Seit jenem schrecklichen 11. September 2001 hat es viele Anlässe für die Frage gegeben, wie sich ein Staat, auch wie sich die Gemeinschaft der Staaten dieser Welt gegen Terrorismus schützen kann - gleichgültig, mit welcher Ideologie er daherkommt und welche Ziele er verfolgt. Die bisher gegebenen Antworten waren und sind höchst unbefriedigend. Sie beschränken sich in der Tat fast alle auf den Schutz vor terroristischen Anschlägen, etwa durch Überwachung und Beschränkungen persönlicher Freiheit. In einigen Fällen besteht die Antwort auch in Polizei- und / oder Militäraktionen, die ihrerseits terroristische Züge tragen, beispielsweise beim russischen Vorgehen in Tschetschenien, im Konflikt zwischen Arabern und Israelis, beim Versuch einer Befriedung des Irak. Und das sind oft genug kontraproduktive Erwiderungen: Sie fördern, was sie schwächen und beseitigen sollten. Und das alles im Wissen, dass es eigentlich gilt, dem Terrorismus die Motivation zu entziehen.
Damit sind wir nun bei einem Buch, das in diesen Tagen auf den Markt kommt. Es handelt von einer - nein: von der "Hypermacht", nämlich den USA. Josef Joffe, Mitherausgeber des Wochenblattes "Die Zeit" und in Amerika fast so zu Hause wie in Deutschland, beschreibt unter dem Titel "Die Hypermacht" die alle anderen Staaten weit überragende Position der USA, um sich schließlich auch mit der sich daraus zwingend ergebenden Verantwortung zu beschäftigen. Indessen bleibt Joffe bei seiner Analyse in der Welt der Staaten; er folgt gleichsam traditionellen Wegen, indem er Länder und Regionen in deren Verhältnis zu den USA und umgekehrt darstellt. Er begibt sich jedoch nicht sonderlich tief in jene andere: die der Terrorismen. Er streift sie immer wieder einmal, natürlich mit einem Rückblick auf den 11. September:
Als schwer fassbarem Ziel konnte man Al-Qaida nicht wie der Sowjetunion mit der 'gesicherten Zerstörung' drohen. Das Terrornetzwerk ließ sich auch nicht auf die klassische amerikanische Weise - durch Masse und Feuerkraft - besiegen. ... Der Riese ... war plötzlich gefangen in Schrecken und Zorn. Die Folge: Einerseits fiel Bushs Amerika zurück in den hegemonialen Reflex der Defense Guidance von 1992; andererseits suchte es sein Heil in einer Strategie, der normalerweise nicht die Starken, sondern Nationen im Niedergang gehorchen: Zuschlagen, solange man noch kann, um den aufstrebenden Gegner zu stoppen, bevor sich das Kräftegleichgewicht endgültig zu seinen Gunsten neigt. Grob verkürzt, verdichtete sich Amerikas Antwort auf '9/11' in der Formel 'Alleingang plus Präventivkrieg'.
Gemeint sind der Feldzug in Afghanistan und dann der zweite Krieg gegen den Irak Saddam Husseins. Aber was als Prävention gegen den Terrorismus deklariert und vielleicht auch angelegt war, traf ihn keineswegs. Im Gegenteil, es beförderte ihn. Afghanistan ist nicht befriedet, im Irak tobt sogar ein Bürgerkrieg. Joffe folgt den Deklarationen der Bush-Administration so wenig wie jeder andere kritische Geist, freilich auch nicht jenen Zeitgenossen, die den Präsidenten als Interessenvertreter von Konzernen oder als Werkzeug einer jüdischen "Verschwörung" sehen:
Vor allem ... war es der Übermut, der einzigartiger Stärke und minimalem Risiko entspringt. Wenn man es kann, wird man es tun, vor allem wenn der Preis so verlockend erscheint wie in diesem Fall: Ein Naher und Mittlerer Osten, der vom Irak her von seinen politischen Pathologien befreit wird. Amerikas imperiale Versuchung war sozusagen der casus belli...
Beide Feldzüge, der afghanische und mehr noch der irakische, waren beeindruckende Demonstrationen militärischen Vermögens und der Fähigkeit, es auch in größter Ferne vom amerikanischen Kontinent einzusetzen.
Kein anderes Land kann sich bei der Einsetzbarkeit, also der Mobilität und dem technischen Stand seiner Streitkräfte, mit den USA messen... Eine derartige Machtfülle stützt sich auf eine Volkswirtschaft, die zweieinhalbmal größer ist als die japanische, die nach den USA an zweiter Stelle in der Welt rangiert. Sie stützt sich auf die weltweit höchsten Investitionen in Forschung und Entwicklung - und auf Universitäten und Forschungsstätten, die immer noch die besten und klügsten Köpfe aus aller Welt anziehen.
Nimmt man Amerikas "soft power", also die Hoch- und Massenkultur noch dazu, so ergibt sich eine Fülle an Macht und Einfluss, die selbst den doch keineswegs unter Minderwertigkeitskomplexen leidenden ehemaligen französischen Außenminister Védrine schreiben ließ:
Die Vereinigten Staaten von Amerika dominieren auf allen Gebieten: wirtschaftlich, technologisch, militärisch, finanziell, sprachlich und kulturell. Dergleichen hat es noch nie gegeben.
Und von Védrine stammt dann auch der Begriff "Hypermacht". Es liegt auf der Hand, dass die Staatengemeinschaft eine solche Dominanz nur ungern akzeptiert. Denn was für die innere Verfassung der USA gilt, sieht sie auch als notwendiges Prinzip für die internationalen Beziehungen - die Balance of Power, ein Gleichgewicht der Kräfte. Joffes Buch handelt wesentlich von diesem Grundsatz und der sich aus ihm ergebenden Verpflichtungen Amerikas. Indessen erscheint es fragwürdig, wenn er in diesem Zusammenhang auch von einer "Gleichgewichtspolitik durch Terror" schreibt, so die Überschrift eines Kapitels.
Der Gegner ist kein Staat, sondern ein loses Netzwerk..
... lesen wir bei Joffe, und diese richtige Feststellung schließt von vornherein aus, dass der internationale Terrorismus so etwas wie ein Konzept für eine Gleichgewichtspolitik hat. So basiert er also nicht auf entsprechenden Überlegungen; vielmehr schreibt auch Joffe, er nähre...
...sich von einer Ideologie, die man als 'kulturelle Anti-Hegemonialpolitik' bezeichnen kann. Sie ist besser bekannt als 'Anti-Amerikanismus'
Dieser Denk- und noch viel mehr Fühlart - die ja nicht nur auf die muslimische Welt beschränkt sind - widmet Joffe ein umfangreiches Kapitel, um sich der Frage zuzuwenden, wie die USA agieren bzw. reagieren könnten oder sollten, um ihrer Position als Primus der Staatengemeinschaft und ihrem aus der eigenen Geschichte abgeleiteten Anspruch als eines Vorbilds freiheitlicher Demokratie gerecht zu werden. Nach seiner Meinung gibt es drei Strategien, von denen zwei rein theoretischer Natur sind: Die eine sei das Streben nach Weltherrschaft - ein unmögliches Unterfangen. Die zweite sei das genaue Gegenteil, der Isolationismus - eine immerhin theoretische Möglichkeit, die jedoch den vitalen Interessen Amerikas entgegenstünde. Die Alternative zu diesen zwei Strategien besteht für Joffe eben in einer Gleichgewichtspolitik im weitesten Sinne. Er erinnert an das - von ihm so genannte - Goldene Zeitalter amerikanischer Außenpolitik, als sich nämlich während des Kalten Kriegs die USA als "Großer Organisator" erwiesen. Diese Periode könne...
... noch immer den Maßstab dafür hergeben, wie Amerikas Große Strategie im 21. Jahrhundert aussehen sollte. In der Nachkriegszeit beglückte Amerika die Welt nicht nur mit Sicherheitsgarantien, offenen Märkten und Hartwährungs-Liquidität. Das Land fungierte darüber hinaus als Bauleiter beim Hochziehen internationaler Institutionen. ( ... ) Das Geniale an der amerikanischen Diplomatie während ihres Goldenen Zeitalters war der Aufbau einer Ordnung, die amerikanische Interessen beförderte, indem sie die Interessen der anderen mitbediente.
Von einer solchen Politik ist das Amerika des gegenwärtigen Präsidenten ziemlich weit entfernt; der zweite Feldzug gegen den Irak samt seiner Begründungen mit der folgenden Verwicklung in den Bürgerkrieg sind vielmehr Belege für das, was Joffe "Übermut" und, besser noch, "imperiale Versuchung" nennt. Ein hartes, wenn auch richtiges Urteil. Und ihm ist durchaus zu folgen, wenn er zwischen Terrorismus einerseits und Politik des Übermuts und imperialem Hegemoniegebaren andererseits einen Zusammenhang herstellt. Der deutsche Leser erfährt zudem manches über die Konstanten und Veränderungen der ideologischen Grundlagen amerikanischer Außenpolitik, was in der Alltagsberichterstattung gar nicht oder viel zu kurz Berücksichtigung findet.
Dietrich Möller war das über: Josef Joffe: "Die Hypermacht. Warum die USA die Welt beherrschen". Das Buch erscheint am kommenden Samstag, also am 16. September im Hanser Verlag München. 264 Seiten kosten 21,50 Euro.
Damit sind wir nun bei einem Buch, das in diesen Tagen auf den Markt kommt. Es handelt von einer - nein: von der "Hypermacht", nämlich den USA. Josef Joffe, Mitherausgeber des Wochenblattes "Die Zeit" und in Amerika fast so zu Hause wie in Deutschland, beschreibt unter dem Titel "Die Hypermacht" die alle anderen Staaten weit überragende Position der USA, um sich schließlich auch mit der sich daraus zwingend ergebenden Verantwortung zu beschäftigen. Indessen bleibt Joffe bei seiner Analyse in der Welt der Staaten; er folgt gleichsam traditionellen Wegen, indem er Länder und Regionen in deren Verhältnis zu den USA und umgekehrt darstellt. Er begibt sich jedoch nicht sonderlich tief in jene andere: die der Terrorismen. Er streift sie immer wieder einmal, natürlich mit einem Rückblick auf den 11. September:
Als schwer fassbarem Ziel konnte man Al-Qaida nicht wie der Sowjetunion mit der 'gesicherten Zerstörung' drohen. Das Terrornetzwerk ließ sich auch nicht auf die klassische amerikanische Weise - durch Masse und Feuerkraft - besiegen. ... Der Riese ... war plötzlich gefangen in Schrecken und Zorn. Die Folge: Einerseits fiel Bushs Amerika zurück in den hegemonialen Reflex der Defense Guidance von 1992; andererseits suchte es sein Heil in einer Strategie, der normalerweise nicht die Starken, sondern Nationen im Niedergang gehorchen: Zuschlagen, solange man noch kann, um den aufstrebenden Gegner zu stoppen, bevor sich das Kräftegleichgewicht endgültig zu seinen Gunsten neigt. Grob verkürzt, verdichtete sich Amerikas Antwort auf '9/11' in der Formel 'Alleingang plus Präventivkrieg'.
Gemeint sind der Feldzug in Afghanistan und dann der zweite Krieg gegen den Irak Saddam Husseins. Aber was als Prävention gegen den Terrorismus deklariert und vielleicht auch angelegt war, traf ihn keineswegs. Im Gegenteil, es beförderte ihn. Afghanistan ist nicht befriedet, im Irak tobt sogar ein Bürgerkrieg. Joffe folgt den Deklarationen der Bush-Administration so wenig wie jeder andere kritische Geist, freilich auch nicht jenen Zeitgenossen, die den Präsidenten als Interessenvertreter von Konzernen oder als Werkzeug einer jüdischen "Verschwörung" sehen:
Vor allem ... war es der Übermut, der einzigartiger Stärke und minimalem Risiko entspringt. Wenn man es kann, wird man es tun, vor allem wenn der Preis so verlockend erscheint wie in diesem Fall: Ein Naher und Mittlerer Osten, der vom Irak her von seinen politischen Pathologien befreit wird. Amerikas imperiale Versuchung war sozusagen der casus belli...
Beide Feldzüge, der afghanische und mehr noch der irakische, waren beeindruckende Demonstrationen militärischen Vermögens und der Fähigkeit, es auch in größter Ferne vom amerikanischen Kontinent einzusetzen.
Kein anderes Land kann sich bei der Einsetzbarkeit, also der Mobilität und dem technischen Stand seiner Streitkräfte, mit den USA messen... Eine derartige Machtfülle stützt sich auf eine Volkswirtschaft, die zweieinhalbmal größer ist als die japanische, die nach den USA an zweiter Stelle in der Welt rangiert. Sie stützt sich auf die weltweit höchsten Investitionen in Forschung und Entwicklung - und auf Universitäten und Forschungsstätten, die immer noch die besten und klügsten Köpfe aus aller Welt anziehen.
Nimmt man Amerikas "soft power", also die Hoch- und Massenkultur noch dazu, so ergibt sich eine Fülle an Macht und Einfluss, die selbst den doch keineswegs unter Minderwertigkeitskomplexen leidenden ehemaligen französischen Außenminister Védrine schreiben ließ:
Die Vereinigten Staaten von Amerika dominieren auf allen Gebieten: wirtschaftlich, technologisch, militärisch, finanziell, sprachlich und kulturell. Dergleichen hat es noch nie gegeben.
Und von Védrine stammt dann auch der Begriff "Hypermacht". Es liegt auf der Hand, dass die Staatengemeinschaft eine solche Dominanz nur ungern akzeptiert. Denn was für die innere Verfassung der USA gilt, sieht sie auch als notwendiges Prinzip für die internationalen Beziehungen - die Balance of Power, ein Gleichgewicht der Kräfte. Joffes Buch handelt wesentlich von diesem Grundsatz und der sich aus ihm ergebenden Verpflichtungen Amerikas. Indessen erscheint es fragwürdig, wenn er in diesem Zusammenhang auch von einer "Gleichgewichtspolitik durch Terror" schreibt, so die Überschrift eines Kapitels.
Der Gegner ist kein Staat, sondern ein loses Netzwerk..
... lesen wir bei Joffe, und diese richtige Feststellung schließt von vornherein aus, dass der internationale Terrorismus so etwas wie ein Konzept für eine Gleichgewichtspolitik hat. So basiert er also nicht auf entsprechenden Überlegungen; vielmehr schreibt auch Joffe, er nähre...
...sich von einer Ideologie, die man als 'kulturelle Anti-Hegemonialpolitik' bezeichnen kann. Sie ist besser bekannt als 'Anti-Amerikanismus'
Dieser Denk- und noch viel mehr Fühlart - die ja nicht nur auf die muslimische Welt beschränkt sind - widmet Joffe ein umfangreiches Kapitel, um sich der Frage zuzuwenden, wie die USA agieren bzw. reagieren könnten oder sollten, um ihrer Position als Primus der Staatengemeinschaft und ihrem aus der eigenen Geschichte abgeleiteten Anspruch als eines Vorbilds freiheitlicher Demokratie gerecht zu werden. Nach seiner Meinung gibt es drei Strategien, von denen zwei rein theoretischer Natur sind: Die eine sei das Streben nach Weltherrschaft - ein unmögliches Unterfangen. Die zweite sei das genaue Gegenteil, der Isolationismus - eine immerhin theoretische Möglichkeit, die jedoch den vitalen Interessen Amerikas entgegenstünde. Die Alternative zu diesen zwei Strategien besteht für Joffe eben in einer Gleichgewichtspolitik im weitesten Sinne. Er erinnert an das - von ihm so genannte - Goldene Zeitalter amerikanischer Außenpolitik, als sich nämlich während des Kalten Kriegs die USA als "Großer Organisator" erwiesen. Diese Periode könne...
... noch immer den Maßstab dafür hergeben, wie Amerikas Große Strategie im 21. Jahrhundert aussehen sollte. In der Nachkriegszeit beglückte Amerika die Welt nicht nur mit Sicherheitsgarantien, offenen Märkten und Hartwährungs-Liquidität. Das Land fungierte darüber hinaus als Bauleiter beim Hochziehen internationaler Institutionen. ( ... ) Das Geniale an der amerikanischen Diplomatie während ihres Goldenen Zeitalters war der Aufbau einer Ordnung, die amerikanische Interessen beförderte, indem sie die Interessen der anderen mitbediente.
Von einer solchen Politik ist das Amerika des gegenwärtigen Präsidenten ziemlich weit entfernt; der zweite Feldzug gegen den Irak samt seiner Begründungen mit der folgenden Verwicklung in den Bürgerkrieg sind vielmehr Belege für das, was Joffe "Übermut" und, besser noch, "imperiale Versuchung" nennt. Ein hartes, wenn auch richtiges Urteil. Und ihm ist durchaus zu folgen, wenn er zwischen Terrorismus einerseits und Politik des Übermuts und imperialem Hegemoniegebaren andererseits einen Zusammenhang herstellt. Der deutsche Leser erfährt zudem manches über die Konstanten und Veränderungen der ideologischen Grundlagen amerikanischer Außenpolitik, was in der Alltagsberichterstattung gar nicht oder viel zu kurz Berücksichtigung findet.
Dietrich Möller war das über: Josef Joffe: "Die Hypermacht. Warum die USA die Welt beherrschen". Das Buch erscheint am kommenden Samstag, also am 16. September im Hanser Verlag München. 264 Seiten kosten 21,50 Euro.