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Die Ursache des Wintermärchens

Klima.- Einen Winter, wie ihn Deutschland rund um den Jahreswechsel erlebt hat, gab es hierzulande bis dahin lange nicht mehr. Die Ursache für die starken Schneefälle könnten schlappe Druckzentren über dem Nordatlantik gewesen sein.

Von Volker Mrasek |
    "Solch ein Ereignis kommt vielleicht einmal in 100 oder 200 Jahren vor."

    So charakterisiert der US-Forscher Richard Seager den vergangenen Winter:

    "Wir hatten einen sehr bemerkenswerten Winter in Nordamerika und Nordwest-Europa. Es gab Rekord-Schneefälle. In Baltimore, Philadelphia, Washington und Virginia. Genauso auf den Britischen Inseln und auf dem europäischen Festland. Außerdem war der Winter bitterkalt."

    Richard Seager ist Professor für Geophysik und Klimadynamik an der Columbia-Universität in den USA. Seine Arbeitsgruppe wollte wissen, was diesen Extremwinter hervorgerufen hat.

    Dazu schauten sich die Forscher rückblickend den Zustand der beiden großen Ozeanbecken genauer an. Dort gibt es natürliche Schwankungen, die die Witterung von Saison zu Saison großräumig beeinflussen. Im Nordatlantik ist dabei entscheidend, wie stark Azoren-Hoch und Island-Tief ausgeprägt sind. Sie variieren nämlich in ihrer Stärke. Deswegen spricht man auch von einer Oszillation des Luftdrucks über dem Nordatlantik.

    "Der tropische Pazifik erlebte eine Warmphase, einen El Nino. Und der Nordatlantik eine stark negative Phase seiner Oszillation. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass der Zustrom feucht-warmer Meeresluft aus Südwesten zusammenbricht, der normalerweise für milde Winter sorgt. Stattdessen setzt sich Kaltluft aus der Arktis im gesamten Nordatlantik-Raum durch."

    Bei der Auswertung von Daten aus den letzten fünf Jahrzehnten stellte Richard Seager fest: Immer dann, wenn El Nino und eine negative Nordatlantik-Oszillation zusammenfallen, sind große Schneemengen in unseren Gefilden typisch.

    In Europa ist die Zufuhr von Luft aus der Arktis dabei entscheidend. Sie ist so kalt, dass Niederschlag durchweg als Schnee fällt und nicht als Regen.

    "Wir sollten nicht glauben, dass so ein Winter wie unser letzter normal ist. So stark negativ war die Nordatlantik-Oszillation schon lange nicht mehr. Da muss man bis in das Jahr 1962/63 zurückgehen. Und auch damals war der Winter nicht so heftig wie der jüngste."

    Der Normalfall in Mitteleuropa sind heute wärmere Winter, in denen es eher regnet als schneit. Das zeigt sich auch in der Nordatlantik-Oszillation. Sie tendiert über die Jahres gesehen eher zu ihrer positiven Phase mit kräftig ausgebildeten Hoch- und Tiefdruckgebieten, in der milde Meeresluft vom Atlantik nach Europa fließt.

    Dieser Trend soll sich noch verstärken. Das ergibt sich aus der Mehrzahl der heutigen Klimamodelle, in denen steigende Treibhausgas-Konzentrationen simuliert werden. Der Norweger Helge Drange, Professor für Klimaforschung an der Universität Bergen:

    "Wenn sich die Nordatlantik-Oszillation verstärkt, wie wir glauben, dann werden kalte, schneereiche Winter in Nordwesteuropa immer unwahrscheinlicher."

    Ausreißer wie den letzten Winter könne es dennoch immer wieder geben, betont US-Geophysiker Seager. Trotz der allgemeinen globalen Erwärmung:

    "Es handelt sich hier um natürliche Variationen im Klimasystem. Und es wäre falsch, auf der Grundlage eines solchen Extremwinters die globale Erwärmung in Frage zu stellen. Da würde man Wetterschwankungen und Klima durcheinander bringen. Und das sollte man nicht tun."

    Vorhersagen lässt sich der Zustand der Nordatlantik-Oszillation von Saison zu Saison übrigens nicht. Sollten uns also weitere klirrend kalte Winter bevorstehen, dann werden sie erneut überraschend kommen.