Christoph Schmitz: Der Mainzer Kardinal Lehmann hat sie im Namen der Deutschen Bischofskonferenz gutgeheißen, die vatikanische "Instruktion" über Homosexuelle in Priesterseminaren und als Priester. Das Dokument hebe die Bedeutung der "menschlichen" Dimension der Priesterausbildung hervor, so Lehmann. Emotionale Reife gehöre neben der spirituellen, wissenschaftlichen und pastoralen zur Grundlage der Ausbildung. Andere in und außerhalb der katholischen Kirche kritisieren die Instruktion. Sie ignoriere die Erkenntnisse der Human-, Geschichts- und Sozialwissenschaften, ließ die so genannte Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" heute wissen. Diskriminierend sei die vatikanische Vorstellung von Homosexualität außerdem.
Der Vatikan sagt: Männer, die, Zitat, "Homosexualität praktizieren, tiefsitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine so genannte homosexuelle Kultur unterstützen", dürfen nicht ins Priesterseminar aufgenommen und nicht Priester werden. Die katholische Amtskirche geht nämlich davon aus, dass Homosexualität eine Abweichung, ein Irrtum der Natur ist, ein veranlagtes oder erworbenes Verhalten gegen ein Naturgesetz, das nur Mann und Frau als Sexualpartner vorgesehen habe.
Aber wie sieht das die Sexualwissenschaft heute? Nobert Kluge ist vom Fach, Emeritus der Universität Koblenz/Landau - ist nach dem heutigen Stand der Wissenschaft Homosexualität wirklich ein Irrtum der Natur?
Norbert Kluge: Das kann man heute nicht mehr so sagen. Denn heute sieht man in der Homosexualität eine sexuelle Orientierung neben der heterosexuellen Orientierung. Und es ist auch bezeichnend, dass in den Dokumenten der Römisch-Katholischen Kirche auch gar nicht der Begriff der Homosexualität zu finden ist, sondern es wird ja vorwiegend von homosexuellen Handlungen gesprochen.
Schmitz: Das heißt, eine genetische Veranlagung, also eine ererbte Veranlagung beziehungsweise eine Veranlagung, die erworben wurde durch bestimmte kulturelle, gesellschaftliche Bedingungen, davon kann nicht die Rede sein?
Kluge: Nein, heute können wir dazu noch nichts genaues sagen.
Schmitz: Wie ist denn der Stand der Dinge? Wie wird denn Homosexualität beschrieben in der Sexualwissenschaft heute?
Kluge: Homosexualität ist eine Liebe, die ausgerichtet ist auf das eigene Geschlecht, und dort werden sexuelle Verhaltensweisen beobachtet, die eben auch bei den Heterosexuellen vorkommen. Das geht da auch um Zärtlichkeiten und natürlich auch um Geschlechtsverkehr.
Schmitz: Sind denn Homosexuelle von ihrer Sexualität mehr oder weniger oder gleich gefordert als Heterosexuelle, weswegen die Katholische Kirche, also wenn es da einen Überdruck gebe, ein besonderer Überdruck bei der Homosexualität, weswegen die Katholische Kirche sich besonders um die homosexuellen und mögliche Gefahren in der Seelsorge kümmern müssten?
Kluge: Ich glaube, dass wir einen Grund haben, das heute ein bisschen weiter zu sehen. Und ich bin mir ganz sicher, ich weiß es aufgrund repräsentativer Studien, dass in unserer Bevölkerung in Deutschland ja auch nicht mehr diese enge Sicht von Sexualität vorherrscht, sondern dass die meisten Menschen ja sogar zu einem hohen Prozentsatz Sexualität als Sammelbegriff sehen, nicht einseitig ausgerichtet auf Reproduktion und auf Geschlechtsverkehr.
Schmitz: Die Instruktion des Vatikans spricht davon, dass Homosexualität Zitat "Ausdruck eines vorübergehenden Problems, etwa einer noch nicht abgeschlossenen Adoleszenz sein könne, also ein Problem, das sich überwinden lässt." Ist es ein Problem? Und lässt es sich überwinden?
Kluge: Ja, ich schließe nicht aus, dass im Jugendalter eben auch gleichgeschlechtliche Praktiken ausprobiert werden. Und das kann man durchaus beobachten. Aber das muss noch nicht gleichgesetzt werden mit einer Neigung zur gleichgeschlechtlichen Liebe. Also, hier muss man schon sehr stark unterscheiden.
Schmitz: Wenn Sie die Sexualethik der Katholischen Kirche bewerten würden, Sie haben verschiedene Dokumente gesichtet, den Weltkatechismus unter anderen, wie würden Sie diese Sexualethik oder das Verständnis der Katholischen Kirche in bezug auf die Sexualität, auf die Homosexualität bewerten?
Kluge: Ja, insgesamt würde ich sagen, dass überhaupt die Ansicht von Sexualität in der Katholischen Kirche sehr alt ist. Sie wird immer weiter verkündet. Und man sieht kaum Fortschritte. Und da fehlen mir vor allen Dingen auch Sichtweisen der Humanwissenschaften. Man kann heute Sexualität nicht nur nach den Aussagen biblischer Textstellen festlegen, sondern ich glaube es geht hier ja auch um den Menschen.
Schmitz: Zugleich spricht aber auch diese Instruktion davon, dass Homosexuelle vollkommen anerkannt werden müssen, dass es da eine große Toleranz geben muss und eine Achtung dieser Menschen.
Kluge: Ja, das ist glaube ich doch eine neue Wendung. Aber ich glaube, sie sagt noch nicht viel aus, wenn dann gesagt wird, man müsse den Homosexuellen mit Achtung, Mitgefühl und Takt begegnen. Auf der anderen Seite wird aber auch formuliert, dass es nach wie vor ungeordnet ist, dass es sündhaft ist, dass es eine Verirrung ist von Menschen. Und da sehen Sie mal, dass das nach wie vor auch negativ qualifiziert wird.
Der Vatikan sagt: Männer, die, Zitat, "Homosexualität praktizieren, tiefsitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine so genannte homosexuelle Kultur unterstützen", dürfen nicht ins Priesterseminar aufgenommen und nicht Priester werden. Die katholische Amtskirche geht nämlich davon aus, dass Homosexualität eine Abweichung, ein Irrtum der Natur ist, ein veranlagtes oder erworbenes Verhalten gegen ein Naturgesetz, das nur Mann und Frau als Sexualpartner vorgesehen habe.
Aber wie sieht das die Sexualwissenschaft heute? Nobert Kluge ist vom Fach, Emeritus der Universität Koblenz/Landau - ist nach dem heutigen Stand der Wissenschaft Homosexualität wirklich ein Irrtum der Natur?
Norbert Kluge: Das kann man heute nicht mehr so sagen. Denn heute sieht man in der Homosexualität eine sexuelle Orientierung neben der heterosexuellen Orientierung. Und es ist auch bezeichnend, dass in den Dokumenten der Römisch-Katholischen Kirche auch gar nicht der Begriff der Homosexualität zu finden ist, sondern es wird ja vorwiegend von homosexuellen Handlungen gesprochen.
Schmitz: Das heißt, eine genetische Veranlagung, also eine ererbte Veranlagung beziehungsweise eine Veranlagung, die erworben wurde durch bestimmte kulturelle, gesellschaftliche Bedingungen, davon kann nicht die Rede sein?
Kluge: Nein, heute können wir dazu noch nichts genaues sagen.
Schmitz: Wie ist denn der Stand der Dinge? Wie wird denn Homosexualität beschrieben in der Sexualwissenschaft heute?
Kluge: Homosexualität ist eine Liebe, die ausgerichtet ist auf das eigene Geschlecht, und dort werden sexuelle Verhaltensweisen beobachtet, die eben auch bei den Heterosexuellen vorkommen. Das geht da auch um Zärtlichkeiten und natürlich auch um Geschlechtsverkehr.
Schmitz: Sind denn Homosexuelle von ihrer Sexualität mehr oder weniger oder gleich gefordert als Heterosexuelle, weswegen die Katholische Kirche, also wenn es da einen Überdruck gebe, ein besonderer Überdruck bei der Homosexualität, weswegen die Katholische Kirche sich besonders um die homosexuellen und mögliche Gefahren in der Seelsorge kümmern müssten?
Kluge: Ich glaube, dass wir einen Grund haben, das heute ein bisschen weiter zu sehen. Und ich bin mir ganz sicher, ich weiß es aufgrund repräsentativer Studien, dass in unserer Bevölkerung in Deutschland ja auch nicht mehr diese enge Sicht von Sexualität vorherrscht, sondern dass die meisten Menschen ja sogar zu einem hohen Prozentsatz Sexualität als Sammelbegriff sehen, nicht einseitig ausgerichtet auf Reproduktion und auf Geschlechtsverkehr.
Schmitz: Die Instruktion des Vatikans spricht davon, dass Homosexualität Zitat "Ausdruck eines vorübergehenden Problems, etwa einer noch nicht abgeschlossenen Adoleszenz sein könne, also ein Problem, das sich überwinden lässt." Ist es ein Problem? Und lässt es sich überwinden?
Kluge: Ja, ich schließe nicht aus, dass im Jugendalter eben auch gleichgeschlechtliche Praktiken ausprobiert werden. Und das kann man durchaus beobachten. Aber das muss noch nicht gleichgesetzt werden mit einer Neigung zur gleichgeschlechtlichen Liebe. Also, hier muss man schon sehr stark unterscheiden.
Schmitz: Wenn Sie die Sexualethik der Katholischen Kirche bewerten würden, Sie haben verschiedene Dokumente gesichtet, den Weltkatechismus unter anderen, wie würden Sie diese Sexualethik oder das Verständnis der Katholischen Kirche in bezug auf die Sexualität, auf die Homosexualität bewerten?
Kluge: Ja, insgesamt würde ich sagen, dass überhaupt die Ansicht von Sexualität in der Katholischen Kirche sehr alt ist. Sie wird immer weiter verkündet. Und man sieht kaum Fortschritte. Und da fehlen mir vor allen Dingen auch Sichtweisen der Humanwissenschaften. Man kann heute Sexualität nicht nur nach den Aussagen biblischer Textstellen festlegen, sondern ich glaube es geht hier ja auch um den Menschen.
Schmitz: Zugleich spricht aber auch diese Instruktion davon, dass Homosexuelle vollkommen anerkannt werden müssen, dass es da eine große Toleranz geben muss und eine Achtung dieser Menschen.
Kluge: Ja, das ist glaube ich doch eine neue Wendung. Aber ich glaube, sie sagt noch nicht viel aus, wenn dann gesagt wird, man müsse den Homosexuellen mit Achtung, Mitgefühl und Takt begegnen. Auf der anderen Seite wird aber auch formuliert, dass es nach wie vor ungeordnet ist, dass es sündhaft ist, dass es eine Verirrung ist von Menschen. Und da sehen Sie mal, dass das nach wie vor auch negativ qualifiziert wird.