Gunnar Hinck: Ich wollte mit diesem Buch zeigen, dass die Lethargie, die schlechten Wirtschaftsdaten, die Verzagtheit in den neuen Ländern nicht vom Himmel gefallen ist, dass sie sozusagen keine festgemeißelte Struktur ist, sondern dass es ist natürlich auch an den Personen liegt, die diese Strukturen formen, die in diesen Strukturen arbeiten. Ich porträtiere ja auch Politiker und Politiker haben ja die Möglichkeiten, Entscheidungen zu treffen, Optionen wahrzunehmen.
Hermann Theißen: Aber gerade über die Politiker sagen Sie, die im Osten hätten keine Visionen, die hätten eigentlich überhaupt kein Engagement. Sie verwalteten ihre Ressourcen nur und seien angewiesen auf die Transferzahlungen. Diese Geldtöpfe aus dem Westen, die legitimierten diese Politiker. Müsste man nach dieser Theorie nicht die Transferzahlungen viel früher einstellen, als es vorgesehen ist?
Gunnar Hinck: Das ist politisch wahrscheinlich nicht durchsetzbar, dass der Solidarpakt II jetzt nochmal aufgeschnürt wird. Sicherlich haben Fördermittel ihren Sinn, wenn sie wirklich dazu dienen, die Wirtschaftsstruktur zu stärken. Nur ich habe manchmal das Gefühl gehabt, bei meinen Recherchen für das Buch, dass dieser Fördermittelfluss ein Sinnvakuum, so ein Vakuum an Visionen füllen soll, nach dem Motto: Wir haben keine Idee, wie unser Gemeinwesen weiterentwickelt werden kann, dann bauen wir erst einmal. Das habe ich versucht, auch in diesem Buch zu beschreiben.
Hermann Theißen: Bleiben wir vielleicht erst einmal bei den Politikern, weil die jetzt gerade angesprochen sind. Und zwar reden wir jetzt nicht nur über Spitzenpolitiker, sondern auch über Ministerien, über Bürokratien. Wie sind denn da die Rekrutierungsmuster nach der Wende gewesen?
Gunnar Hinck: Da war viel Zufall dabei, wie diese neu aufgezogenen Ministerien aufgebaut wurden, man kann auch sagen, da war viel Patrionage am Werk, Seilschaften schwappten über die ehemalige Grenze. Man kann sagen, dass Qualität nicht das dominante Kriterium war. Man kann auch sagen, dass so mancher neue Abteilungsleiter in den neuen Ländern, in den Ministerien so eine Karriere im Westen wahrscheinlich nie hätte erreichen können. Da kann man schon die Frage stellen, ob nun ein beliebiger Jurist aus den alten Ländern mit einer vielleicht gar nicht so brillianten beruflichen Vita per se besser geeignet gewesen ist für die Führung einer Abteilung im Ministerium als ein Diplomjurist Ost mit SED-Biographie.
Hermann Theißen: Wir haben jetzt über die Westimporte geredet, wir haben über die geredet, die ausgetauscht, die also rausgeschmissen worden sind. Wenn man heute die ostdeutschen Eliten in Politik, Medien und Wirtschaft beschreiben will, kann man die überhaupt systematisch fassen?
Gunnar Hinck: Ich mache ja drei verschiedene Gruppen aus, die nach meiner Einschätzung mehr als drei Gruppen sind, sondern auch drei verschiedene Kulturen darstellen. Da sind einmal die von Ihnen schon benannten Westimporte, die Aufbauhelfer, dann sind es zweitens die Seiteneinsteiger aus Ostdeutschland, aus der DDR, die unpolitischen Berufen nachgingen in der DDR, die als Ingenieure arbeiteten, als Ärzte. Und drittens die SED-Eliten der zweiten Reihe, die es geschafft haben, in der Politik, natürlich durch die PDS - Linkspartei - aber auch in den Medien teilweise wieder im neuen System Fuß zu fassen. Das Interessante ist aber, dass diese drei Gruppen, die sonst nichts miteinander zu tun haben, die sich sehr fremd sind, kulturell, sich teilweise auch noch mit anfeinden, dass diese drei Gruppen eingeklammert werden durch so eine Abwesenheit an Visionen. Alle drei Gruppen haben sich eingerichtet im bloßen Verwalten, und das ist das interessante Bindeglied zwischen diesen drei Gruppen.
Gunnar Hinck: Eliten in Ostdeutschland. Warum den Managern der Aufbruch nicht gelingt
Ch. Links Verlag, Berlin 2007, 215 Seiten, Euro 16,90
Hermann Theißen: Aber gerade über die Politiker sagen Sie, die im Osten hätten keine Visionen, die hätten eigentlich überhaupt kein Engagement. Sie verwalteten ihre Ressourcen nur und seien angewiesen auf die Transferzahlungen. Diese Geldtöpfe aus dem Westen, die legitimierten diese Politiker. Müsste man nach dieser Theorie nicht die Transferzahlungen viel früher einstellen, als es vorgesehen ist?
Gunnar Hinck: Das ist politisch wahrscheinlich nicht durchsetzbar, dass der Solidarpakt II jetzt nochmal aufgeschnürt wird. Sicherlich haben Fördermittel ihren Sinn, wenn sie wirklich dazu dienen, die Wirtschaftsstruktur zu stärken. Nur ich habe manchmal das Gefühl gehabt, bei meinen Recherchen für das Buch, dass dieser Fördermittelfluss ein Sinnvakuum, so ein Vakuum an Visionen füllen soll, nach dem Motto: Wir haben keine Idee, wie unser Gemeinwesen weiterentwickelt werden kann, dann bauen wir erst einmal. Das habe ich versucht, auch in diesem Buch zu beschreiben.
Hermann Theißen: Bleiben wir vielleicht erst einmal bei den Politikern, weil die jetzt gerade angesprochen sind. Und zwar reden wir jetzt nicht nur über Spitzenpolitiker, sondern auch über Ministerien, über Bürokratien. Wie sind denn da die Rekrutierungsmuster nach der Wende gewesen?
Gunnar Hinck: Da war viel Zufall dabei, wie diese neu aufgezogenen Ministerien aufgebaut wurden, man kann auch sagen, da war viel Patrionage am Werk, Seilschaften schwappten über die ehemalige Grenze. Man kann sagen, dass Qualität nicht das dominante Kriterium war. Man kann auch sagen, dass so mancher neue Abteilungsleiter in den neuen Ländern, in den Ministerien so eine Karriere im Westen wahrscheinlich nie hätte erreichen können. Da kann man schon die Frage stellen, ob nun ein beliebiger Jurist aus den alten Ländern mit einer vielleicht gar nicht so brillianten beruflichen Vita per se besser geeignet gewesen ist für die Führung einer Abteilung im Ministerium als ein Diplomjurist Ost mit SED-Biographie.
Hermann Theißen: Wir haben jetzt über die Westimporte geredet, wir haben über die geredet, die ausgetauscht, die also rausgeschmissen worden sind. Wenn man heute die ostdeutschen Eliten in Politik, Medien und Wirtschaft beschreiben will, kann man die überhaupt systematisch fassen?
Gunnar Hinck: Ich mache ja drei verschiedene Gruppen aus, die nach meiner Einschätzung mehr als drei Gruppen sind, sondern auch drei verschiedene Kulturen darstellen. Da sind einmal die von Ihnen schon benannten Westimporte, die Aufbauhelfer, dann sind es zweitens die Seiteneinsteiger aus Ostdeutschland, aus der DDR, die unpolitischen Berufen nachgingen in der DDR, die als Ingenieure arbeiteten, als Ärzte. Und drittens die SED-Eliten der zweiten Reihe, die es geschafft haben, in der Politik, natürlich durch die PDS - Linkspartei - aber auch in den Medien teilweise wieder im neuen System Fuß zu fassen. Das Interessante ist aber, dass diese drei Gruppen, die sonst nichts miteinander zu tun haben, die sich sehr fremd sind, kulturell, sich teilweise auch noch mit anfeinden, dass diese drei Gruppen eingeklammert werden durch so eine Abwesenheit an Visionen. Alle drei Gruppen haben sich eingerichtet im bloßen Verwalten, und das ist das interessante Bindeglied zwischen diesen drei Gruppen.
Gunnar Hinck: Eliten in Ostdeutschland. Warum den Managern der Aufbruch nicht gelingt
Ch. Links Verlag, Berlin 2007, 215 Seiten, Euro 16,90