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"Die Vögel haben es natürlich leichter"

Für zahlreiche Wildtiere haben die Überschwemmungen im Osten Deutschlands negative Folgen. Till Hopf, Artenschutzexperte beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), erklärt, warum ein paar wenige Arten aber auch davon profitieren und nach dem Rückzug des Wassers ein Schlaraffenland vorfinden könnten.

Till Hopf im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 11.06.2013
    Susanne Kuhlmann: Eine Arche ist nicht in Sicht für all die Tiere, die jetzt auch vom Hochwasser erfasst werden. Tausende von Rindern, Schweinen, Hühnern und anderen Nutztieren sind gefährdet, aber auch Wildtiere, die jetzt gerade mit der Aufzucht ihrer Brut beschäftigt sind. Am Telefon in Berlin ist Till Hopf, Artenschutzexperte vom Naturschutzbund NABU. Guten Tag, Herr Hopf.

    Till Hopf: Guten Tag, Frau Kuhlmann!

    Kuhlmann: Wer Flügel hat ist im Moment im Vorteil?

    Hopf: Das kann man im Prinzip so sagen. Die Vögel haben es natürlich leichter, sich dem vordringenden Hochwasser zu entziehen. Das gilt natürlich nicht für das Gelege und die Brut, die eben noch nicht fliegen können.

    Kuhlmann: Wer gut mit dem Wasser zurecht kommt wie Amphibien, hat auch kein so großes Problem?

    Hopf: Im Grunde nein, solange es zumindest gelingt, Bereiche aufzusuchen, in denen die Strömung nicht zu stark ist. Das kann natürlich dazu führen, wenn ein am Ufer eines Flusses liegender Tümpel überflutet wird, dass dann die Amphibien weitergespült werden und möglicherweise, wenn das Hochwasser wieder zurückgeht, in einem anderen Tümpel landen. Das ist dann aber ein Mechanismus der natürlichen Ausbreitung.

    Kuhlmann: Finden denn die Amphibien und auch die Vögel im Moment genug zum Fressen?

    Hopf: Ja, das ist schwierig. Wenn natürlich das Wasser zu hoch steht, dann können beispielsweise auch Störche, die sonst in Feuchtwiesen zum Beispiel nach Amphibien suchen, keine Nahrung mehr finden oder nicht mehr so gut, weil das Wasser einfach zu hoch ist. Wenn es sich aber jetzt zurückzieht, wird die Situation unter Umständen sogar zu einem Schlaraffenland.

    Kuhlmann: In den Auengebieten der Flüsse, da wechselt der Wasserstand ja häufiger mal und damit kommen die Tiere, die dort leben, für gewöhnlich klar. Aber die momentane Situation ist ja völlig außergewöhnlich und desaströs. Was heißt das denn für die Tiere, die nicht einfach flüchten können?

    Hopf: Sehr richtig ist, dass diese natürliche Dynamik zum Flusssystem dazugehört. In diesem Fall ist es wirklich sehr extrem, das heißt, dass kilometerweit weg vom Fluss das Wasser zum Teil noch steht. Die Tiere werden natürlich erst mal versuchen, höhere Orte aufzusuchen. Das ist für Füchse oder Biber leichter als zum Beispiel für Mäuse oder Kaninchen, die möglicherweise im Bau dann auch von dem Wasser überrascht werden.

    Kuhlmann: Und was machen die größeren Tiere, die Wildtiere wie Rehe, Wildschweine beispielsweise?

    Hopf: Die nehmen die Beine in die Hand, wenn sie denn Hände hätten. Die werden sehr schnell versuchen, wegzukommen von dem Wasser, unter Umständen auch ein paar Meter schwimmen, um in Gebiete zu gelangen, die über der Wasseroberfläche liegen. Das klappt zumeist auch.

    Kuhlmann: Sie hatten eben schon gesagt, Frösche fänden unter Umständen mehr Amphibien irgendwo als für gewöhnlich. Gibt es denn sonst noch Profiteure, für die der Tisch womöglich etwas reicher gedeckt sein könnte als sonst?

    Hopf: Na ja, generell kann man sagen, dass alle Tiere, die sich in diesen überfluteten Bereichen mit dem zurückgehenden Wasser nach Nahrung suchen, Vorteile haben. Auch für Fische, die noch in den Uferbereichen sind, wo zum Beispiel Regenwürmer ertrunken sind, da gibt es natürlich viel zu fressen. Das gleiche gilt für Graureiher zum Beispiel wenn Fische den Weg nicht mehr zurück finden in den Hauptstrom. Dann haben die einen gedeckten Tisch.

    Kuhlmann: Und was passiert mit den Insekten?

    Hopf: Die Insekten, wenn es jetzt um Laufkäfer geht, die haben wenig Möglichkeiten, dem Wasser zu entkommen. Da gibt es aber Untersuchungen, dass die Wiederbesiedlung aus anderen Bereichen relativ schnell funktioniert. Und was zum Beispiel Mücken und andere Insekten angeht, die im Wasser ihre Larven legen, die finden in den zurückbleibenden Wasserlachen natürlich hervorragende Brutbedingungen.

    Kuhlmann: Es wird ja noch ein paar Tage dauern, bis das Wasser wieder auf ein einigermaßen normales Maß zurückgegangen sein wird. Rechnen Sie damit, dass Schäden im Lebensraum von Auenbewohnern und anderen Wildtieren zurückbleiben?

    Hopf: Es ist ganz natürlich, dass so ein Extremereignis eine gewisse Störung für das System bedeutet. Aber unter dem Strich ist nicht davon auszugehen, dass es da langfristige Einbußen geben wird.

    Kuhlmann: Land unter auch für viele Wildtiere – danke schön an Till Hopf, den Artenschutzexperten beim Naturschutzbund Nabu.

    Hopf: Vielen Dank!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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