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Die Vermischung macht es

Nahrungsmitteltechnik. – Die Zutaten für Schokolade sind für sich genommen eigentlich kein Genuß: Kakao ist bitter und Zucker ausgesprochen süß. Ein aufwendiger Prozess macht die Mischung aus beidem zum je nach Geschmack cremig-süßen oder herben Genuß.

Von Hellmuth Nordwig |
    Wie der Geschmack in die Schokolade kommt, darüber haben Wissenschaftler lange Zeit gerätselt. Für diese Vierjährige ist das eher Nebensache.

    "Schokolade will ich. Es schmeckt mir gut."

    Das findet auch Dr. Gottfried Ziegleder. Den Aromaspezialisten vom Freisinger Fraunhofer-Institut hat das Rätsel um den Schokoladengeschmack nicht losgelassen. Er hat den Herstellungsprozess der braunen Masse unter die Lupe genommen, bei dem zwei Schritte wichtig sind: Walzen zerkleinern Kakao und Zucker zu höchstens 20 Mikrometer großen Teilchen. Und in einem Intensivmischer, einer so genannten Conche, entsteht aus diesem festen Pulver eine zähflüssige braune Paste. Gottfried Ziegleder:

    "Uns ist es jetzt gelungen zu zeigen, dass sich das Aroma nicht in den Substanzen verändert, sondern nur in der Verteilung. Vor dem Conchieren sitzt das Aroma in den Kakaopartikeln, während daneben Zuckerpartikel vorliegen, die zwar süß schmecken, aber ohne flüchtige Aromastoffe. Nach dem Conchieren sind die Aromastoffe so neu verteilt – wir sprechen von Diffusion – dass alle Oberflächen mit Aroma besetzt sind. Damit entsteht dann auch erst dieser gleichmäßige, harmonische Geschmackseindruck."

    Aroma ist also mehr als eine Mischung von Stoffen, die man riechen und schmecken kann. Es kommt auch darauf an, auf welchen Oberflächen diese Aromastoffe sitzen. Bei der Schokolade ist entscheidend, dass auch die winzigen Zuckerteilchen mit einer Schicht von Geschmacksstoffen aus der Kakaobohne umhüllt sind. Das ist auch bei den neuen Edelprodukten so, die mehr als 70 Prozent Kakao enthalten. Hier stand die Industrie lange vor einem Problem: Das herkömmliche Walzen und Intensivmischen in der Conche funktioniert bei so viel Kakao nicht. Ziegleder:

    "Sie haben die Schwierigkeit, dass über den hohen Kakaogehalt auch der Fettgehalt etwas höher ist. Damit wird das Zerkleinern und das Conchieren schwieriger, weil die Massen einfach zu weich werden. Deshalb muss man für diese neuen Schokoladen veränderte Verfahren entwickeln und geschmacklich optimieren. Wir haben mit der Industrie gemeinsam untersucht, wie ein zweistufiges Verfahren geeignet sein könnte, bei dem ein Teil des Kakaos den normalen Prozess durchläuft und ein zweiter Teil erst am Schluss, am Ende der Conche zudosiert wird."

    Und erst bei diesem zweiten Schritt kommen auch die Zusatzaromen wie Chili, Vanille oder Zitrusfruchtöle zur Mischung. Auch in diesen edlen Produkten steckt Theobromin, eine koffeinähnliche Substanz aus der Kakaobohne. Eine Tafel Schokolade hat deshalb den gleichen aufputschenden Effekt wie eine Tasse Kaffee. In Zukunft soll es sogar möglich sein, dass man durch den Verzehr der braunen Tafeln etwas für die Gesundheit tut. Ziegleder:

    "Es wird daran gearbeitet, weil in Kakao so genannte Polyphenole in hoher Konzentration vorhanden sind, von denen man weiß, dass sie günstige Eigenschaften im Körper haben. Sie wirken vorbeugend gegen Herzinfarkt zum Beispiel."

    Auch im Rotwein oder im grünen Tee sind diese Stoffe enthalten. Werben darf die Industrie aber nicht mit dem Gesundheitsnutzen von Schokolade, Zahnärzte und Eltern können also aufatmen. Während sich Zucker noch einigermaßen ersetzen lässt, wird Fett immer zur Schokolade gehören, sagt Gottfried Ziegleder.

    "Es handelt sich eben um ein besonderes Fett, Kakaobutter. Sie ist nicht nur teuer, sondern hat auch spezielle geschmackliche und physikalische Eigenschaften. Die technisch wichtigste ist: Diese Kakaobutter zieht sich zusammen beim Kristallisieren, beim Abkühlen, anders als etwa Wasser. Nur dadurch kann man eine fertige Schokoladenfigur aus einer Form entnehmen."

    Deshalb kann Kakaobutter nicht ohne Weiteres durch eine kalorienärmere Zutat ersetzt werden. So bleibt Schokolade also, was sie schon immer sein sollte: Ein Genuss und kein Nahrungsmittel.