Archiv


Die Vogeldetektivin aus Washington

Ornithologie. - Vogelschlag ist ein großes Problem für die Luftfahrt. Geraten Vögel in die Triebwerke von Flugzeugen, kann es zu einem Triebwerksausfall kommen oder gar zu einem Absturz. Oftmals ist gar nicht klar, was für ein Vogel überhaupt das Flugzeug beschädigt hat. Für die Klärung solcher Fragen gibt es in Washington ein eigenes Labor.

Von Michael Stang |
    Obwohl sich Ornithologen ja nicht nur mit lebenden, sondern auch mit toten, also meist präparierten Vögeln beschäftigen, sei ihre Arbeit an der Smithsonian Institution doch recht ungewöhnlich, so Carla Dove.

    "Ein typischer Arbeitstag sieht so aus: wir bekommen eine Menge Post. Darin sind die Reste von Vögeln, die gegen ein Flugzeug geflogen sind. Die Post stammt nicht nur aus den USA, sondern kommt aus der ganzen Welt zu uns. Im Schnitt sind das rund 30 Sendungen pro Tag."

    Zu Hochzeiten des Vogelzugs, im Frühjahr oder im Herbst, sind es manchmal mehr als 100 Briefe pro Tag. Carla Dove leitet in Washington das Labor für Federidentifikation. Dessen Aufgabe ist es, zu klären, was für eine Spezies den Zusammenprall verursacht hat.

    "Wir öffnen die Sendung und schauen, ob da vollständige Federn dabei sind. Falls ja, kommt diese Sendung auf den Stapel für das Museum. Falls wir aber nur Gewebereste, Haut und Knochen haben, kommt das ganze zur DNA-Untersuchung ins Labor."

    Die Federn werden gereinigt, um ihre natürliche Form und Farbe für die Speziesidentifikation zu erhalten. Im Museum analysiert Carla Dove dann per Mikroskop die Daunenregion, da diese standardmäßig für die Artbestimmung verwendet wird. Ihre Erfolgsquote liegt bei mehr als 90 Prozent. Die vogelkundliche Sammlung in Washington verfügt über mehr als 650.000 Objekte. Damit ist sie die drittgrößte der Welt und beherbergt mehr als 80 Prozent aller rund 10.000 bekannten Vogelspezies. Die große Zahl von Objekten ist notwendig, da die Federn selbst innerhalb einer Vogelart erheblich variieren: nicht nur unterscheiden sich Schwanzfedern deutlich von Brust- oder Schwungfedern, sondern das Gefieder unterscheidet sich auch je nach Alter, Geschlecht und der Jahreszeit. Federn bestimmter Vögel landen regelmäßig bei ihr im Labor. Dove:

    "Es sind aber nicht unbedingt die großen Vögel, die die meisten Kosten verursachen, sondern eher die Vögel, die sich in der Nähe von Flugplätzen tummeln, also Enten, Gänse und Falken. Diese Vögel gefährden die Sicherheit der Luftfahrt."

    Die Proben, die sie untersuchen muss, stammen sowohl aus der zivilen Luftfahrt als auch vom Militär. Die durch Vogelschlag verursachten Kosten allein in den USA belaufen sich Schätzungen zufolge auf mehr als eine Milliarde US-Dollar pro Jahr. Ob die Kosten in den vergangenen Jahren gestiegen sind, könne sie nicht sagen, so Carla Dove. Zwar erhalte sie heute mehr Sendungen als noch vor ein paar Jahren und in dieser Zeit habe auch der Luftverkehr zugenommen und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass es zum Vogelschlag kommt. Jedoch würden sich andererseits heute generell mehr Fluglinien als früher bei ihr melden, da sie ihre Kosten reduzieren wollen. Denn erst wenn klar ist, welche Vögel den Aufschlag verursacht haben, kann man solche Schäden zukünftig zumindest reduzieren – dank der Vogeldetektive aus Washington.

    "Seit etwa fünf Jahren haben viele Flughafenbetreiber darauf reagiert. Sie beschäftigen Biologen, die sich die Umgebung des Flughafens anschauen und für Vögel möglichst unattraktive Gelände schaffen, weil damit Schaden und Kosten erheblich reduziert werden können."

    Neben der Umgestaltung der Landschaft gibt es auch noch eine andere Möglichkeit, den Vogelschlag zu reduzieren. In Israel etwa richtet sich die Luftwaffe nach den Beobachtungen der lokalen Ornithologen: die Flugzeiten – und routen werden dann nach dem Vogelzug ausgerichtet. Seit 1982 konnte der Vogelschlag in Israel damit deutlich reduziert werden.