"Willkommen in Patagonien, in Punta Arenas!"
Punta Arenas liegt in Chile, in Patagonien, der größten südlichsten Stadt dieser Welt.
"Also, Punta Arenas ist hauptsächlich bekannt wegen der Magellanstraße."
1520 war der portugiesische Seefahrer Ferdinand Magellan bis zur Spitze des südamerikanischen Kontinents gesegelt und hatte dabei eine Passage zwischen Atlantik und Pazifik entdeckt.
"Punta Arenas hat 120.000 Einwohner ungefähr und ist im Jahr 1848 gegründet worden."
Damals galt Patagonien als ein riesiges Wunderland, eine Terra incognita, Fantasieort der Ruhelosen, von Fernweh erfüllten und von schnellem Reichtum träumenden Abenteurer und Auswanderer - vor allem aus dem fernen Europa. Heute leben auf einer Fläche doppelt so groß wie Deutschland weniger Menschen als in Frankfurt am Main. Die wenigen Städte wie Punta Arenas sind wie Fremdkörper umgeben von der endlosen Pampa - dem patagonischen Weideland der Schafe.
"Die typischen Tiere hier, kann man sagen die Strauße, Nandus, ja, Pinguine gibt es hier auch."
Punta Arenas 2010: eine kleine geschäftige Hafenstadt. Im Zentrum der selbst ernannten südlichsten Metropole der Welt gibt es Designerläden, Fastfood-Restaurants und Lagerhallen der Schiffsausrüster. Prachtvillen und neue, hässliche Betonbausünden prägen das Stadtbild. Die Straßenzüge sind schachbrettartig angelegt - made in USA: Quadratisch, praktisch, modern. In den Sommermonaten kommen die großen Kreuzfahrtschiffe mit den Touristen aus Europa und Nordamerika. Gleich daneben an den Kais verschwinden Wolle, Fleisch und Holz in den Staumägen der Frachter. Bei den Fischern sind Muscheln und Königskrabben begehrt, die in Konserven verpackt in die ganze Welt verschifft werden.
"Auf dem Stadtplatz gibt es ein Monument. Oben darauf steht Fernando Magellan, und weiter unten rechts und links sitzen Ureinwohner. Bei einem Ona, die Onas haben ja auf Feuerland gelebt, der hat am Fuß einen glänzenden Zeh. Und warum ist das? Jeder Tourist oder jeder Mensch, der hierher kommt nach Punta Arenas, der muss den Fuß anfassen. Und der, der den Fuß anfasst, der kommt zurück hier in die Region nach Punta Arenas. Das ist auch eine gute Sage hier von Punta Arenas."
Das Schlechte ist, dass die Ureinwohner fast vollständig ausgerottet wurden. Für die Indianer Patagoniens war der Kontakt mit den Weißen tödlich und erniedrigend. Die Onas, Manek'enk, die Alakaluf und Yámana starben an Seuchen, die von den Einwanderern mitgebracht wurden oder sie wurden brutal ermordet, verloren ihr Land, ihre Sprache und Kultur. Doch davon erzählt der auf Hochglanz geküsste Indianerzeh nichts.
1876 erteilte die chilenische Regierung Einwanderern die Erlaubnis, Schafe zu züchten. In Punta Arenas wurden Kaianlagen gebaut, um Wolle und Fleisch nach Übersee zu verschiffen. Im Gegenzug kamen immer mehr Menschen nach Patagonien: Flüchtlinge, Ausgestoßene, Glückssucher, Robbenfänger, Pelztierjäger, Matrosen und Kriminelle, die Punta Arenas ebenso bevölkerten wie Handwerker und Kaufleute:
"Also, hauptsächlich Kroaten. Die ersten Familien, die hierher kamen im 19. Jahrhundert, waren Kroaten, Spanier, Engländer, Italiener, Schweizer, ein paar Deutsche auch, aber hauptsächlich hat man immer noch viele Kroaten hier in der Stadt."
Fernweh, die Anden, die Pampa - und vielleicht noch Magellan-Pinguine. Bilder, die einen im Kopf rumschwirren, wenn es um Chile geht. Aber wer denkt bei dem südamerikanischen Land an Schokolade?
Die Schafbarone gründeten Banken, Handelshäuser, Versicherungen, Telefongesellschaften, sie ließen Speicher, Schlachthöfe und Kühlhäuser bauen. In obszöner Offenheit stellten die Familien ihren Reichtum zur Schau: man veranstaltete Banketts und Autorennen. Theater entstanden, Kinos, Tanzsäle und Salons. Aus dem Zarenreich kam sogar die russische Primaballerina Ann Pawlow angereist. Fitzgeraldo in Patagonien: Aus Italien wurde Marmor, aus England die Zentralheizung importiert, Möbel im Stil Louis 16. kamen aus Frankreich und Ledertapeten aus Argentinien. Punta Arenas war die erste elektrifizierte Stadt Chiles. Die Dekadenz des Reichtums: den vielen Arbeitern zahlte man einen kümmerlichen Lohn in Form von Gutscheinen aus, die nur in Geschäften, die dem Patron gehörten, gegen Waren eingetauscht werden konnten - meist zu Wucherpreisen.
Bis zur Eröffnung des Panamakanals im Jahr 1914 war Punta Arenas Anlaufstelle für alle Schiffe, die Waren und Passagiere von Europa zur Westküste Nordamerikas transportierten. Alle großen Reeder im internationalen Schifffahrtsgeschäft besaßen hier eine Zweigstelle. Ende des 19. Jahrhunderts zählte Punta Arenas zu den wohlhabendsten Handelsstädten der Welt.
Der Reichtum Patagoniens - das ist bis heute das Öl und die Schafwolle geblieben. Das schwarze und das weiße Gold. Und ...
"Ja, Schokolade! Hier gibt es berühmte Chocolaterias. Das ist die La Chocolatta im Zentrum von Punta Arenas."
Hier, am Ende der Welt, knapp 1400 Kilometer von der Antarktis entfernt, wird tatsächlich Schokolade produziert:
"Das ist alles Handarbeit. Das sind alles Familienrezepte. Wir verwenden nur Naturprodukte, keine Konservierungsmittel, keine Industrieprodukte. Alles ist aus Natur. Man kann die Produkte nicht verschicken, denn sonst müsste man Konservierungsmittel benutzen und das würde den Geschmack verändern","
erzählt Elena Baeriswyl stolz. Zusammen mit ihrer Tochter hat die 81-Jährige eine kleine Schokoladenfabrik aufgebaut, die in ganz Chile bekannt ist.
""Bonbons, alle Sorten von Schokolade."
Sogar Pralinen werden hier hergestellt, Trüffel, karamellisierte Früchte und Konfitüre. Schon auf der Straße hat man den süßlichen Duft in der Nase: Hier wird weißes, braunes und schwarzes Naschwerk produziert. "Fábrica de Chocolates" steht auf dem großen Schild über dem Eingang. Willkommen in der "Chocolatta Baeriswyl"!
Drinnen, im Geschäft, hängen an den Wänden die Schweizer Fahne und Gletscherfotos. Alpenlandschaft. Wehmütig erzählen die Bilder von den Schweizer Vorfahren, die Ende des 19. Jahrhunderts nach Chile ausgewandert waren. Heute leben die Baeriswyls hier bereits in der vierten Generation.
"In Punta Arenas, vielleicht wegen des Klimas, und weil wir so isoliert waren, haben sich die Familien zusammengetan und zusammengehalten. Es wurden Rezepte ausgetauscht, und meine Mutter, die auch sehr gut Süßigkeiten machen konnte, dachte sich eigene Rezepte aus. Und so wurde das Interesse für eine Schokoladen-Manufaktur geboren."
Elena Baeriswyl steht zwischen all den Rührgerätschaften und Schokoladenförmchen in der kleinen improvisierten Fabrik. Ihr knallig farbener Lippenstift passt zum roten Pullover. Das Halstuch lässt sie viel jünger erscheinen. Frau Baeriswyl redet im Eiltempo, sie ist höflich und neugierig, die Goldkette wippt hin und her, wenn sie von ihren Vorfahren erzählt. Die kamen Mitte des 19. Jahrhunderts aus Fribourg hierher nach Patagonien. Chile und die Schweiz hatten einen Vertrag geschlossen. Danach wurde den Schweizern Land angeboten, um Patagonien zu besiedeln. Fühlt sich Elena Baeriswyl 150 Jahre später mit der Schweiz verbunden?
"Also, ein Großteil meines Herzen ist chilenisch. Ich glaube, es ist geteilt. Fifty-fifty!"
Der Urgroßvater war Uhrmacher in der Schweiz, bevor er 1867 mit seiner Familie nach Punta Arenas ging, sagt Frau Baeriswyl. Der Laden, in der Hauptstraße gelegen, besteht seit 1902, allerdings immer mit unterschiedlichen Geschäften: Mal war es ein Uhrenladen, dann eine Drogerie und seit 2000 eben ein Café mit angeschlossener Schokoladenfabrik. Die Idee dafür hatte ihre Tochter, erzählt die rüstige Mutter.
"Die Geschichte von Marie-Isabel ist schon sehr merkwürdig. Denn sie hat in der Drogerie, in der auch Parfüm verkauft wurde, als Kosmetikerin gearbeitet. 15 oder gar 20 Jahre war sie in der Parfümabteilung tätig - wie verschieden doch ihre Leidenschaften waren! Stellen Sie sich vor, von einer Kosmetikerin zu einer Fachfrau für Süßigkeiten!"
Zunächst war alles nur ein Hobby - Süßigkeiten für Familie und Freunde. Doch aus der Passion wurde ein florierender Betrieb. Seit dem Jahr 2000 betreiben Tochter und Mutter ein Café und die kleine Fabrik. Neun Personen sind mit der Herstellung der Schokolade beschäftigt, neun Personen mit dem Verkauf und dem Café. Der Kakao kommt aus Brasilien, die Rohschokolade aus Belgien, die Zutaten wie Zucker und Milch aus Chile. Tausende von Kilogramm. Jahr für Jahr. Alles wird per Lkw oder Flugzeug angeliefert, um dann als fertige Schokolade im Handgepäck der Touristen verstaut wieder um die Welt zu gehen. Das nennt man eine Schokoladenreise, sagt Breno Lobo aus Brasilien, der im Café sitzt und es sich schmecken lässt.
"Ich reise gerade durch Patagonien. In diesem Café war ich schon dreimal. Ich bin wirklich ein Schokoladenkenner, aber was ich hier probiert habe, das war richtig gut!"
Etwa ein bis zwei Tage dauert die Herstellung der Schokolade. Jeden Tag wird eine andere Sorte produziert, alles auf engstem Raum, per Hand und ohne Maschinen.
"An wichtigen Feiertagen ist die Chocolateria voll. Touristen kommen natürlich auch oft vorbei, aber auch die Einheimischen. Zum Valentinstag, zu Ostern. Vor den Feiertagen gibt es immer viele Bestellungen."
Die größte Herausforderung im Schokoladengeschäft? Das ist doch klar, sagt Elena Baeriswyl: die immer gleiche Qualität herzustellen! Das sei irrsinnig schwierig. Vor allem die Güte des Kakaos ist dafür entscheidend. Pro Sorte benötigt man einen Tag zur Herstellung und einen zur Kühlung. Wöchentlich plane man, welche Art von Schokolade man herstellen wolle. Aber was, wenn die Touristen nicht mehr kommen - bis ans Ende der Welt?
"Bis jetzt hat man hier noch nichts gemerkt von der Wirtschaftskrise. Wir werden bestimmt die letzten sein, die davon etwas mitkriegen. Also ehrlich, bis jetzt merkt man nichts. Vielleicht kommt sie. Aber dann sind wir sind sehr gut vorbereitet auf diese Krise."
Am Schluss verrät Frau Baeriswyl noch schnell, dass sie den Kinderbuch Klassiker "Charlie und die Schokoladenfabrik" gelesen habe. Das sei ja ein MUSS - nicht nur für Eltern und Schokoladenliebhaber, sondern auch für jeden Chocolatier:
"Ja, natürlich, das hab ich gelesen, sehr interessant. Wir sind sehr drin, im Schokoladen-Thema."
Wie bei Charlie und die Schokoladenfabrik fragen auch die eigenen Kinder und Enkelkinder jeden Tag nach dem süßen Naschwerk, erzählt Elena Baeriswyl und schmunzelt. Wer kann es den Kleinen und Großen auch verdenken.
"Immer wenn wir uns treffen. Nach dem Kaffee, immer gibt es Schokolade. Immer wenn sich die Familie trifft."
Punta Arenas liegt in Chile, in Patagonien, der größten südlichsten Stadt dieser Welt.
"Also, Punta Arenas ist hauptsächlich bekannt wegen der Magellanstraße."
1520 war der portugiesische Seefahrer Ferdinand Magellan bis zur Spitze des südamerikanischen Kontinents gesegelt und hatte dabei eine Passage zwischen Atlantik und Pazifik entdeckt.
"Punta Arenas hat 120.000 Einwohner ungefähr und ist im Jahr 1848 gegründet worden."
Damals galt Patagonien als ein riesiges Wunderland, eine Terra incognita, Fantasieort der Ruhelosen, von Fernweh erfüllten und von schnellem Reichtum träumenden Abenteurer und Auswanderer - vor allem aus dem fernen Europa. Heute leben auf einer Fläche doppelt so groß wie Deutschland weniger Menschen als in Frankfurt am Main. Die wenigen Städte wie Punta Arenas sind wie Fremdkörper umgeben von der endlosen Pampa - dem patagonischen Weideland der Schafe.
"Die typischen Tiere hier, kann man sagen die Strauße, Nandus, ja, Pinguine gibt es hier auch."
Punta Arenas 2010: eine kleine geschäftige Hafenstadt. Im Zentrum der selbst ernannten südlichsten Metropole der Welt gibt es Designerläden, Fastfood-Restaurants und Lagerhallen der Schiffsausrüster. Prachtvillen und neue, hässliche Betonbausünden prägen das Stadtbild. Die Straßenzüge sind schachbrettartig angelegt - made in USA: Quadratisch, praktisch, modern. In den Sommermonaten kommen die großen Kreuzfahrtschiffe mit den Touristen aus Europa und Nordamerika. Gleich daneben an den Kais verschwinden Wolle, Fleisch und Holz in den Staumägen der Frachter. Bei den Fischern sind Muscheln und Königskrabben begehrt, die in Konserven verpackt in die ganze Welt verschifft werden.
"Auf dem Stadtplatz gibt es ein Monument. Oben darauf steht Fernando Magellan, und weiter unten rechts und links sitzen Ureinwohner. Bei einem Ona, die Onas haben ja auf Feuerland gelebt, der hat am Fuß einen glänzenden Zeh. Und warum ist das? Jeder Tourist oder jeder Mensch, der hierher kommt nach Punta Arenas, der muss den Fuß anfassen. Und der, der den Fuß anfasst, der kommt zurück hier in die Region nach Punta Arenas. Das ist auch eine gute Sage hier von Punta Arenas."
Das Schlechte ist, dass die Ureinwohner fast vollständig ausgerottet wurden. Für die Indianer Patagoniens war der Kontakt mit den Weißen tödlich und erniedrigend. Die Onas, Manek'enk, die Alakaluf und Yámana starben an Seuchen, die von den Einwanderern mitgebracht wurden oder sie wurden brutal ermordet, verloren ihr Land, ihre Sprache und Kultur. Doch davon erzählt der auf Hochglanz geküsste Indianerzeh nichts.
1876 erteilte die chilenische Regierung Einwanderern die Erlaubnis, Schafe zu züchten. In Punta Arenas wurden Kaianlagen gebaut, um Wolle und Fleisch nach Übersee zu verschiffen. Im Gegenzug kamen immer mehr Menschen nach Patagonien: Flüchtlinge, Ausgestoßene, Glückssucher, Robbenfänger, Pelztierjäger, Matrosen und Kriminelle, die Punta Arenas ebenso bevölkerten wie Handwerker und Kaufleute:
"Also, hauptsächlich Kroaten. Die ersten Familien, die hierher kamen im 19. Jahrhundert, waren Kroaten, Spanier, Engländer, Italiener, Schweizer, ein paar Deutsche auch, aber hauptsächlich hat man immer noch viele Kroaten hier in der Stadt."
Fernweh, die Anden, die Pampa - und vielleicht noch Magellan-Pinguine. Bilder, die einen im Kopf rumschwirren, wenn es um Chile geht. Aber wer denkt bei dem südamerikanischen Land an Schokolade?
Die Schafbarone gründeten Banken, Handelshäuser, Versicherungen, Telefongesellschaften, sie ließen Speicher, Schlachthöfe und Kühlhäuser bauen. In obszöner Offenheit stellten die Familien ihren Reichtum zur Schau: man veranstaltete Banketts und Autorennen. Theater entstanden, Kinos, Tanzsäle und Salons. Aus dem Zarenreich kam sogar die russische Primaballerina Ann Pawlow angereist. Fitzgeraldo in Patagonien: Aus Italien wurde Marmor, aus England die Zentralheizung importiert, Möbel im Stil Louis 16. kamen aus Frankreich und Ledertapeten aus Argentinien. Punta Arenas war die erste elektrifizierte Stadt Chiles. Die Dekadenz des Reichtums: den vielen Arbeitern zahlte man einen kümmerlichen Lohn in Form von Gutscheinen aus, die nur in Geschäften, die dem Patron gehörten, gegen Waren eingetauscht werden konnten - meist zu Wucherpreisen.
Bis zur Eröffnung des Panamakanals im Jahr 1914 war Punta Arenas Anlaufstelle für alle Schiffe, die Waren und Passagiere von Europa zur Westküste Nordamerikas transportierten. Alle großen Reeder im internationalen Schifffahrtsgeschäft besaßen hier eine Zweigstelle. Ende des 19. Jahrhunderts zählte Punta Arenas zu den wohlhabendsten Handelsstädten der Welt.
Der Reichtum Patagoniens - das ist bis heute das Öl und die Schafwolle geblieben. Das schwarze und das weiße Gold. Und ...
"Ja, Schokolade! Hier gibt es berühmte Chocolaterias. Das ist die La Chocolatta im Zentrum von Punta Arenas."
Hier, am Ende der Welt, knapp 1400 Kilometer von der Antarktis entfernt, wird tatsächlich Schokolade produziert:
"Das ist alles Handarbeit. Das sind alles Familienrezepte. Wir verwenden nur Naturprodukte, keine Konservierungsmittel, keine Industrieprodukte. Alles ist aus Natur. Man kann die Produkte nicht verschicken, denn sonst müsste man Konservierungsmittel benutzen und das würde den Geschmack verändern","
erzählt Elena Baeriswyl stolz. Zusammen mit ihrer Tochter hat die 81-Jährige eine kleine Schokoladenfabrik aufgebaut, die in ganz Chile bekannt ist.
""Bonbons, alle Sorten von Schokolade."
Sogar Pralinen werden hier hergestellt, Trüffel, karamellisierte Früchte und Konfitüre. Schon auf der Straße hat man den süßlichen Duft in der Nase: Hier wird weißes, braunes und schwarzes Naschwerk produziert. "Fábrica de Chocolates" steht auf dem großen Schild über dem Eingang. Willkommen in der "Chocolatta Baeriswyl"!
Drinnen, im Geschäft, hängen an den Wänden die Schweizer Fahne und Gletscherfotos. Alpenlandschaft. Wehmütig erzählen die Bilder von den Schweizer Vorfahren, die Ende des 19. Jahrhunderts nach Chile ausgewandert waren. Heute leben die Baeriswyls hier bereits in der vierten Generation.
"In Punta Arenas, vielleicht wegen des Klimas, und weil wir so isoliert waren, haben sich die Familien zusammengetan und zusammengehalten. Es wurden Rezepte ausgetauscht, und meine Mutter, die auch sehr gut Süßigkeiten machen konnte, dachte sich eigene Rezepte aus. Und so wurde das Interesse für eine Schokoladen-Manufaktur geboren."
Elena Baeriswyl steht zwischen all den Rührgerätschaften und Schokoladenförmchen in der kleinen improvisierten Fabrik. Ihr knallig farbener Lippenstift passt zum roten Pullover. Das Halstuch lässt sie viel jünger erscheinen. Frau Baeriswyl redet im Eiltempo, sie ist höflich und neugierig, die Goldkette wippt hin und her, wenn sie von ihren Vorfahren erzählt. Die kamen Mitte des 19. Jahrhunderts aus Fribourg hierher nach Patagonien. Chile und die Schweiz hatten einen Vertrag geschlossen. Danach wurde den Schweizern Land angeboten, um Patagonien zu besiedeln. Fühlt sich Elena Baeriswyl 150 Jahre später mit der Schweiz verbunden?
"Also, ein Großteil meines Herzen ist chilenisch. Ich glaube, es ist geteilt. Fifty-fifty!"
Der Urgroßvater war Uhrmacher in der Schweiz, bevor er 1867 mit seiner Familie nach Punta Arenas ging, sagt Frau Baeriswyl. Der Laden, in der Hauptstraße gelegen, besteht seit 1902, allerdings immer mit unterschiedlichen Geschäften: Mal war es ein Uhrenladen, dann eine Drogerie und seit 2000 eben ein Café mit angeschlossener Schokoladenfabrik. Die Idee dafür hatte ihre Tochter, erzählt die rüstige Mutter.
"Die Geschichte von Marie-Isabel ist schon sehr merkwürdig. Denn sie hat in der Drogerie, in der auch Parfüm verkauft wurde, als Kosmetikerin gearbeitet. 15 oder gar 20 Jahre war sie in der Parfümabteilung tätig - wie verschieden doch ihre Leidenschaften waren! Stellen Sie sich vor, von einer Kosmetikerin zu einer Fachfrau für Süßigkeiten!"
Zunächst war alles nur ein Hobby - Süßigkeiten für Familie und Freunde. Doch aus der Passion wurde ein florierender Betrieb. Seit dem Jahr 2000 betreiben Tochter und Mutter ein Café und die kleine Fabrik. Neun Personen sind mit der Herstellung der Schokolade beschäftigt, neun Personen mit dem Verkauf und dem Café. Der Kakao kommt aus Brasilien, die Rohschokolade aus Belgien, die Zutaten wie Zucker und Milch aus Chile. Tausende von Kilogramm. Jahr für Jahr. Alles wird per Lkw oder Flugzeug angeliefert, um dann als fertige Schokolade im Handgepäck der Touristen verstaut wieder um die Welt zu gehen. Das nennt man eine Schokoladenreise, sagt Breno Lobo aus Brasilien, der im Café sitzt und es sich schmecken lässt.
"Ich reise gerade durch Patagonien. In diesem Café war ich schon dreimal. Ich bin wirklich ein Schokoladenkenner, aber was ich hier probiert habe, das war richtig gut!"
Etwa ein bis zwei Tage dauert die Herstellung der Schokolade. Jeden Tag wird eine andere Sorte produziert, alles auf engstem Raum, per Hand und ohne Maschinen.
"An wichtigen Feiertagen ist die Chocolateria voll. Touristen kommen natürlich auch oft vorbei, aber auch die Einheimischen. Zum Valentinstag, zu Ostern. Vor den Feiertagen gibt es immer viele Bestellungen."
Die größte Herausforderung im Schokoladengeschäft? Das ist doch klar, sagt Elena Baeriswyl: die immer gleiche Qualität herzustellen! Das sei irrsinnig schwierig. Vor allem die Güte des Kakaos ist dafür entscheidend. Pro Sorte benötigt man einen Tag zur Herstellung und einen zur Kühlung. Wöchentlich plane man, welche Art von Schokolade man herstellen wolle. Aber was, wenn die Touristen nicht mehr kommen - bis ans Ende der Welt?
"Bis jetzt hat man hier noch nichts gemerkt von der Wirtschaftskrise. Wir werden bestimmt die letzten sein, die davon etwas mitkriegen. Also ehrlich, bis jetzt merkt man nichts. Vielleicht kommt sie. Aber dann sind wir sind sehr gut vorbereitet auf diese Krise."
Am Schluss verrät Frau Baeriswyl noch schnell, dass sie den Kinderbuch Klassiker "Charlie und die Schokoladenfabrik" gelesen habe. Das sei ja ein MUSS - nicht nur für Eltern und Schokoladenliebhaber, sondern auch für jeden Chocolatier:
"Ja, natürlich, das hab ich gelesen, sehr interessant. Wir sind sehr drin, im Schokoladen-Thema."
Wie bei Charlie und die Schokoladenfabrik fragen auch die eigenen Kinder und Enkelkinder jeden Tag nach dem süßen Naschwerk, erzählt Elena Baeriswyl und schmunzelt. Wer kann es den Kleinen und Großen auch verdenken.
"Immer wenn wir uns treffen. Nach dem Kaffee, immer gibt es Schokolade. Immer wenn sich die Familie trifft."

