadtgeschichte der besinnlichen Art kann man im Schmallenberger Ortsteil Wormbach erleben. Mystische Geschichten ranken sich zum Beispiel um die kleine Wormbacher Kirche, der Urpfarre des Sauerlandes.

Von Marion Neiteler-Vogt | 03.05.2009
    In vorchristlicher Zeit, zu Zeiten der Germanen und Kelten, so die Überlieferung, soll es eine Kultstätte mit "heilender Quelle" und "heiligem Hain" in Wormbach gegeben haben. Zum ersten Mal erwähnt wurde "Worunbach" - das später "Wormbike", "Worunbeke" und "Worenbike" hieß - im Jahre 1072 in einer Urkunde des Klosters Grafschaft. Der Ort, in dem heute 450 Menschen leben, wird häufig als älteste und wichtigste Siedlung des oberen Sauerlandes bezeichnet, obwohl er fast tausend Jahre lang nur drei Höfe besaß. Seine Bedeutung verdankt Wormbach seiner Lage an der alten Heidenstraße. Franz -Josef Tigges weiß als Gästeführer viel über die Wormbacher Geschichte:

    "Ende des 8. Jahrhunderts wurde von hier aus das Sauerland christianisiert, das heißt, das Bonifazius mit seinen Missionaren wahrscheinlich hier war, und im Umkreis von 50 Kilometern die Pfarrei Wormbach gegründet hat, die Urpfarrei des Sauerlandes. Die erste Kapelle wurde Ende des 8. Jahrhunderts nicht weit von hier gebaut und etwa 850 hier die erste Steinkirche. Diese jetzige Kirche von 1250 im spätromanischen Stil, die wurde an gleicher Stelle wie die Vorgängerkirchen gebaut."

    Vor allem im Sommer strömen die Menschen nach Wormbach: Esoteriker aus aller Welt suchen in dem kleinen Ort Energielinien und Kraftfelder - auch, um das innere Gleichgewicht zu finden. Im Winter aber ist es meistens ruhig rund um die weiß getünchte romanische Pfarrkirche St. Peter und Paul, die etwas erhaben, auf einer Anhöhe, über das Dorf zu wachen scheint. Als Urpfarrei war die Gemeinde Ausgangspunkt für die Christianisierung des oberen Sauerlandes.
    Die Besucher sind fasziniert von der Atmosphäre:

    "Die Kirche ist sehr schön. Alt, ist also noch richtig schön antik. Auch so die vorweihnachtliche Zeit ist immer sehr schön und die Orate-Gottesdienste mit Kerzenlicht und Dunkelheit. Man kann schon wirklich abschalten dann.

    Ein Ziel zu treffen wo man dann so ´nen bisschen Glaube, Ehrlichkeit, Hoffnung, wo man das alles so wiedersehen kann. Hier kann man wirklich den Alltag mal hinter sich liegen lassen.
    Ich komme meistens einmal im Jahr hierhin und ich muss sagen, es ist immer was Besonderes, in diese Kirche zu kommen, alleine die Atmosphäre, die hier herrscht. Ich find, es ist irgendwie ´ne bestimmte Ruhe, die die Kirche hier für einen ausstrahlt. "

    Auffallend ist die in der europäischen Kirchenmalerei seltene Darstellung der 12 Tierkreiszeichen am Gewölbe des Mittelschiffs, die eigentlich als heidnische Symbole gelten. Johannes Tigges:

    ""Am Deckengewölbe offenbaren sich Tierkreiszeichen, die einmalig im christlichen Abendland sind. Man vermutet, dass die Benediktiner des Klosters Grafschaft im 13. Jahrhundert diese Ausmalung bestellt haben. Man wollte darauf hinweisen, dass Wormbach in vorchristlicher Zeit eine Sonnenwarte war."

    Bedeutsam ist auch die Orgel aus dem 15. Jahrhundert. Die Kirchenorgel, ein Werk des Orgelbauers Peter Heinrich Varenholt, ist die älteste westfälische Pfeifenorgel. Im Sommer finden hier regelmäßig Konzerte statt . Die weit zurückgehende Historie scheint in dem alten Gemäuer noch spürbar

    Und auch der Wormbacher Friedhof, der die Kirche umgibt, ist etwas ganz Besonderes - für das Sauerland sogar etwas Einmaliges: Vor allem wegen seiner schlichten Holzkreuze und weil er geschützt wird von einem dichten Kranz 300-jähriger Linden, gilt er als einer der schönsten Kirchhöfe der Welt.

    "Der Friedhof hier in Wormbach hat schon eine ganz alte Geschichte. Man geht davon aus, dass er früher fast den ganzen Ortskern umfasste, also etwa sechsmal größer war als jetzt und alle Welt wollte hier beerdigt werden."

    In früherer Zeit wurden die Verstorbenen von weit her auf sogenannten Totenpfaden zur Bestattung nach Wormbach gebracht.

    "Von Soest, von Drolshagen, von Erndtebrück führten sternförmig Totenwege nach Wormbach. Es ist erwiesen, dass diese Totenwege schon vor 1000 Jahren existiert haben und diese Toten dann zum Beispiel aus Soest drei Tage mit einem Tross unterwegs waren. Es gibt heute noch Flurbezeichnungen, die auf diese Totenwege hinweisen."

    Ortsnamen wie Bestwig - "bester Weg", Halbeswig - "halber Weg", oder Halberbracht - "halb gebracht" erinnern an diese uralten Pilgerwege, auf denen man auch heute noch wandern kann.

    Die kleine Kirche ist übrigens nie zerstört worden. Im zweiten Weltkrieg hielt ein alter Lebensbaum seine schützenden Äste über das Gotteshaus. Irmtrud von Plettenberg, Gemeindereferentin im Pastoralverbund Dorlar-Wormbach, kennt die Geschichte:

    "Wir sehen hier vorne einen ganz alten Lebensbaum und dieser Lebensbaum, der hat wirklich seinen Namen verdient und zwar am ersten Ostertag 1945 ist hier eine 500 Kilo Bombe abgeworfen worden und die ist genau auf die Spitze dieses Lebensbaumes gefallen und hat die Bombe so gedreht, dass sie in ein Grab reingeknallt ist und als Blindgänger liegen geblieben ist. Wurde dann erst Monate später entschärft und die Kirche war zu dem Zeitpunkt rammelvoll.

    Gar nicht auszudenken, was passiert wär, wenn diese 500 Kilo Bombe explodiert wäre und das verrückte ist. Der Baum ist nicht kaputt gegangen, der ist wieder zu einer Einheit zusammengewachsen mit drei Spitzen und zu meiner Kinderzeit sagte damals der Pastor Rüsing: 'Kinder, schaut nach oben, da wächst die Dreifaltigkeit Gottes'."