Flassbeck: Guten Tag.
Birke: Herr Flassbeck, wie stark müsste denn Ihrer Meinung nach die Abwertung des Peso in Argentinien heute ausfallen um die Liquidität sicherzustellen?
Flassbeck: Nun, sie müsste schon sicherlich in der Größenordnung von 20, 30 Prozent mindestens liegen. Man darf ja nicht vergessen, dass das Nachbarland Brasilien mit Billigung des IWF seinen Wechselkurs freigegeben hat und mindestens um diese Marge abgewertet hat und sogar noch mehr. Also Argentinien muss vor allem seine Wettbewerbsfähigkeit wieder herstellen und dann im Inneren wieder wirtschaftspolitisch handlungsfähig werden.
Birke: Herr Flassbeck, hat der IWF hier versagt, indem er Brasilien, einem Mitglied des Mercosur, des gemeinsamen Marktes unten am Río de la Plata, die Abwertung erlaubt und Argentinien sie nicht erlaubt oder nicht verordnet?
Flassbeck: Also meiner Meinung nach eindeutig. Denn man kann nicht zwei Länder beraten und sie in zwei völlig verschiedene Währungssysteme schicken. Aber man muss sehen: das entspricht der Ideologie oder der Theorie des IWF in den letzten Jahren und viele, amerikanische Volkswirte vor allem, die sagten, die Länder müssen in der Währungsfrage 'corner solutions' suchen, also die Ecklösungen aufsuchen. Entweder ganz flexible Wechselkurse oder ganz feste Wechselkurse. Und Argentinien war sozusagen ein Modellfall mit seinem currency board, also einem System, wo das Geld praktisch nur von außen zur Verfügung gestellt wird, war der Modellfall praktisch, wie man es idealerweise machen sollte und diese Theorie ist nun ganz gründlich gescheitert. Es ist nicht nur die IWF schuld, da sind noch ganz viele schuld. Da ist auch die deutsche Bundesregierung schuld, die gesamte G7, also die großen sieben Länder, die alle in die gleiche Richtung beraten haben und das Scheitern dieses Modells ist wirklich ein Signal dafür, ganz grundlegend über diese Dinge nachzudenken.
Birke: Wir haben es eben gehört, unser Korrespondent hat gesagt 15 Milliarden Dollar erwartet Argentinien, braucht Argentinien als Liquidität. Sollte das denn nun einfach so vom IWF bereitgestellt werden oder sollte man denn nicht den Mitverantwortlichen, auch den Privatbanken, hier einen Teil der Bürde auflasten?
Flassbeck: Nun, ganz so einfach ist es nicht mit den 15 Milliarden. das sind - ich weiß nicht, wie diese Rechnung im einzelnen zustande kommt - wichtig erscheint mir jetzt weniger, dass internationales Geld wieder nach Argentinien fließt als dass Argentinien im Inneren handlungsfähig wird. Man muss ja sehen, ich sagte es vorhin schon, Argentinien hat durch sein Währungssystem, das ein System war, das früher mal für Kolonien erfunden wurde aber niemals eigentlich für autonome Staaten sinnvoll war, hat nur Geld erhalten im Zuge des Zuflusses von Auslandskapital und dieses Auslandskapital wurde Argentinien zum Schluss zu horrend hohen Zinsen zur Verfügung gestellt und schon immer zu sehr hohen Zinsen, immer sehr viel höher als die amerikanische Zinsen waren und dieses konnte das Land nicht überleben. Man kann nicht gleichzeitig einen extrem hohen Wechselkurs haben, also eine extrem schlechte Wettbewerbsfähigkeit, und extrem hohe Realzinsen. Daran muss man zugrunde gehen. Beides muss geändert werden und das heißt Argentinien muss zurückgewinnen die Kontrolle über die Geldversorgung im Inneren, das heißt Argentinien muss wie alle großen Länder das handhaben und Argentinien ist ein großes Land. Es muss seine eigene Geldversorgung herstellen, es muss seine Zentralbanken in die Lage versetzen, Geld zur Verfügung zu stellen und Liquidität zur Verfügung zu stellen und sich nicht vollständig vom Ausland abhängig machen. Und wenn dann der Wechselkurs korrigiert wird und Argentinien wieder ein vernünftiges Zinsniveau hat, dann kann man durchaus hoffen, dass dieses Land, das fundamental meines Erachtens gesund ist, wieder auf die Beine kommt.
Birke: Das hilft aber nicht bei der aktuellen Lösung des akuten Liquiditätsproblems. Wir haben es ja gehört: die Konten sind eingefroren, maximal 1000 Dollar pro Monat dürfen abgehoben werden. Wie kommt man aus dieser Liquiditätsfalle raus?
Flassbeck: Ja, es gibt kein Liquiditätsproblem im allgemeinen Sinne, es gibt ein Problem zu geringer Dollarbestände, das ist vollkommen klar. Und man wird einfach den Menschen zumuten müssen, dass ihre Dollarforderungen, die sie haben, ihre Dollarguthaben, die sie haben, dass die abgewertet werden. Daran wird meines Erachtens letztlich kein Weg vorbeigehen. Man kann das sozial abpuffern, man muss das auch sozial abpuffern...
Birke: Wie?
Flassbeck: Dadurch, dass man - sagen wir - bestimmte Sockelbeträge einführt, die eins zu eins umgestellt werden so wie wir das bei der deutsch-deutschen Währungsunion auch getan haben aber alle höheren Beträge werden dann zu einem schlechteren Wechselkurs umgetauscht. Und man wird Devisenbeschränkungen noch eine zeitlang aufrechterhalten müssen aber es ist der einzige Weg, die Wirtschaftsfähigkeit wieder herzustellen und nur auf diesem Wege kann man dann wie gesagt auch im Inneren von der Notenbank her die eigene Währung liquidisieren, also Liquidität zur Verfügung stellen, so dass das System überhaupt wieder funktionsfähig wird. Man kann das nicht nur von außen tun, also Liquidität sozusagen wie das im Euroraum und überall ist, muss getrennt werden zwischen innerer Liquidität, die die Notenbank zur Verfügung stellt und äußerer Liquidität, die ein Devisenproblem ist. Das ist zu trennen und die innere Liquidität muss dann die Notenbank zur Verfügung stellen. Natürlich nicht in dem Maße, dass nun eine massive Inflation ausbricht, obwohl an der Erhöhung der Preise kurzfristig sicherlich kein Weg vorbeigeht, aber man muss die Liquiditätssituation der Wirtschaft normalisieren und dann allmählich auch nach außen wieder die Dinge ins rechte Lot bringen, wenn der Wechselkurs denn mal bei den Exporten zu greifen beginnt.
Birke: Herr Flassbeck, noch ein Wort vielleicht zu den Auswirkungen auf das westliche Bankensystem. Sind hier Liquiditätsprobleme auch, oder sind hier Probleme für die deutschen Banken z.B. für die westeuropäischen Banken zu befürchten?
Flassbeck: Na ja, es wird schon eine Reihe von Problemen geben, gerade spanische Banken sind sehr stark investiert in Argentinien, aber auch viele Privatleute haben hohe argentinische Fonds zu sehr hohen Zinsen gekauft und sie werden diese Zinsen nicht bekommen - sie werden Glück haben, wenn sie ihr Geld überhaupt, also ihre Einlage, zurückbekommen. Vielleicht nicht einmal das, aber ich meine dieses Risiko musste man eingehen. Wer glaubte, Argentinien kann auf Dauer 13 Prozent Dollarzinsen zahlen, war, kann ich nur sagen, ein ökonomischer Narr. Kein Land der Welt kann auf Dauer 13 Prozent Dollarzinsen bezahlen, weil man 13 Prozent Dollarzinsen einfach nicht verdienen kann. Und wer glaubte, er muss solche wunderbaren Anleihen kaufen, der ist ja nun ein hohes Risiko eingegangen und da kann man nur sagen: Nun hat er Pech gehabt.
Birke: Das war Heiner Flassbeck, der frühere Finanzstaatssekretär und momentane volkswirtschaftliche Berater bei der Unctad in den Informationen am Mittag. Vielen Dank, auf Wiederhören.
Birke: Herr Flassbeck, wie stark müsste denn Ihrer Meinung nach die Abwertung des Peso in Argentinien heute ausfallen um die Liquidität sicherzustellen?
Flassbeck: Nun, sie müsste schon sicherlich in der Größenordnung von 20, 30 Prozent mindestens liegen. Man darf ja nicht vergessen, dass das Nachbarland Brasilien mit Billigung des IWF seinen Wechselkurs freigegeben hat und mindestens um diese Marge abgewertet hat und sogar noch mehr. Also Argentinien muss vor allem seine Wettbewerbsfähigkeit wieder herstellen und dann im Inneren wieder wirtschaftspolitisch handlungsfähig werden.
Birke: Herr Flassbeck, hat der IWF hier versagt, indem er Brasilien, einem Mitglied des Mercosur, des gemeinsamen Marktes unten am Río de la Plata, die Abwertung erlaubt und Argentinien sie nicht erlaubt oder nicht verordnet?
Flassbeck: Also meiner Meinung nach eindeutig. Denn man kann nicht zwei Länder beraten und sie in zwei völlig verschiedene Währungssysteme schicken. Aber man muss sehen: das entspricht der Ideologie oder der Theorie des IWF in den letzten Jahren und viele, amerikanische Volkswirte vor allem, die sagten, die Länder müssen in der Währungsfrage 'corner solutions' suchen, also die Ecklösungen aufsuchen. Entweder ganz flexible Wechselkurse oder ganz feste Wechselkurse. Und Argentinien war sozusagen ein Modellfall mit seinem currency board, also einem System, wo das Geld praktisch nur von außen zur Verfügung gestellt wird, war der Modellfall praktisch, wie man es idealerweise machen sollte und diese Theorie ist nun ganz gründlich gescheitert. Es ist nicht nur die IWF schuld, da sind noch ganz viele schuld. Da ist auch die deutsche Bundesregierung schuld, die gesamte G7, also die großen sieben Länder, die alle in die gleiche Richtung beraten haben und das Scheitern dieses Modells ist wirklich ein Signal dafür, ganz grundlegend über diese Dinge nachzudenken.
Birke: Wir haben es eben gehört, unser Korrespondent hat gesagt 15 Milliarden Dollar erwartet Argentinien, braucht Argentinien als Liquidität. Sollte das denn nun einfach so vom IWF bereitgestellt werden oder sollte man denn nicht den Mitverantwortlichen, auch den Privatbanken, hier einen Teil der Bürde auflasten?
Flassbeck: Nun, ganz so einfach ist es nicht mit den 15 Milliarden. das sind - ich weiß nicht, wie diese Rechnung im einzelnen zustande kommt - wichtig erscheint mir jetzt weniger, dass internationales Geld wieder nach Argentinien fließt als dass Argentinien im Inneren handlungsfähig wird. Man muss ja sehen, ich sagte es vorhin schon, Argentinien hat durch sein Währungssystem, das ein System war, das früher mal für Kolonien erfunden wurde aber niemals eigentlich für autonome Staaten sinnvoll war, hat nur Geld erhalten im Zuge des Zuflusses von Auslandskapital und dieses Auslandskapital wurde Argentinien zum Schluss zu horrend hohen Zinsen zur Verfügung gestellt und schon immer zu sehr hohen Zinsen, immer sehr viel höher als die amerikanische Zinsen waren und dieses konnte das Land nicht überleben. Man kann nicht gleichzeitig einen extrem hohen Wechselkurs haben, also eine extrem schlechte Wettbewerbsfähigkeit, und extrem hohe Realzinsen. Daran muss man zugrunde gehen. Beides muss geändert werden und das heißt Argentinien muss zurückgewinnen die Kontrolle über die Geldversorgung im Inneren, das heißt Argentinien muss wie alle großen Länder das handhaben und Argentinien ist ein großes Land. Es muss seine eigene Geldversorgung herstellen, es muss seine Zentralbanken in die Lage versetzen, Geld zur Verfügung zu stellen und Liquidität zur Verfügung zu stellen und sich nicht vollständig vom Ausland abhängig machen. Und wenn dann der Wechselkurs korrigiert wird und Argentinien wieder ein vernünftiges Zinsniveau hat, dann kann man durchaus hoffen, dass dieses Land, das fundamental meines Erachtens gesund ist, wieder auf die Beine kommt.
Birke: Das hilft aber nicht bei der aktuellen Lösung des akuten Liquiditätsproblems. Wir haben es ja gehört: die Konten sind eingefroren, maximal 1000 Dollar pro Monat dürfen abgehoben werden. Wie kommt man aus dieser Liquiditätsfalle raus?
Flassbeck: Ja, es gibt kein Liquiditätsproblem im allgemeinen Sinne, es gibt ein Problem zu geringer Dollarbestände, das ist vollkommen klar. Und man wird einfach den Menschen zumuten müssen, dass ihre Dollarforderungen, die sie haben, ihre Dollarguthaben, die sie haben, dass die abgewertet werden. Daran wird meines Erachtens letztlich kein Weg vorbeigehen. Man kann das sozial abpuffern, man muss das auch sozial abpuffern...
Birke: Wie?
Flassbeck: Dadurch, dass man - sagen wir - bestimmte Sockelbeträge einführt, die eins zu eins umgestellt werden so wie wir das bei der deutsch-deutschen Währungsunion auch getan haben aber alle höheren Beträge werden dann zu einem schlechteren Wechselkurs umgetauscht. Und man wird Devisenbeschränkungen noch eine zeitlang aufrechterhalten müssen aber es ist der einzige Weg, die Wirtschaftsfähigkeit wieder herzustellen und nur auf diesem Wege kann man dann wie gesagt auch im Inneren von der Notenbank her die eigene Währung liquidisieren, also Liquidität zur Verfügung stellen, so dass das System überhaupt wieder funktionsfähig wird. Man kann das nicht nur von außen tun, also Liquidität sozusagen wie das im Euroraum und überall ist, muss getrennt werden zwischen innerer Liquidität, die die Notenbank zur Verfügung stellt und äußerer Liquidität, die ein Devisenproblem ist. Das ist zu trennen und die innere Liquidität muss dann die Notenbank zur Verfügung stellen. Natürlich nicht in dem Maße, dass nun eine massive Inflation ausbricht, obwohl an der Erhöhung der Preise kurzfristig sicherlich kein Weg vorbeigeht, aber man muss die Liquiditätssituation der Wirtschaft normalisieren und dann allmählich auch nach außen wieder die Dinge ins rechte Lot bringen, wenn der Wechselkurs denn mal bei den Exporten zu greifen beginnt.
Birke: Herr Flassbeck, noch ein Wort vielleicht zu den Auswirkungen auf das westliche Bankensystem. Sind hier Liquiditätsprobleme auch, oder sind hier Probleme für die deutschen Banken z.B. für die westeuropäischen Banken zu befürchten?
Flassbeck: Na ja, es wird schon eine Reihe von Problemen geben, gerade spanische Banken sind sehr stark investiert in Argentinien, aber auch viele Privatleute haben hohe argentinische Fonds zu sehr hohen Zinsen gekauft und sie werden diese Zinsen nicht bekommen - sie werden Glück haben, wenn sie ihr Geld überhaupt, also ihre Einlage, zurückbekommen. Vielleicht nicht einmal das, aber ich meine dieses Risiko musste man eingehen. Wer glaubte, Argentinien kann auf Dauer 13 Prozent Dollarzinsen zahlen, war, kann ich nur sagen, ein ökonomischer Narr. Kein Land der Welt kann auf Dauer 13 Prozent Dollarzinsen bezahlen, weil man 13 Prozent Dollarzinsen einfach nicht verdienen kann. Und wer glaubte, er muss solche wunderbaren Anleihen kaufen, der ist ja nun ein hohes Risiko eingegangen und da kann man nur sagen: Nun hat er Pech gehabt.
Birke: Das war Heiner Flassbeck, der frühere Finanzstaatssekretär und momentane volkswirtschaftliche Berater bei der Unctad in den Informationen am Mittag. Vielen Dank, auf Wiederhören.
