Die Rompilger kehren heim, es sind schon ein paar Stunden auf der Bühne vergangen, da wird man von dieser Essener Inszenierung einmal berührt. Tannhäuser ist schon längst aus Überdruss aus dem Venusberg vor dem Rausch mit der Liebesgöttin geflohen, hat sich auf der Wartburg beim Sängerwettstreit kräftig blamiert mit seinem Bekenntnis zur sinnlichen Liebe, ist von seiner angebeteten Elisabeth vor der Wut der Sänger in Schutz genommen worden und hat sich zur Buße auf nach Rom gemacht.
Und nun überraschen uns Regisseur Hans Neuenfels und sein Bühnenbildner Reinhard von der Thannen mit Wolfram von Eschenbachs Lied an den "lieblichen" Abendstern, der das "schwärzliche Gewand" der Nacht erhellt. Unerwartet tritt Wolfram als Nervenarzt einer Psychiatrie auf. Ruhig, beruhigend, fürsorglich geht er zwischen den angstvollen, depressiven, gequälten Kranken hindurch, legt ihnen seine Hand auf und singt sie in den ersehnten Schlaf.
Warum Neuenfels und von der Thannen diese Szenerie gewählt haben, wird später plausibel. Im Augenblick zaubern sie jedenfalls einen Moment großer Menschlichkeit, den der Wolframsänger Heiko Trinsinger mit weichem lyrischen Bariton und starker darstellerischer Präsenz singt. Doch kaum ist der letzte Reim verklungen, zerschlägt Neuenfels das Bild. Wolfram muss das rüde Pflegepersonal auf die Patienten loslassen.
Und das ist auch das Problem dieser Inszenierung: Neuenfels traut den Figuren nicht, er traut niemandem, auch nicht der Musik. Wagner ist für ihn vor allem hohles Gequatsche. Vielleicht hat er deswegen in seiner langen Karriere mit diesem "Tannhäuser" nach den "Meistersingern" in Stuttgart erst zum zweiten Mal eine Wagnerkomposition inszeniert.
Die anmutige Elena Zhidkova als Venus hatte eine farbreiche, aber für diese Partie etwas zu kleine Stimme. Der klare und kräftige Tenor von Scott MacAllister als Tannhäuser beschied einem das seltene Glück, jedes Wort zu verstehen. Verkleidet hat ihn Neuenfels als jungen Richard Wagner, der in die weite Welt, ins freie Denken der Jungdeutschen zieht. Darum ist der Venusberg in Essen keine Lasterhöhle, sondern eher ein mondäner Salon, in dem der geflügelte Geist neue Ideenräume durchmisst, inklusive Schwarzer Messe.
Gefiederte Statisten flattern in ganzen Schwärmen herum. Damit wir Zuschauer auch kapieren, dass uns der Regisseur wegführen möchte vom üblichen Geist-Körper-Antagonismus der Tannhäuser-Deutung, hat er schon während der Ouvertüre Weisheiten von in die Weite stürmenden wilden Fohlen projiziert. Wenn Tannhäuser dann in die Wartburgwelt zurückkehrt, kann auf ihn in Neuenfels Augen nur eine bigotte Welt von Hurenböcken warten. Playboy-Häschen werden vom Landgrafen, von Walther von der Vogelweide und Wolfram abgeknallt und flachgelegt.
Und um klarzumachen, wie verlogen die ganze Gesellschaft ist, wird im zweiten Aufzug beim Sängerfest ein lustiger Bilderpopanz aufgefahren: Unter dem Förderturm der Zeche Zollverein erstrahlt Schloss Neuschwanstein, König Ludwig wickelt den einstigen Revolutionär Wagner um den Finger, hustende Bergarbeiter stehen Spalier wie dumme Schafe an der moralischen Leine von Kapital und Adel. Von dieser Diskreditierungswut bleibt auch Elisabeth nicht verschont. Sie opfert ihr Leben für Tannhäuser nicht aus Selbstlosigkeit, sondern aus Selbstsucht: Mit Lilien im Arm stilisiert sie sich zur Gottesmutter und bewundert sich dabei narzisstisch im Spiegel.
Danielle Halbwachs sang die Elisabeth geschmeidig und in warmen Tönen. Stefan Soltesz und seine Essener Philharmoniker musizierten nicht so sicher wie üblich. Vielleicht verzichteten sie auf Üppigkeit, um der Inszenierung entgegenzukommen. Eine Inszenierung, die alles dem Klamauk opfert und die Sekunde der wahren Empfindung fast immer verweigert.
Und nun überraschen uns Regisseur Hans Neuenfels und sein Bühnenbildner Reinhard von der Thannen mit Wolfram von Eschenbachs Lied an den "lieblichen" Abendstern, der das "schwärzliche Gewand" der Nacht erhellt. Unerwartet tritt Wolfram als Nervenarzt einer Psychiatrie auf. Ruhig, beruhigend, fürsorglich geht er zwischen den angstvollen, depressiven, gequälten Kranken hindurch, legt ihnen seine Hand auf und singt sie in den ersehnten Schlaf.
Warum Neuenfels und von der Thannen diese Szenerie gewählt haben, wird später plausibel. Im Augenblick zaubern sie jedenfalls einen Moment großer Menschlichkeit, den der Wolframsänger Heiko Trinsinger mit weichem lyrischen Bariton und starker darstellerischer Präsenz singt. Doch kaum ist der letzte Reim verklungen, zerschlägt Neuenfels das Bild. Wolfram muss das rüde Pflegepersonal auf die Patienten loslassen.
Und das ist auch das Problem dieser Inszenierung: Neuenfels traut den Figuren nicht, er traut niemandem, auch nicht der Musik. Wagner ist für ihn vor allem hohles Gequatsche. Vielleicht hat er deswegen in seiner langen Karriere mit diesem "Tannhäuser" nach den "Meistersingern" in Stuttgart erst zum zweiten Mal eine Wagnerkomposition inszeniert.
Die anmutige Elena Zhidkova als Venus hatte eine farbreiche, aber für diese Partie etwas zu kleine Stimme. Der klare und kräftige Tenor von Scott MacAllister als Tannhäuser beschied einem das seltene Glück, jedes Wort zu verstehen. Verkleidet hat ihn Neuenfels als jungen Richard Wagner, der in die weite Welt, ins freie Denken der Jungdeutschen zieht. Darum ist der Venusberg in Essen keine Lasterhöhle, sondern eher ein mondäner Salon, in dem der geflügelte Geist neue Ideenräume durchmisst, inklusive Schwarzer Messe.
Gefiederte Statisten flattern in ganzen Schwärmen herum. Damit wir Zuschauer auch kapieren, dass uns der Regisseur wegführen möchte vom üblichen Geist-Körper-Antagonismus der Tannhäuser-Deutung, hat er schon während der Ouvertüre Weisheiten von in die Weite stürmenden wilden Fohlen projiziert. Wenn Tannhäuser dann in die Wartburgwelt zurückkehrt, kann auf ihn in Neuenfels Augen nur eine bigotte Welt von Hurenböcken warten. Playboy-Häschen werden vom Landgrafen, von Walther von der Vogelweide und Wolfram abgeknallt und flachgelegt.
Und um klarzumachen, wie verlogen die ganze Gesellschaft ist, wird im zweiten Aufzug beim Sängerfest ein lustiger Bilderpopanz aufgefahren: Unter dem Förderturm der Zeche Zollverein erstrahlt Schloss Neuschwanstein, König Ludwig wickelt den einstigen Revolutionär Wagner um den Finger, hustende Bergarbeiter stehen Spalier wie dumme Schafe an der moralischen Leine von Kapital und Adel. Von dieser Diskreditierungswut bleibt auch Elisabeth nicht verschont. Sie opfert ihr Leben für Tannhäuser nicht aus Selbstlosigkeit, sondern aus Selbstsucht: Mit Lilien im Arm stilisiert sie sich zur Gottesmutter und bewundert sich dabei narzisstisch im Spiegel.
Danielle Halbwachs sang die Elisabeth geschmeidig und in warmen Tönen. Stefan Soltesz und seine Essener Philharmoniker musizierten nicht so sicher wie üblich. Vielleicht verzichteten sie auf Üppigkeit, um der Inszenierung entgegenzukommen. Eine Inszenierung, die alles dem Klamauk opfert und die Sekunde der wahren Empfindung fast immer verweigert.