Tatsächlich ist vielleicht der Ritter von der traurigen Gestalt in Krisen wie diesen der richtige Held – für eine Welt aus Rechenkunststückchen und Effizienzversprechen, für dieses Europa mit nicht mehr sehr viel Ahnung vom großen Traum, der ihm ehedem als Basis diente. Wie schnell wurde der Friedensnobelpreis abgehakt, wie penetrant fragt jeder Stammtisch-Europäer, ob ihm der gemeinsame Raum immer noch mehr Beiträge wert ist. Und da nützt kein Hinweis auf milliardenschweren Nutzen, den speziell die Deutschen ziehen aus der Gemeinschaft. Wie, wenn einer sich –wie ehedem Don Quixote von La Mancha- eine Barbierschüssel beim Friseur an der Ecke ausleihen, den Kopfschmuck zum "Goldhelm des Mambrin" erklären und flammende Reden gegen die bösen Zauberer halten würde, die ihm und uns den Traum von Europa zerreden' Natürlich – Gelächter wäre die Antwort; wie immer. Der arme Irre.
Kurz nach der Eröffnung des Festivals hatte das griechische Ensemble "Blitz" einen (wenig überzeugenden) Versuch mit dem europäischen Literatur-Mythos des Miguel de Cervantes Saavedra unternommen – doch kurz vor Schluss kehrten Don Quixote und Sancho Pansa noch einmal mit Macht zurück ins Festspiel-Spiel. Und sie sprachen Russisch!
"Genossinnen und Genossen, Damen und Herren, liebes Publikum","
sagt der Mann, der wie ein Zirkusdirektor aussieht.
""Wir zeigen ihnen heute eine große Nummer - ach was, nichts zeigen wir, geht nach Hause; idti damoi! Beifall ist eh verboten, die Pause gestrichen."
Es kommt ja nie zur Vorstellung selbst im "Circo Ambulante"; viel wird geredet vom Zirkus, wie er mal war – damals als junge Maria mit ihrem Vater eine brillante Messerwerfer-Nummer spielte: als "Entzauberte Dulcinea" fetzte er ihr mit jedem Messerwurf ein Stück vom Bauernkittel weg, bis sie als Prinzessinnenschönheit auf der Bühne stand.
Leider hat er ihr allerdings auch mal ein Ohr abgesäbelt.
Andrej Mogutschijs erste Arbeit das Moskauer "Theater der Nationen", im vorigen Frühsommer auf mehreren Festivals gezeigt, ist ein monströses Stimmengewirr, sehr apokalyptisch angesiedelt in einer Fleischfabrik auf einer einstmals vulkanischen Insel. Von Stierhoden ist viel die Rede (machen unsterblich), von monströsen Potentaten heute (wer will, kann sich eine Art Putin denken) und vom großen Traum des Kommunismus früher. Politisch eher uneindeutig ist Mogutschijs Fabel, die sich aus den rollenden Schloten des Bühnenbildners Maxim Issajew heraus entwickelt – lässt er den immer wieder beschworenen Quixote den goldenen Ritterzeiten der Revolution hinterher träumen? Vermutlich spiegelt er viele Sehnsüchte des aktuellen Russlands – und wir verstehen noch immer fast nichts davon.
Mehr als ein Publikumsgespräch wäre da nötig – ein kleines, aber informatives Programmheft zum Beispiel. Aber leider rauschen die Produktionen in Hamburg eher durch – selbst "Schwarze Milch", die herrliche lettische Euro-Markt-Analyse von Alvis Hermanis, mit fünf drallen Damen als Kühe mit Hörner obendrauf; auch Oliver Friljics ziemlich überreizte Polit-Abrechnung mit Alt-Jugoslawien aus Ljubljana.
Dass die Hamburger Lessing-Tage neben eigenem Repertoire Gastspiel-Produktionen zeigen, die zuvor bei den Wiener Festwochen, den "Theaterformen" in Braunschweig oder Hannover oder bei der Wiesbadener "Biennale" mit neuen Stücken aus Europa, stört das Publikum vor Ort überhaupt nicht – aber über die gut sortierten Nachdenk-Abende hinaus hätte jeder dieser Hamburger Abende mehr Vor, Für- und Nachsorge verdient.
Und auch ein bisschen mehr Exklusivität könnte wirklich nicht schaden – damit ein internationales Top-Festival draus wird.
Kurz nach der Eröffnung des Festivals hatte das griechische Ensemble "Blitz" einen (wenig überzeugenden) Versuch mit dem europäischen Literatur-Mythos des Miguel de Cervantes Saavedra unternommen – doch kurz vor Schluss kehrten Don Quixote und Sancho Pansa noch einmal mit Macht zurück ins Festspiel-Spiel. Und sie sprachen Russisch!
"Genossinnen und Genossen, Damen und Herren, liebes Publikum","
sagt der Mann, der wie ein Zirkusdirektor aussieht.
""Wir zeigen ihnen heute eine große Nummer - ach was, nichts zeigen wir, geht nach Hause; idti damoi! Beifall ist eh verboten, die Pause gestrichen."
Es kommt ja nie zur Vorstellung selbst im "Circo Ambulante"; viel wird geredet vom Zirkus, wie er mal war – damals als junge Maria mit ihrem Vater eine brillante Messerwerfer-Nummer spielte: als "Entzauberte Dulcinea" fetzte er ihr mit jedem Messerwurf ein Stück vom Bauernkittel weg, bis sie als Prinzessinnenschönheit auf der Bühne stand.
Leider hat er ihr allerdings auch mal ein Ohr abgesäbelt.
Andrej Mogutschijs erste Arbeit das Moskauer "Theater der Nationen", im vorigen Frühsommer auf mehreren Festivals gezeigt, ist ein monströses Stimmengewirr, sehr apokalyptisch angesiedelt in einer Fleischfabrik auf einer einstmals vulkanischen Insel. Von Stierhoden ist viel die Rede (machen unsterblich), von monströsen Potentaten heute (wer will, kann sich eine Art Putin denken) und vom großen Traum des Kommunismus früher. Politisch eher uneindeutig ist Mogutschijs Fabel, die sich aus den rollenden Schloten des Bühnenbildners Maxim Issajew heraus entwickelt – lässt er den immer wieder beschworenen Quixote den goldenen Ritterzeiten der Revolution hinterher träumen? Vermutlich spiegelt er viele Sehnsüchte des aktuellen Russlands – und wir verstehen noch immer fast nichts davon.
Mehr als ein Publikumsgespräch wäre da nötig – ein kleines, aber informatives Programmheft zum Beispiel. Aber leider rauschen die Produktionen in Hamburg eher durch – selbst "Schwarze Milch", die herrliche lettische Euro-Markt-Analyse von Alvis Hermanis, mit fünf drallen Damen als Kühe mit Hörner obendrauf; auch Oliver Friljics ziemlich überreizte Polit-Abrechnung mit Alt-Jugoslawien aus Ljubljana.
Dass die Hamburger Lessing-Tage neben eigenem Repertoire Gastspiel-Produktionen zeigen, die zuvor bei den Wiener Festwochen, den "Theaterformen" in Braunschweig oder Hannover oder bei der Wiesbadener "Biennale" mit neuen Stücken aus Europa, stört das Publikum vor Ort überhaupt nicht – aber über die gut sortierten Nachdenk-Abende hinaus hätte jeder dieser Hamburger Abende mehr Vor, Für- und Nachsorge verdient.
Und auch ein bisschen mehr Exklusivität könnte wirklich nicht schaden – damit ein internationales Top-Festival draus wird.