Donnerstag, 25. April 2024

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Die Vielfalt der Vojvodina
Spurensuche im Norden Serbiens

Die Vojvodina gehörte nacheinander zu Österreich-Ungarn, Jugoslawien und Serbien und blieb doch immer auf Autonomie bedacht. Autonomie, die ständig durch Nationalismen bedroht ist. Fünf Reportagen aus einer multiethnischen Region, in der nicht weniger als 26 Völker leben.

Von Leila Knüppel | 22.12.2018
    Historisches Zentrum von Novi Sad in der Autonomen Provinz Vojvodina.
    Historisches Zentrum von Novi Sad in der Autonomen Provinz Vojvodina (imago stock&people/ Winfried Rothermel)
    "Das ist unsere Flur, unsere Vojvodina, die Eine und Einzige", heißt es in einem der Lieder des Sängers Djordje Balasevic, in dem er seine Heimat besingt. Sein Text handelt von der Weite dieser fruchtbaren Ebene, vom guten Essen, der Friedfertigkeit der Bewohner, den vielen Sprachen, die dort gesprochen werden. Eine Art Traumland für Jugo-Nostalgiker, in denen ein friedliches Miteinander jenseits von Nationalismus noch möglich scheint.
    Doch im Gegensatz zu Autonomiebestrebungen der Katalanen, Basken oder Schotten, die sich auf eine nationale Identität berufen, ist man in der Vojvodina stolz darauf, dass hier 26 Völker wohnen: Serben, Ungarn, Kroaten, Slowaken, Rumänen, Ukrainer, Ruthenen und viele andere mehr.
    Selbst in den 90er-Jahren während des Jugoslawienkriegs blieb es hier weitgehend friedlich. Doch flohen immer mehr Serben, die zuvor in den jugoslawischen Nachbarländern gelebt hatten, in die Vojvodina. Kroaten wiederum wurden aus der Region vertrieben.
    Seitdem ist der Anteil der serbischen Bevölkerung auf 65 Prozent gestiegen. Die Minderheiten werden zunehmend marginalisiert. Die Vojvodina droht ihre multikulturelle Identität zu verlieren.
    Ein Ortsschild in verschiedenen Sprachen steht am Ortseingang von Belo Bato
    Erfolgsrezept Multikulti
    Seit Jahrhunderten leben im Norden Serbiens Menschen mit unterschiedlichen Wurzeln zusammen. Die autonome Provinz Vojvodina ist ein Schmelztiegel aus Nationen, nationalen Minderheiten und ethnischen Gruppen. Wie nirgends sonst in Europa ist Integration in dieser Gegend normal und nichts Besonderes.
    Spuren des Hasses in Hrtkovci
    Der Ultranationalist Vojislav Seselj kauft ein Haus in Hrtkovci. Dort, wo er 1992 durch eine Hassrede zur Vertreibung der Kroaten beitrug. Seselj ist vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Aber er stachelt weiter auf.
    Belgrads langer Arm reicht bis Novi Sad
    Die Provinz im Norden Serbiens war autonom. Dann zerfiel Jugoslawien, Belgrad zog alle Macht an sich. Inzwischen ist der Autonomiestatus zurück, aber nicht alle Rechte. Belgrad diktiert das Geschehen in Novi Sad, das sich nicht Hauptstadt nennen darf.
    Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán
    Orbans Einfluss in Serbien
    Einige der treuesten Wähler von Präsident Victor Orban sitzen in Serbien. In der autonomen Provinz Vojvodina genießen die Auslandsungarn die doppelte Staatsbürgerschaft und damit den EU-Pass. Und es fließt Geld: Ob Stiftung oder Fußballschule, die Wege ungarischer Steuergelder sind verschlungen.
    Ein bunt bemalter Schemel zeigt, wie die Vojvodina einst besiedelt wurde
    Jungen Slowaken verlassen Kovačica
    In der ganzen Welt kennt man die naive Malerei. Das überwiegend von Slowaken bewohnte Dorf Kovačica im Norden Serbiens verdiente damit schon in den 50er-Jahren Devisen. Aber die jungen Leute wollen weg. In der Slowakei boomt die Wirtschaft, es gibt gut bezahlte Jobs. Das Künstlerdorf bleibt zurück.