Fremd sei ihm dieses Europa geblieben auf der Flucht vor dem mörderischen Totalitarismus daheim. Schon am ersten Fluchtpunkt, in den USA, und dann auch von Berlin bis Paris könne er heute keine Wertegemeinschaft entdecken. Hasenherzig haben sich die Regierenden der vermeintlich freien Welt Chinas Wirtschaftsmacht zu Füßen geworfen; und wie eine gefräßige Krake verbreite sich mittlerweile die Mafia herrschaftlicher China-Chargen, vom Wirtschaftsmagnaten bis zum Staatsanwalt, in den Einkaufsmeilen der Weltmetropolen.
Derweil leide daheim weiter das Volk, speziell diejenigen, die zum Beispiel mörderische Machtdemonstrationen wie das Massaker auf dem Platz des "Himmlischen Friedens" nicht vergessen wollen. Hart ging Liao Yiwu mit dem Land ins Gericht, das vielleicht ja immer noch Heimat ist; streng mit Europa und dem Rest der Welt, wo Heimat nicht zu finden ist. Heimat, sagt Liao Yiwu am Schluss (bevor er Flöte und Klangschalen ergreift und singend zu Cello und Perkussion ein kleines Konzert gibt), finde er häufig bestenfalls in einem Glas Schnaps.
"Don Giovanni. Die letzte Party" nach Mozart und da Ponte
Reichlich Alkohol müsste eigentlich auch auf jener "Letzten Party" geflossen sein, von der schlussendlich der steinerne Gast den chronischen Frauenverbraucher Don Giovanni in die Hölle abberuft. Bei der "Bastardkomödie", die der auf verschiedenen Bühnen ja derzeit sehr erfolgreiche Regisseur Antu Romero Nunes nun zwar aus Materialen von Mozart und da Ponte, aber mit äußerst eigenem Zugriff gebastelt hat, wird weniger gesoffen als getanzt bis zum Abwinken - die Pause jedenfalls verbringen 100 mutige Frauen aus dem Publikum mit dem Ensemble und vor allem Catarina Boutaris furioser Damen-Blas- und Rockkapelle hinter dem Eisernen Vorhang.
Das ist sicher das stärkste Bild für die kraftvolle Anmache, die Nunes im Sinn gehabt haben mag - wozu sollte die Beschäftigung mit Don Giovanni denn gut sein, wenn das Publikum nicht zumindest gelegentlich dran denkt, einander gegenseitig männlein-weiblein-mäßig (oder sonstwie) an die Wäsche zu gehen. Wo doch Sebastian Zimmlers Giovanni erklärtermaßen abendfüllend damit beschäftigt ist, sexy auszusehen. Und die Handlungsanweisungen ans Publikum auch recht deutlich ausfallen.
Bei Mirco Kreibichs Leporello ist der Vorschlag dann fast schon Befehl. Und nicht, dass dieser Hamburger "Don Giovanni" nicht ein Feuerwerk an mehr oder weniger derben Scherzen ist zum poppig-rockigen Mozartverschnitt. Aber es braucht keinen Gedanken an Werktreue oder derlei Unfug, um festzustellen, dass Nunes durchweg nicht viel mehr als Jux und Dollerei zu bieten hat. Das beginnt schon mit den ersten Minuten, in denen Leporello mit dem erstaunten Thalia-Publikum im Chor Mozartmotive übt - als wäre das die wichtigste Idee gewesen: "Ihren" Mozart kann die Kundschaft eh auswendig, da kann sie ihn auch gleich selber singen.
Mit derlei Mitmach-Aktionen beschäftigt sich die Aufführung oft und lange; und mit der Zeit sieht's gar so aus, als wolle sie so die dunkleren Seiten der Fabel zielstrebig meiden. So bleibt dieser ganze Bastard-Mozart eben doch nur ein Knalleffekt.
"Die Protokolle von Toulouse" in der Regie von Malte C. Lachmann
Doch immerhin - es lässt sich streiten über ihn. Für das Dokumentartheater über "Die Protokolle von Toulouse", die zweite Premiere des Eröffnungswochenendes, gilt das nicht - in der FAZ-Redaktion entstand nach authentischen Dokumenten vom März vorigen Jahres dieser inhaltlich extrem finstre Walkie-Talkie-Dialog. Einer spricht als Polizist vor der Tür der belagerten Wohnung, der andere dahinter ist ein Killer und Fundamentalist, der gerade sieben Menschen ermordet hat - und im Palaver die letzte Chance erhält, sich zu stellen. Erschreckend kumpelig und gemütlich gehen die beiden miteinander um; und der Eindruck forcierter Harmlosigkeit wird noch verstärkt durch Malte C. Lachmanns Inszenierung, die eine Talkshow draus macht.
Wozu das nun aber gut sein soll im Dialog der Kulturen und Religionen, den die Lessingtage doch ständig im Munde führen? Keine, wirklich gar keine Ahnung. Dann schon lieber Mozart zum Anfassen.
Derweil leide daheim weiter das Volk, speziell diejenigen, die zum Beispiel mörderische Machtdemonstrationen wie das Massaker auf dem Platz des "Himmlischen Friedens" nicht vergessen wollen. Hart ging Liao Yiwu mit dem Land ins Gericht, das vielleicht ja immer noch Heimat ist; streng mit Europa und dem Rest der Welt, wo Heimat nicht zu finden ist. Heimat, sagt Liao Yiwu am Schluss (bevor er Flöte und Klangschalen ergreift und singend zu Cello und Perkussion ein kleines Konzert gibt), finde er häufig bestenfalls in einem Glas Schnaps.
"Don Giovanni. Die letzte Party" nach Mozart und da Ponte
Reichlich Alkohol müsste eigentlich auch auf jener "Letzten Party" geflossen sein, von der schlussendlich der steinerne Gast den chronischen Frauenverbraucher Don Giovanni in die Hölle abberuft. Bei der "Bastardkomödie", die der auf verschiedenen Bühnen ja derzeit sehr erfolgreiche Regisseur Antu Romero Nunes nun zwar aus Materialen von Mozart und da Ponte, aber mit äußerst eigenem Zugriff gebastelt hat, wird weniger gesoffen als getanzt bis zum Abwinken - die Pause jedenfalls verbringen 100 mutige Frauen aus dem Publikum mit dem Ensemble und vor allem Catarina Boutaris furioser Damen-Blas- und Rockkapelle hinter dem Eisernen Vorhang.
Das ist sicher das stärkste Bild für die kraftvolle Anmache, die Nunes im Sinn gehabt haben mag - wozu sollte die Beschäftigung mit Don Giovanni denn gut sein, wenn das Publikum nicht zumindest gelegentlich dran denkt, einander gegenseitig männlein-weiblein-mäßig (oder sonstwie) an die Wäsche zu gehen. Wo doch Sebastian Zimmlers Giovanni erklärtermaßen abendfüllend damit beschäftigt ist, sexy auszusehen. Und die Handlungsanweisungen ans Publikum auch recht deutlich ausfallen.
Bei Mirco Kreibichs Leporello ist der Vorschlag dann fast schon Befehl. Und nicht, dass dieser Hamburger "Don Giovanni" nicht ein Feuerwerk an mehr oder weniger derben Scherzen ist zum poppig-rockigen Mozartverschnitt. Aber es braucht keinen Gedanken an Werktreue oder derlei Unfug, um festzustellen, dass Nunes durchweg nicht viel mehr als Jux und Dollerei zu bieten hat. Das beginnt schon mit den ersten Minuten, in denen Leporello mit dem erstaunten Thalia-Publikum im Chor Mozartmotive übt - als wäre das die wichtigste Idee gewesen: "Ihren" Mozart kann die Kundschaft eh auswendig, da kann sie ihn auch gleich selber singen.
Mit derlei Mitmach-Aktionen beschäftigt sich die Aufführung oft und lange; und mit der Zeit sieht's gar so aus, als wolle sie so die dunkleren Seiten der Fabel zielstrebig meiden. So bleibt dieser ganze Bastard-Mozart eben doch nur ein Knalleffekt.
"Die Protokolle von Toulouse" in der Regie von Malte C. Lachmann
Doch immerhin - es lässt sich streiten über ihn. Für das Dokumentartheater über "Die Protokolle von Toulouse", die zweite Premiere des Eröffnungswochenendes, gilt das nicht - in der FAZ-Redaktion entstand nach authentischen Dokumenten vom März vorigen Jahres dieser inhaltlich extrem finstre Walkie-Talkie-Dialog. Einer spricht als Polizist vor der Tür der belagerten Wohnung, der andere dahinter ist ein Killer und Fundamentalist, der gerade sieben Menschen ermordet hat - und im Palaver die letzte Chance erhält, sich zu stellen. Erschreckend kumpelig und gemütlich gehen die beiden miteinander um; und der Eindruck forcierter Harmlosigkeit wird noch verstärkt durch Malte C. Lachmanns Inszenierung, die eine Talkshow draus macht.
Wozu das nun aber gut sein soll im Dialog der Kulturen und Religionen, den die Lessingtage doch ständig im Munde führen? Keine, wirklich gar keine Ahnung. Dann schon lieber Mozart zum Anfassen.