Nichts Menschliches ist hier fremd. Die Gulag-Insassen hocken, den taubengrauen Pulli über den Kopf gezogen, wie Schachfiguren in Schlafposition auf einer schrägen Ebene im Quarré. Vorn am Eck einer, der kaum ein Wort von sich gibt und immer hocken bleibt. Die Männer entleeren ihre Kübel mit einer dunkelbraunen Masse - soll das eine Art Zement sein, sind es Fäkalien - in eine Grube. Manche manschen mit den Händen den Dreck aus den Eimern, streichen den Boden um das Loch glatt und sauber. Ein Neuer kommt an. Die schneeweiße Hose samt Jacke wird ihm von den Kalfaktoren gierig vom Leib gerissen. Zur Taufe im Camp bekommt er einen Kübel Dreck über den Kopf gekippt. Höhnisches Lachen.
Und es geht so weiter: Ein älterer Mann bekommt eine Adlerfeder an den Kopf gebunden und wird wie ein Hündchen à la Abu Ghraib an der Leine im Kreis getrieben und mit Peitschenhieben blutig traktiert. Nächste Marotte: Aufstellen in Reih und Glied, marschieren sinnlos in Reihen hin und her, als ob man den Appellplatz sauber rechen wollte. Schließlich Hexensabbat: ficken, blasen, Spielchen mit Mettwurst-Schwänzen und Tunten-Fummeln. Sexuelle Dienstleistungen jeder Art. Das volle Programm, wenn einem Regisseur einfällt, was ihm immer einfällt. Willkommen in Barrie Koskys Gulag-Freizeitpark.
Für Leoš Janáček bedeutete die Lektüre von Dostojewskijs "Aufzeichnungen aus einem Totenhaus" ein schockhaftes Erwachen aus seinem russophilen Traum. Mit der Umarbeitung zu einer Oper wollte der Komponist und Librettist Mitleid wecken mit den Opfern des russischen Straflager-Systems und den Funken Hoffnung wecken für die geschundene Kreatur.
Bei Kosky spürt man davon nichts. Nun muss man heute zwar nicht mehr grundsätzlich aufklären über den Charakter der sibirischen Lager. Ob man über den Stoff mit solcher Zyne hinweg gehen kann, wie Kosky das in Hannover tut, ist freilich mehr als eine Geschmacksfrage.
Im Übrigen hat man schon bessere Nachbildungen von Blut- und Spermien-Orgien gesehen. Die Mitglieder des Chors sind gleichwohl mit Professionalität bei der Sache. Auch die kleinen solistischen Rollen sind durchweg gut besetzt. Gesungen wird in der Originalsprache.
Am Pult des Niedersächsischen Staatsorchesters steht Wolfgang Bozic. Anfangs klingt sein Orchester noch reichlich zerfahren, unsauber und spröde. Erst allmählich findet sich der herb-süffige Janáček-Ton. Applaudiert wurde am Ende allen: dem Chor, dem Orchester und sogar dem Team. Allerdings sah man auch Türen klappen während der gut 90-minütigen pausenlosen Aufführung.
Dass die, je länger sie dauert, weniger und weniger spannend wirkt, liegt auch daran, dass man Koskys Privat-Ikonographie schon prägnanter präsentiert bekommen hat. Das Hannoversche Premieren-Publikum empfand das offenbar nicht so. Aber vielleicht demnächst. Der Regisseur ist dort jetzt gleichsam Stammgast, avisiert für eine "Ring"-Inszenierung. Das wird dann sicher auch ganz furchtbar-schrecklich "lustig" werden.
Und es geht so weiter: Ein älterer Mann bekommt eine Adlerfeder an den Kopf gebunden und wird wie ein Hündchen à la Abu Ghraib an der Leine im Kreis getrieben und mit Peitschenhieben blutig traktiert. Nächste Marotte: Aufstellen in Reih und Glied, marschieren sinnlos in Reihen hin und her, als ob man den Appellplatz sauber rechen wollte. Schließlich Hexensabbat: ficken, blasen, Spielchen mit Mettwurst-Schwänzen und Tunten-Fummeln. Sexuelle Dienstleistungen jeder Art. Das volle Programm, wenn einem Regisseur einfällt, was ihm immer einfällt. Willkommen in Barrie Koskys Gulag-Freizeitpark.
Für Leoš Janáček bedeutete die Lektüre von Dostojewskijs "Aufzeichnungen aus einem Totenhaus" ein schockhaftes Erwachen aus seinem russophilen Traum. Mit der Umarbeitung zu einer Oper wollte der Komponist und Librettist Mitleid wecken mit den Opfern des russischen Straflager-Systems und den Funken Hoffnung wecken für die geschundene Kreatur.
Bei Kosky spürt man davon nichts. Nun muss man heute zwar nicht mehr grundsätzlich aufklären über den Charakter der sibirischen Lager. Ob man über den Stoff mit solcher Zyne hinweg gehen kann, wie Kosky das in Hannover tut, ist freilich mehr als eine Geschmacksfrage.
Im Übrigen hat man schon bessere Nachbildungen von Blut- und Spermien-Orgien gesehen. Die Mitglieder des Chors sind gleichwohl mit Professionalität bei der Sache. Auch die kleinen solistischen Rollen sind durchweg gut besetzt. Gesungen wird in der Originalsprache.
Am Pult des Niedersächsischen Staatsorchesters steht Wolfgang Bozic. Anfangs klingt sein Orchester noch reichlich zerfahren, unsauber und spröde. Erst allmählich findet sich der herb-süffige Janáček-Ton. Applaudiert wurde am Ende allen: dem Chor, dem Orchester und sogar dem Team. Allerdings sah man auch Türen klappen während der gut 90-minütigen pausenlosen Aufführung.
Dass die, je länger sie dauert, weniger und weniger spannend wirkt, liegt auch daran, dass man Koskys Privat-Ikonographie schon prägnanter präsentiert bekommen hat. Das Hannoversche Premieren-Publikum empfand das offenbar nicht so. Aber vielleicht demnächst. Der Regisseur ist dort jetzt gleichsam Stammgast, avisiert für eine "Ring"-Inszenierung. Das wird dann sicher auch ganz furchtbar-schrecklich "lustig" werden.