Diesen Kurswechsel trägt prinzipiell auch die Opposition mit, übt aber an der Ausgestaltung erhebliche Kritik. Erzwungen wurde die Reform durch zwei entscheidende Faktoren: Die - auch im internationalen Vergleich der Industrienationen - absolut niedrige deutsche Geburtenrate und die ansonsten erfreuliche, stetige Zunahme der Lebenserwartung. Im Klartext bedeutet das: Die Renten müssen immer länger bezahlt werden. Damit steigen die Ausgaben, gleichzeitig aber sinken die Einnahmen, weil die Zahl der erwerbsfähigen Beitragszahler aufgrund der Bevölkerungsentwicklung parallel sinkt. Das gefährdet das Umlageverfahren und würde in 30 Jahren Beitragssätze bis zu 26 Prozent und mehr erfordern.
Das aber ist den Beitragszahlern, vor allem aber der Wirtschaft aus Wettbewerbsgründen nicht zumutbar. Immerhin zahlen die Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge, während sie an der Privatvorsorge nicht automatisch beteiligt werden. Professor Bert Rürup, Mitglied im Sozialbeirat der Bundesregierung, erläutert einen weiteren wichtigen Vorteil der kapitalgedeckten Altersvorsorge:
Das Umlageverfahren auf dem unsere Sozialversicherung basiert vertraut auf die Stabilität der nationalen Lohn- und Erwerbseinkommen. Das Kapitaldeckungsverfahren dagegen vertraut auf die Stabilität und Ergiebigkeit der nationalen und internationalen Kapitalmärkte und der große Unterschied zwischen Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren ist, das Kapitaldeckungsverfahren kann man exportieren, dass heißt man kann auch ausländische Wertschöpfung zur Finanzierung der heimischen Renten herannehmen, und das bedeutet, dass kapitalgedeckte Renten etwas weniger sensibel auf nationale Beschäftigungsschwankung und nationale demografische Verwerfung legen, und deswegen ist es richtig, dass aus Gründen der Risikoverteilung eigentlich ein gutes Alterssicherungssystem auch immer ein mischfinanziertes System ist.
Das also gilt ab kommendem Jahr. Schon in Kraft ist der rentenrechtliche Teil der Reform mit der neuen Rentenformel, die das Rentenniveau senkt, sowie die Neuordnung der Hinterbliebenversorgung mit empfindlichen Kürzungen für Witwen. Dazu zählen die Absenkung der Hinterbliebenenversorgung von 60 auf 55 Prozent sowie eine höhere Anrechnung sonstiger Einkommen. Das greift allerdings erst in 25 Jahren. Denn es gilt nur für Ehepaare, die heute jünger sind als 40 Jahre. Bestehende Witwenrenten sind ohnehin nicht betroffen. Die Witwenrenten aber waren bis zuletzt ein Hauptangriffspunkt der Opposition.
Erst in dieser Woche besserte die rot-grüne Bundesregierung im Vermittlungsausschuss entscheidend nach, indem sie die Freibeträge für die Anrechnung sonstiger Einkünfte dynamisierte und die Kindererziehungsleistungen pro Kind auf einhundert Mark verdoppelte. Arbeitsminister Walter Riester betont, damit könne man:
...bei einem Kind schon sicher stellen, dass der Witwenrentenbezug höher ist als heute und bei zwei oder mehr deutlich höher ist.
Das allerdings reichte der Union nicht zur Zustimmung. Sie macht vor allem Bedenken gegen die Ausgestaltung der Privatvorsorge geltend. Auch die Einbeziehung des Wohneigentums - eine zweite zentrale Forderung der Union - ist aus Sicht der Opposition misslungen. Außer Bremen stimmten aber die Großen Koalitionen in Berlin und Brandenburg zu - wohl auch deshalb, weil sie eintausend neue Arbeitsplätze zur bundesweiten Verwaltung der geförderten Privatvorsorge erhalten. Der bayerische Staatskanzleichef Erwin Huber klagt denn auch:
...dass man nicht von der Sache her Überzeugungsarbeit leisten will, von Seiten Rot-Grün, sondern das man eben auch die Mittel einsetzt, wir haben das ähnlich bei der Steuerreform erlebt, aber wie bei der Steuerreform wird man auch bei dieser Reform sehen, dass es nicht weit trägt.
Dem widerspricht Bundeskanzler Gerhard Schröder energisch. Berlin und Brandenburg hätten bereits Verwaltungen der Rentenversicherung. Bei denen sollte sowieso ein Teil der staatlichen Aufsicht über die Privatvorsorge angesiedelt werden:
Was diese Stellen angeht ist es einfach vernünftig, unabhängig jetzt von Wirkungen, die damit erzielt werden sollten oder nicht, das dort zu machen, das lag nahe, aus betriebswirtschaftlichen Gründen, in sofern gab es keine Versprechungen, und auch keine Angebote, die großen Koalitionen haben aus der Sache heraus entschieden.
Das nun sind die Einzelheiten des heute verabschiedeten Altersvermögensgesetzes: In den Jahren 2002 bis 2008 wird die geförderte kapitalgedeckte private Altersvorsorge in vier Schritten eingeführt. Alle zwei Jahre steigert sich die Sparsumme um ein Prozent vom Bruttolohn des vorangegangenen Jahres. Entsprechend erhöht sich auch die Förderung. In der Endstufe beträgt die Prämie also monatlich vier Prozent vom Bruttolohn. Das fördert dann der Staat mit gut 20 Milliarden Mark über Zulagen beziehungsweise Steuervorteile. Die Eigenbeiträge müssen nicht versteuert werden. Die daraus später gezahlte Privatrente unterliegt allerdings der Steuer.
In den Genuss der staatlichen Förderung kommen alle, die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen, aber auch jene, die im Erziehungsurlaub sind, Behinderte in Werkstätten, Pflegepersonen, Wehr- und Zivildienstleistende sowie Bezieher von Arbeitslosen- und Krankengeld oder Arbeitslosenhilfe. Bei Ehepaaren, von denen mindestens ein Partner rentenversichert ist, können für beide Verträge über private Zusatzrenten abgeschlossen und gefördert werden. Ausgeschlossen sind Beamte und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, Richter, Soldaten, Selbständige, die eine eigene Privatvorsorge aufbauen, "Freiwillig Versicherte" sowie die überwiegende Zahl der 630-Mark-Jobber.
Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sollen allerdings einbezogen werden, sobald ihre Altersversorgung entsprechend den Bestimmungen für die Rente gekürzt worden ist. Das soll demnächst passieren. Die Rentenkürzungen werden also auf die Pensionen und die Zusatzversorgung der Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes übertragen. Die private Altersvorsorge muss aber bestimmte Kriterien erfüllen. Dazu gehört, dass die Leibrenten nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres, dann aber bis zum Lebensende ausgezahlt werden. Die Versicherungs-Leistung muss mindestens die Höhe der Beiträge umfassen. Die Einzahlungen in die Privatrente dürfen während der Ansparphase nicht gepfändet oder mit Sozial- und Arbeitslosenhilfe verrechnet werden.
Gefördert werden nur Anlagen, die diese Kriterien erfüllen. Das können private Rentenverträge, Fonds- und Banksparpläne oder verschiedene Modelle betrieblicher Altersvorsorge sein. Sämtliche Angebote müssen zertifiziert sein - also darauf geprüft, dass sie alle Bedingungen erfüllen, damit man in den Genuss der staatlichen Förderung kommt. Auch bereits bestehende private Rentenverträge oder Lebensversicherungen können in die Förderung einbezogen werden, wenn sie kriteriengerecht umgestaltet werden. Viele Versicherungen dürften dazu bereit sein. Deshalb müssen nicht unbedingt Neuverträge für die private, staatliche geförderte Zusatzversorgung abgeschlossen werden.
Die angesparten Beiträge zur privaten Altersversorgung können vorübergehend auch zum Erwerb selbst genutzten Wohneigentums verwendet werden. Beträge zwischen 20.000 und 100.000 Mark können zu diesem Zweck entnommen werden. Das ist praktisch ein zinsloses Darlehen an sich selber. Man muss das Geld aber bis zum 65. Lebensjahr in monatlichen Raten zurückzahlen, um die eigene Altersversorgung nicht zu gefährden. Diese Entnahme für Wohneigentum setzt natürlich voraus, dass vorher jahrelang in die Privatvorsorge eingezahlt wurde. Jungen Arbeitnehmern hilft das also überhaupt nicht. Für die Union ist die Einbeziehung des Wohneigentums deshalb keine akzeptable Lösung, wie ihre stellvertretende Fraktionsvorsitzende Maria Böhmer klar macht:
Das, was jetzt heraus gekommen ist als Kompromiss, benachteiligt diejenigen, die geringere Einkommen haben, denn sie müssen doppelt zahlen, für die Anlage in der privaten Vorsorge und dann, wenn sie die finanziellen Mittel, die sie ja selbst eingezahlt haben, herausnehmen, müssen sie diese auch rückerstatten, das ist eine doppelte Belastung.
Die staatliche Förderung ist ebenfalls kompliziert. Es gibt eine Grund-Zulage, eine Kinder-Zulage und - vor allem für Besserverdienende - noch einen steuerlichen Sonderausgabenabzug. In der ersten Stufe 2002 beträgt die Grundzulage rund 75 Mark und steigt dann bis 2008 in drei weiteren Stufen um jeweils 75 Mark auf 300 Mark. Die Kinderzulage beginnt mit 90 Mark und erhöht sich in dem Sechs-Jahres-Zeitraum auf 360 Mark. Vor allem bei mehren Kindern oder geringem Einkommen könnten die Zulagen sogar höher sein als die einzuzahlenden vier Prozent vom Bruttoeinkommen. Deshalb wurden Mindesteigenbeiträge festgelegt. Sie betragen in der Endstufe monatlich knapp 15 Mark für Kinderlose, bei einem Kind sind es 12 Mark und bei zwei und mehr Kindern 10 Mark. Die Kinderzulage wird nur gewährt, solange auch Kindergeld bezahlt wird.
Unabhängig von diesen Zulagen kann man künftig die eigenen Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgabenabzug steuerlich geltend machen. In der Endstufe 2008 sind es 4.107 Mark. Übersteigt die Steuerersparnis die staatlichen Zulagen für die private Altersvorsorge, wird die Differenz dem Steuerpflichtigen gutgeschrieben. Das können - abhängig von der Kinderzahl - bei einem Spitzeneinkommen von 200.000 Mark brutto bis zu 1.650 Mark im Jahr Ersparnis sein. Unsozial nennt das die Opposition. CDU/CSU-Chefunterhändler Horst Seehofer:
Eine alleinstehende Verkäuferin kriegt nach Zulage von Herrn Riester im Endstadium von 25 Mark, ihr Chef, der 8000 Mark verdient kriegt eine Steuerbefreiung von 130 Mark. Der Chef der Verkäuferin wird fünf mal stärker gefördert, und diese soziale Schieflage muss korrigiert werden, Herr Riester, das kann nicht dabei bleiben.
Dagegen betont Arbeitsminister Riester die familienfreundliche Förderung. Er rechnet das Beispiel eines Ehepaares mit zwei Kindern und 50.000 Mark Jahresbrutto vor:
Für den Vater 300 Mark, für die Mutter 300 Mark, für jedes Kind 360 Mark das sind 1320 Mark bei einer gesamt Sparleistung von 2000 Mark, also nur 680 Mark werden selbst eingebracht, alles andere wird durch staatliche Förderung unterstützt.
Die Angebote von Versicherungen-, Banken und Fonds haben Nachteile: Frauen erhalten wegen ihrer längeren Lebenserwartung geringere Privatrenten ausgezahlt, ein Schutz gegen Berufsunfähigkeit und Invalidität fehlt meist ebenso wie eine Hinterbliebenenversorgung. Dafür müssen Prämienaufschläge gezahlt werden, wenn man diese Vorteile haben will. Und vor allem: Wer lange arbeitslos oder krank ist, muss bei Finanzproblemen seine Privatversicherung beitragsfrei stellen, erhält dann auch keine Förderung. Der Chef der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Herbert Rische, warnt deshalb:
Müssen wir uns nicht die Frage stellen, dass zunehmend Situationen entstehen werden, wo die Solidargemeinschaft sagen muss, die müssen wir wie auch immer überbrücken, wenn wir dies nicht auch in einem kapitalgedeckten System verankern, dann wird da die Rendite schnell gegen Null tendieren, denn ein wesentlicher Faktor ist ja hier auch eine stetige Zahlung.
Besonders attraktiv ist nach Ansicht der meisten Experten deshalb die Wahl einer betrieblichen Altersversorgung - auch wenn sie gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit nicht schützt. Aber sie hat gegenüber Produkten der Banken, Versicherungen und Fonds erhebliche Vorteile, wie Rentenpapst Rürup erläutert:
Sie hätten von vornherein ein mit den Sozialrenten vergleichbares Leistungsspektrum, sie würden ein deutlich niedrigeren gesetzgeberischen und administrativen Aufwand erfordern, und, da die bestehenden Durchführungswege benutzt werden können, wäre zumindest die optische Finanzierungsparität gewährleistet.
Die Bundesregierung hat deshalb auf Drängen der Gewerkschaften und der SPD-Linken die Rahmenbedingungen für die betriebliche Altersversorgung verbessert und die wichtigsten Formen ausdrücklich in die Förderung einbezogen. So gibt es in Zukunft einen individuellen Anspruch auf Entgeltumwandlung. Einbezogen sind in die Förderung auch Unterstützungskassen, Pensionsfonds und Pensionskassen. Viele Gewerkschaften haben oder planen Tarifverträge über betriebliche Altersversorgung, so dass die Angebote steigen werden. Es dürfte sich lohnen, deshalb mit dem Abschluss von Privatrentenverträgen noch zu warten.
Was bringt nun die Privatvorsorge in Mark und Pfennig und was kostet sie? Wer 30 Jahre einzahlt - also heute 30 bis 35 Jahre alt ist - erhält bei einem Durchschnittseinkommen von 60.000 Mark brutto eine Zusatzrente von voraussichtlich 1.130 Mark. Bei 40.000 Mark Verdienst gibt es 751 Mark, bei 120.000 Mark sind es bereits 2.252 Mark Privatrente. Je älter man ist, umso weniger kann man ansparen, umso geringer ist also die Zusatzversorgung. Ein Einstieg in die Privatvorsorge ab dem 55. Lebensjahr rechnet sich trotz staatlicher Förderung nicht mehr.
Das Ergebnis der Gesamtreform - Absenkung des Rentenniveaus und Aufbau der Privatvorsorge - ist schwer ermittelbar. Das offizielle Rentenniveau soll von jetzt 69,1 Prozent nicht unter 68 Prozent bis zum Jahr 2030 sinken. Da sich aber die Bemessungsgrundlage ändert, sind es nach bisheriger Berechnung tatsächlich nur gut 64 Prozent, was die Union stets bemängelt hat. CDU-Chefin Angela Merkel:
Sie gaukeln den Menschen vor, dass sie 67 oder 68 Prozent erreichen; sagen Ihnen aber nicht, dass das bezogen ist auf ein ganz anderes Lohnniveau und das sagen wir, ist Trickserei, Fälschung und Täuschung.
Die Absenkung des Rentenniveaus wird erreicht durch eine Umstellung der Rentenformel auf die Bruttolohnentwicklung. Damit wirken sich Steuererleichterungen oder Kindergelderhöhungen nicht mehr positiv auf die Rentenanpassungen aus. Zusätzlich verringern sich die Rentenerhöhungen ab 2003 um die vier Prozent, die Arbeitnehmer in die Privatrente einzahlen müssen. Das sind jährlich bis einschließlich 2010 jeweils ein halber Prozentpunkt Abzug bei den Rentenanpassungen. Anschließend ab 2011 greift dann eine Art Demografiefaktor. Er kürzt die jährlichen Rentenerhöhungen um zehn Prozent.
Sollte das Rentenniveau unter 67 Prozent nach neuer Berechnungs-Grundlage, bzw. 64 Prozent nach alter Rechnung, sinken, muss der Gesetzgeber eingreifen. Dasselbe gilt, wenn die Beitragssätze langfristig 22 Prozent überschreiten sollten. Denkbar wären dann zum Beispiel eine Erhöhung des Bundeszuschusses oder eine Anhebung des Renteneintrittsalters über das 65. Lebensjahr hinaus.
Ein Durchschnittsverdiener mit 45 Beitragsjahren, der nächstes Jahr mit der Privatvorsorge beginnt, landet im Jahr 2030 bei einem Alterseinkommen, das 76 Prozent seines früheren durchschnittlichen Nettoverdienstes erreicht - die Privatrente schon eingerechnet. Bereinigt um die statistischen Effekte sind es nur 72 Prozent - und damit minimal mehr als ein vergleichbarer Rentner heute ohne Privatvorsorge hat.
Das soll nichts gegen die Zusatzrente sagen. Denn ohne sie liegt das Rentenniveau nur bei jenen 64 Prozent. Die aber erreicht kaum noch jemand, weil 45 Arbeitsjahre die große Ausnahme sind. Allerdings kommt auf junge Arbeitnehmer nicht nur die Belastung aus den Prämien für die private Altersvorsorge zu. Nach dem Jahr 2020 wird der Beitragssatz von jetzt 19 auf 22 Prozent im Jahr 2030 ansteigen. Manche Experten und die Opposition behaupten, hier habe die Regierung zu optimistisch gerechnet. Die FDP-Sozialexpertin Irmgard Schwätzer:
Beitragssätze von 24 Prozent sind wahrscheinlich und das, meine Damen und Herren, ist zu hoch, das können Sie der jungen Generation nicht zumuten. Vor allen Dingen dann nicht, wenn sie ihnen zusätzlich noch den Beitrag zur privaten Altersvorsorge abverlangen und damit bei Beitragssätzen von 28 Prozent landen.
Und schließlich zahlen wir alle über die Öko-Steuer einen Extra-Beitrag für die Rentenversicherung. Den hat Frau Schwätzer noch gar nicht eingerechnet. Seehofers Fazit lautet:
Deshalb ist für alle, die heute 20, 40 und 30 Jahre alt sind, mit dieser Rentenreform verbunden, dass sie jedes Jahr in die gesetzliche Rente mehr einbezahlen und aus dieser gesetzlichen Rente immer weniger bekommen.
Natürlich sieht das Minister Riester anders. Er rechnet allerdings Sozialrente und Privatrente zusammen und kommt dann zu folgendem Ergebnis:
Ich freue mich, dass wir mit dem Abschluss dieser Reform wieder eines deutlich machen können, dass mit dem Begriff der Reform auch verbunden wird, dass es nach der Reform den Menschen besser geht wie vor der Reform.
Trotzdem dürfte Altersarmut wegen steigender Langzeitarbeitslosigkeit vor allem im Osten steigen. Deshalb wurde heute auch eine Grundsicherung beschlossen. Sie gilt ab dem 65. Lebensjahr und für alle ab dem 18. Lebensjahr, die aus medizinischen Gründen voll erwerbsunfähig sind. Der wesentliche Unterschied zur Sozialhilfe ist, dass die Rentenversicherung das weitgehend automatisch erledigt. Zudem holt sich das Sozialamt die Sozialhilfe nicht von Kindern oder Eltern zurück. Verschämte Altersarmut, weil Rentner und Rentnerinnen ihre Kinder nicht belasten wollen und deshalb den Gang zum Sozialamt scheuen, soll so vermieden werden.
So kommt der Kanzler zu dem Ergebnis, die ganze Bevölkerung sei Gewinner der Reform - insbesondere aber der Arbeitsminister selber:
Gewinner ist auch der Bundesarbeitsminister Walter Riester, der mit großer Entschiedenheit und gegen viele Wiederstände und manchmal auch gegen eine nicht nur sachliche Betrachtung ein wirklich großes Reformwerk durchgesetzt hat, und das ist das historisch Neue, das Dach, das Rente heißt, das Menschen bewusst schützen soll jetzt auf zwei Säulen steht, die einander ergänzen, nicht ersetzen, deswegen ist das, was der Bundesarbeitsminister ins Werk gebracht hat, eine der wirklich historischen Reformen.
Das war dem sonst so selbstsicheren Arbeitsminister ganz offensichtlich peinlich.
Das aber ist den Beitragszahlern, vor allem aber der Wirtschaft aus Wettbewerbsgründen nicht zumutbar. Immerhin zahlen die Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge, während sie an der Privatvorsorge nicht automatisch beteiligt werden. Professor Bert Rürup, Mitglied im Sozialbeirat der Bundesregierung, erläutert einen weiteren wichtigen Vorteil der kapitalgedeckten Altersvorsorge:
Das Umlageverfahren auf dem unsere Sozialversicherung basiert vertraut auf die Stabilität der nationalen Lohn- und Erwerbseinkommen. Das Kapitaldeckungsverfahren dagegen vertraut auf die Stabilität und Ergiebigkeit der nationalen und internationalen Kapitalmärkte und der große Unterschied zwischen Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren ist, das Kapitaldeckungsverfahren kann man exportieren, dass heißt man kann auch ausländische Wertschöpfung zur Finanzierung der heimischen Renten herannehmen, und das bedeutet, dass kapitalgedeckte Renten etwas weniger sensibel auf nationale Beschäftigungsschwankung und nationale demografische Verwerfung legen, und deswegen ist es richtig, dass aus Gründen der Risikoverteilung eigentlich ein gutes Alterssicherungssystem auch immer ein mischfinanziertes System ist.
Das also gilt ab kommendem Jahr. Schon in Kraft ist der rentenrechtliche Teil der Reform mit der neuen Rentenformel, die das Rentenniveau senkt, sowie die Neuordnung der Hinterbliebenversorgung mit empfindlichen Kürzungen für Witwen. Dazu zählen die Absenkung der Hinterbliebenenversorgung von 60 auf 55 Prozent sowie eine höhere Anrechnung sonstiger Einkommen. Das greift allerdings erst in 25 Jahren. Denn es gilt nur für Ehepaare, die heute jünger sind als 40 Jahre. Bestehende Witwenrenten sind ohnehin nicht betroffen. Die Witwenrenten aber waren bis zuletzt ein Hauptangriffspunkt der Opposition.
Erst in dieser Woche besserte die rot-grüne Bundesregierung im Vermittlungsausschuss entscheidend nach, indem sie die Freibeträge für die Anrechnung sonstiger Einkünfte dynamisierte und die Kindererziehungsleistungen pro Kind auf einhundert Mark verdoppelte. Arbeitsminister Walter Riester betont, damit könne man:
...bei einem Kind schon sicher stellen, dass der Witwenrentenbezug höher ist als heute und bei zwei oder mehr deutlich höher ist.
Das allerdings reichte der Union nicht zur Zustimmung. Sie macht vor allem Bedenken gegen die Ausgestaltung der Privatvorsorge geltend. Auch die Einbeziehung des Wohneigentums - eine zweite zentrale Forderung der Union - ist aus Sicht der Opposition misslungen. Außer Bremen stimmten aber die Großen Koalitionen in Berlin und Brandenburg zu - wohl auch deshalb, weil sie eintausend neue Arbeitsplätze zur bundesweiten Verwaltung der geförderten Privatvorsorge erhalten. Der bayerische Staatskanzleichef Erwin Huber klagt denn auch:
...dass man nicht von der Sache her Überzeugungsarbeit leisten will, von Seiten Rot-Grün, sondern das man eben auch die Mittel einsetzt, wir haben das ähnlich bei der Steuerreform erlebt, aber wie bei der Steuerreform wird man auch bei dieser Reform sehen, dass es nicht weit trägt.
Dem widerspricht Bundeskanzler Gerhard Schröder energisch. Berlin und Brandenburg hätten bereits Verwaltungen der Rentenversicherung. Bei denen sollte sowieso ein Teil der staatlichen Aufsicht über die Privatvorsorge angesiedelt werden:
Was diese Stellen angeht ist es einfach vernünftig, unabhängig jetzt von Wirkungen, die damit erzielt werden sollten oder nicht, das dort zu machen, das lag nahe, aus betriebswirtschaftlichen Gründen, in sofern gab es keine Versprechungen, und auch keine Angebote, die großen Koalitionen haben aus der Sache heraus entschieden.
Das nun sind die Einzelheiten des heute verabschiedeten Altersvermögensgesetzes: In den Jahren 2002 bis 2008 wird die geförderte kapitalgedeckte private Altersvorsorge in vier Schritten eingeführt. Alle zwei Jahre steigert sich die Sparsumme um ein Prozent vom Bruttolohn des vorangegangenen Jahres. Entsprechend erhöht sich auch die Förderung. In der Endstufe beträgt die Prämie also monatlich vier Prozent vom Bruttolohn. Das fördert dann der Staat mit gut 20 Milliarden Mark über Zulagen beziehungsweise Steuervorteile. Die Eigenbeiträge müssen nicht versteuert werden. Die daraus später gezahlte Privatrente unterliegt allerdings der Steuer.
In den Genuss der staatlichen Förderung kommen alle, die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen, aber auch jene, die im Erziehungsurlaub sind, Behinderte in Werkstätten, Pflegepersonen, Wehr- und Zivildienstleistende sowie Bezieher von Arbeitslosen- und Krankengeld oder Arbeitslosenhilfe. Bei Ehepaaren, von denen mindestens ein Partner rentenversichert ist, können für beide Verträge über private Zusatzrenten abgeschlossen und gefördert werden. Ausgeschlossen sind Beamte und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, Richter, Soldaten, Selbständige, die eine eigene Privatvorsorge aufbauen, "Freiwillig Versicherte" sowie die überwiegende Zahl der 630-Mark-Jobber.
Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sollen allerdings einbezogen werden, sobald ihre Altersversorgung entsprechend den Bestimmungen für die Rente gekürzt worden ist. Das soll demnächst passieren. Die Rentenkürzungen werden also auf die Pensionen und die Zusatzversorgung der Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes übertragen. Die private Altersvorsorge muss aber bestimmte Kriterien erfüllen. Dazu gehört, dass die Leibrenten nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres, dann aber bis zum Lebensende ausgezahlt werden. Die Versicherungs-Leistung muss mindestens die Höhe der Beiträge umfassen. Die Einzahlungen in die Privatrente dürfen während der Ansparphase nicht gepfändet oder mit Sozial- und Arbeitslosenhilfe verrechnet werden.
Gefördert werden nur Anlagen, die diese Kriterien erfüllen. Das können private Rentenverträge, Fonds- und Banksparpläne oder verschiedene Modelle betrieblicher Altersvorsorge sein. Sämtliche Angebote müssen zertifiziert sein - also darauf geprüft, dass sie alle Bedingungen erfüllen, damit man in den Genuss der staatlichen Förderung kommt. Auch bereits bestehende private Rentenverträge oder Lebensversicherungen können in die Förderung einbezogen werden, wenn sie kriteriengerecht umgestaltet werden. Viele Versicherungen dürften dazu bereit sein. Deshalb müssen nicht unbedingt Neuverträge für die private, staatliche geförderte Zusatzversorgung abgeschlossen werden.
Die angesparten Beiträge zur privaten Altersversorgung können vorübergehend auch zum Erwerb selbst genutzten Wohneigentums verwendet werden. Beträge zwischen 20.000 und 100.000 Mark können zu diesem Zweck entnommen werden. Das ist praktisch ein zinsloses Darlehen an sich selber. Man muss das Geld aber bis zum 65. Lebensjahr in monatlichen Raten zurückzahlen, um die eigene Altersversorgung nicht zu gefährden. Diese Entnahme für Wohneigentum setzt natürlich voraus, dass vorher jahrelang in die Privatvorsorge eingezahlt wurde. Jungen Arbeitnehmern hilft das also überhaupt nicht. Für die Union ist die Einbeziehung des Wohneigentums deshalb keine akzeptable Lösung, wie ihre stellvertretende Fraktionsvorsitzende Maria Böhmer klar macht:
Das, was jetzt heraus gekommen ist als Kompromiss, benachteiligt diejenigen, die geringere Einkommen haben, denn sie müssen doppelt zahlen, für die Anlage in der privaten Vorsorge und dann, wenn sie die finanziellen Mittel, die sie ja selbst eingezahlt haben, herausnehmen, müssen sie diese auch rückerstatten, das ist eine doppelte Belastung.
Die staatliche Förderung ist ebenfalls kompliziert. Es gibt eine Grund-Zulage, eine Kinder-Zulage und - vor allem für Besserverdienende - noch einen steuerlichen Sonderausgabenabzug. In der ersten Stufe 2002 beträgt die Grundzulage rund 75 Mark und steigt dann bis 2008 in drei weiteren Stufen um jeweils 75 Mark auf 300 Mark. Die Kinderzulage beginnt mit 90 Mark und erhöht sich in dem Sechs-Jahres-Zeitraum auf 360 Mark. Vor allem bei mehren Kindern oder geringem Einkommen könnten die Zulagen sogar höher sein als die einzuzahlenden vier Prozent vom Bruttoeinkommen. Deshalb wurden Mindesteigenbeiträge festgelegt. Sie betragen in der Endstufe monatlich knapp 15 Mark für Kinderlose, bei einem Kind sind es 12 Mark und bei zwei und mehr Kindern 10 Mark. Die Kinderzulage wird nur gewährt, solange auch Kindergeld bezahlt wird.
Unabhängig von diesen Zulagen kann man künftig die eigenen Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgabenabzug steuerlich geltend machen. In der Endstufe 2008 sind es 4.107 Mark. Übersteigt die Steuerersparnis die staatlichen Zulagen für die private Altersvorsorge, wird die Differenz dem Steuerpflichtigen gutgeschrieben. Das können - abhängig von der Kinderzahl - bei einem Spitzeneinkommen von 200.000 Mark brutto bis zu 1.650 Mark im Jahr Ersparnis sein. Unsozial nennt das die Opposition. CDU/CSU-Chefunterhändler Horst Seehofer:
Eine alleinstehende Verkäuferin kriegt nach Zulage von Herrn Riester im Endstadium von 25 Mark, ihr Chef, der 8000 Mark verdient kriegt eine Steuerbefreiung von 130 Mark. Der Chef der Verkäuferin wird fünf mal stärker gefördert, und diese soziale Schieflage muss korrigiert werden, Herr Riester, das kann nicht dabei bleiben.
Dagegen betont Arbeitsminister Riester die familienfreundliche Förderung. Er rechnet das Beispiel eines Ehepaares mit zwei Kindern und 50.000 Mark Jahresbrutto vor:
Für den Vater 300 Mark, für die Mutter 300 Mark, für jedes Kind 360 Mark das sind 1320 Mark bei einer gesamt Sparleistung von 2000 Mark, also nur 680 Mark werden selbst eingebracht, alles andere wird durch staatliche Förderung unterstützt.
Die Angebote von Versicherungen-, Banken und Fonds haben Nachteile: Frauen erhalten wegen ihrer längeren Lebenserwartung geringere Privatrenten ausgezahlt, ein Schutz gegen Berufsunfähigkeit und Invalidität fehlt meist ebenso wie eine Hinterbliebenenversorgung. Dafür müssen Prämienaufschläge gezahlt werden, wenn man diese Vorteile haben will. Und vor allem: Wer lange arbeitslos oder krank ist, muss bei Finanzproblemen seine Privatversicherung beitragsfrei stellen, erhält dann auch keine Förderung. Der Chef der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Herbert Rische, warnt deshalb:
Müssen wir uns nicht die Frage stellen, dass zunehmend Situationen entstehen werden, wo die Solidargemeinschaft sagen muss, die müssen wir wie auch immer überbrücken, wenn wir dies nicht auch in einem kapitalgedeckten System verankern, dann wird da die Rendite schnell gegen Null tendieren, denn ein wesentlicher Faktor ist ja hier auch eine stetige Zahlung.
Besonders attraktiv ist nach Ansicht der meisten Experten deshalb die Wahl einer betrieblichen Altersversorgung - auch wenn sie gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit nicht schützt. Aber sie hat gegenüber Produkten der Banken, Versicherungen und Fonds erhebliche Vorteile, wie Rentenpapst Rürup erläutert:
Sie hätten von vornherein ein mit den Sozialrenten vergleichbares Leistungsspektrum, sie würden ein deutlich niedrigeren gesetzgeberischen und administrativen Aufwand erfordern, und, da die bestehenden Durchführungswege benutzt werden können, wäre zumindest die optische Finanzierungsparität gewährleistet.
Die Bundesregierung hat deshalb auf Drängen der Gewerkschaften und der SPD-Linken die Rahmenbedingungen für die betriebliche Altersversorgung verbessert und die wichtigsten Formen ausdrücklich in die Förderung einbezogen. So gibt es in Zukunft einen individuellen Anspruch auf Entgeltumwandlung. Einbezogen sind in die Förderung auch Unterstützungskassen, Pensionsfonds und Pensionskassen. Viele Gewerkschaften haben oder planen Tarifverträge über betriebliche Altersversorgung, so dass die Angebote steigen werden. Es dürfte sich lohnen, deshalb mit dem Abschluss von Privatrentenverträgen noch zu warten.
Was bringt nun die Privatvorsorge in Mark und Pfennig und was kostet sie? Wer 30 Jahre einzahlt - also heute 30 bis 35 Jahre alt ist - erhält bei einem Durchschnittseinkommen von 60.000 Mark brutto eine Zusatzrente von voraussichtlich 1.130 Mark. Bei 40.000 Mark Verdienst gibt es 751 Mark, bei 120.000 Mark sind es bereits 2.252 Mark Privatrente. Je älter man ist, umso weniger kann man ansparen, umso geringer ist also die Zusatzversorgung. Ein Einstieg in die Privatvorsorge ab dem 55. Lebensjahr rechnet sich trotz staatlicher Förderung nicht mehr.
Das Ergebnis der Gesamtreform - Absenkung des Rentenniveaus und Aufbau der Privatvorsorge - ist schwer ermittelbar. Das offizielle Rentenniveau soll von jetzt 69,1 Prozent nicht unter 68 Prozent bis zum Jahr 2030 sinken. Da sich aber die Bemessungsgrundlage ändert, sind es nach bisheriger Berechnung tatsächlich nur gut 64 Prozent, was die Union stets bemängelt hat. CDU-Chefin Angela Merkel:
Sie gaukeln den Menschen vor, dass sie 67 oder 68 Prozent erreichen; sagen Ihnen aber nicht, dass das bezogen ist auf ein ganz anderes Lohnniveau und das sagen wir, ist Trickserei, Fälschung und Täuschung.
Die Absenkung des Rentenniveaus wird erreicht durch eine Umstellung der Rentenformel auf die Bruttolohnentwicklung. Damit wirken sich Steuererleichterungen oder Kindergelderhöhungen nicht mehr positiv auf die Rentenanpassungen aus. Zusätzlich verringern sich die Rentenerhöhungen ab 2003 um die vier Prozent, die Arbeitnehmer in die Privatrente einzahlen müssen. Das sind jährlich bis einschließlich 2010 jeweils ein halber Prozentpunkt Abzug bei den Rentenanpassungen. Anschließend ab 2011 greift dann eine Art Demografiefaktor. Er kürzt die jährlichen Rentenerhöhungen um zehn Prozent.
Sollte das Rentenniveau unter 67 Prozent nach neuer Berechnungs-Grundlage, bzw. 64 Prozent nach alter Rechnung, sinken, muss der Gesetzgeber eingreifen. Dasselbe gilt, wenn die Beitragssätze langfristig 22 Prozent überschreiten sollten. Denkbar wären dann zum Beispiel eine Erhöhung des Bundeszuschusses oder eine Anhebung des Renteneintrittsalters über das 65. Lebensjahr hinaus.
Ein Durchschnittsverdiener mit 45 Beitragsjahren, der nächstes Jahr mit der Privatvorsorge beginnt, landet im Jahr 2030 bei einem Alterseinkommen, das 76 Prozent seines früheren durchschnittlichen Nettoverdienstes erreicht - die Privatrente schon eingerechnet. Bereinigt um die statistischen Effekte sind es nur 72 Prozent - und damit minimal mehr als ein vergleichbarer Rentner heute ohne Privatvorsorge hat.
Das soll nichts gegen die Zusatzrente sagen. Denn ohne sie liegt das Rentenniveau nur bei jenen 64 Prozent. Die aber erreicht kaum noch jemand, weil 45 Arbeitsjahre die große Ausnahme sind. Allerdings kommt auf junge Arbeitnehmer nicht nur die Belastung aus den Prämien für die private Altersvorsorge zu. Nach dem Jahr 2020 wird der Beitragssatz von jetzt 19 auf 22 Prozent im Jahr 2030 ansteigen. Manche Experten und die Opposition behaupten, hier habe die Regierung zu optimistisch gerechnet. Die FDP-Sozialexpertin Irmgard Schwätzer:
Beitragssätze von 24 Prozent sind wahrscheinlich und das, meine Damen und Herren, ist zu hoch, das können Sie der jungen Generation nicht zumuten. Vor allen Dingen dann nicht, wenn sie ihnen zusätzlich noch den Beitrag zur privaten Altersvorsorge abverlangen und damit bei Beitragssätzen von 28 Prozent landen.
Und schließlich zahlen wir alle über die Öko-Steuer einen Extra-Beitrag für die Rentenversicherung. Den hat Frau Schwätzer noch gar nicht eingerechnet. Seehofers Fazit lautet:
Deshalb ist für alle, die heute 20, 40 und 30 Jahre alt sind, mit dieser Rentenreform verbunden, dass sie jedes Jahr in die gesetzliche Rente mehr einbezahlen und aus dieser gesetzlichen Rente immer weniger bekommen.
Natürlich sieht das Minister Riester anders. Er rechnet allerdings Sozialrente und Privatrente zusammen und kommt dann zu folgendem Ergebnis:
Ich freue mich, dass wir mit dem Abschluss dieser Reform wieder eines deutlich machen können, dass mit dem Begriff der Reform auch verbunden wird, dass es nach der Reform den Menschen besser geht wie vor der Reform.
Trotzdem dürfte Altersarmut wegen steigender Langzeitarbeitslosigkeit vor allem im Osten steigen. Deshalb wurde heute auch eine Grundsicherung beschlossen. Sie gilt ab dem 65. Lebensjahr und für alle ab dem 18. Lebensjahr, die aus medizinischen Gründen voll erwerbsunfähig sind. Der wesentliche Unterschied zur Sozialhilfe ist, dass die Rentenversicherung das weitgehend automatisch erledigt. Zudem holt sich das Sozialamt die Sozialhilfe nicht von Kindern oder Eltern zurück. Verschämte Altersarmut, weil Rentner und Rentnerinnen ihre Kinder nicht belasten wollen und deshalb den Gang zum Sozialamt scheuen, soll so vermieden werden.
So kommt der Kanzler zu dem Ergebnis, die ganze Bevölkerung sei Gewinner der Reform - insbesondere aber der Arbeitsminister selber:
Gewinner ist auch der Bundesarbeitsminister Walter Riester, der mit großer Entschiedenheit und gegen viele Wiederstände und manchmal auch gegen eine nicht nur sachliche Betrachtung ein wirklich großes Reformwerk durchgesetzt hat, und das ist das historisch Neue, das Dach, das Rente heißt, das Menschen bewusst schützen soll jetzt auf zwei Säulen steht, die einander ergänzen, nicht ersetzen, deswegen ist das, was der Bundesarbeitsminister ins Werk gebracht hat, eine der wirklich historischen Reformen.
Das war dem sonst so selbstsicheren Arbeitsminister ganz offensichtlich peinlich.