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Die Vernünftigkeit des Glaubens

Ist Glauben an Gott auch ein Akt der Vernunft? In einem Vortrag an der Katholischen Akademie Bayern ging der Philosoph Robert Spaemann dieser Frage nach, was immerhin 500 interessierte Zuhörer in die Akademie zog. Wer allerdings Erörterungen erwartet hatte, die der Aktualität des Themas gerecht werden, wurde enttäuscht.

Von Knut Cordsen |
    In gewisser Weise verkörpert Robert Spaemann genau das, worüber er gestern sprach. Zwei Herzen nämlich schlagen in seiner Brust. Es gibt den Philosophen Spaemann, der der Vernunft, der Rationalität verpflichtet ist, und den Spaemann, der sich dem Glauben, der Religion verbunden fühlt, denn Robert Spaemann ist der Sohn eines geistlichen Schriftstellers und katholischen Priesters. Wer, wenn nicht er könnte besser, glaubwürdiger über die "Vernünftigkeit des Glaubens an Gott" reden? Über 500 Leute waren gekommen in die Katholische Akademie, um Spaemann zu hören, aber was sie dann vom 79-Jährigen präsentiert bekamen, war enttäuschend - gerade angesichts der Aktualität des Themas. Statt der Frage nachzugehen, wie etwa der Islam sich mit westlichen Wertvorstellungen, mit unserer Vernunftgläubigkeit verträgt, griff Spaemann tief in die Mottenkiste der Philosophiegeschichte und kramte den alten Johann Gottlieb Fichte und dessen Schrift "Über den Grund unseres Glaubens an eine göttliche Weltregierung" hervor.

    "Fichte sagt: wenn wir nicht daran glauben können, dann können wir nicht wissen, ob nicht das gute Handeln genau das falsche ist. Nur wenn wir ein Vertrauen in eine göttliche Weltregierung haben, können wir hoffen, dass, wenn wir gut handeln, dies hinterher auch aufs Ganze gesehen zum Guten dient."

    Robert Spaemann ging es in seinem Vortrag ausschließlich um den christlichen Glauben und die Frage, ob nicht gerade unser von der "instrumentellen Vernunft" der Naturwissenschaft geprägtes biologistisches Menschenbild, das den Mensch nur als "Maschine zur Verteilung seiner Gene" begreift, zu kurz fasst und im Menschen einen Wunsch nach einer höheren, steuernden Macht entstehen lässt.

    "Ludwig Wittgenstein, der Vater der modernen analytischen Philosophie, nennt es ‚den Aberglauben der Moderne', die Naturgesetze erklärten uns die Welt."

    Nicht fehlen durfte der Hinweis darauf, dass gerade Naturwissenschaftler wie Einstein oder Planck viel übrig hatten für das, was Spaemann das alte Gerücht nennt

    " ... das Gerücht von Gott."

    Unsere rein "wissenschaftliche Weltanschauung" jedenfalls, so Spaemann, reiche niemals aus, um dem Leben Sinn zu verleihen.

    "Dass der Mensch ganz und gar Natur, ein natürliches Wesen ist und aus untermenschlichem Leben hervorgegangen ist, das ist für das Selbstverständnis des Menschen nur dann nicht tödlich, wenn die Natur ihrerseits von Gott geschaffen ist und die Hervorbringung des Menschen einer göttlichen Absicht entspringt."

    Für Sigmund Freud war es eine "intellektuelle Unart" hielt, die Religion "in kläglichen Rückzugsgefechten zu verteidigen". Die Pointe von Spaemanns Vortrag nun war es, ausgerechnet den Urheber des Satzes "Gott ist tot", Nietzsche, als Gewährsmann für die Notwendigkeit des christlichen Glaubens zu nehmen und auf die enge Verflechtung des christlichen Glaubens mit der Philosophie hinzuweisen.

    "Nietzsche spricht vom Glauben Platons, der auch der Glaube der Christen ist, dem Glauben, dass Gott die Wahrheit, die Wahrheit göttlich ist. Wenn die Aufklärung ihr Werk getan hat, dann schafft sie sich selbst ab, denn, so schreibt Nietzsche, ‚auch wir Aufklärer, wir freien Geister des 19. Jahrhunderts, leben noch von dem Christenglauben, der auch der Glaube Platons war, dass die Gott die Wahrheit, dass die Wahrheit göttlich ist'."

    Fehlte eigentlich nur noch ein Amen am Ende dieser philosophischen Messe.