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Die Welt der Blogs

Blogs im Internet üben vor allem auf junge Menschen eine große Faszination aus. Doch Authentizität geht vor Verlässlichkeit und seriöser Recherche, und so ist fraglich, ob die neue Kommunikation zum so genannten Bürgerjournalismus taugt.

Von Michael Meyer | 13.01.2007
    "Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger. Fast täglich gibt es positive Meldungen aus der deutschen Wirtschaft. Die Arbeitslosenzahlen sind gesunken."

    Seit einigen Monaten ist jede Woche ab Freitag ein so genanntes Video-Blog der Kanzlerin im Netz abrufbar. Unter www.bundeskanzlerin.de erklärt Angela Merkel das jeweilige politische Thema der Woche und ihre Position dazu.

    Der Begriff Blog ist in Deutschland noch relativ neu. Vor gut einem Jahr fragte Günter Jauch in seinem TV-Quiz "Wer wird Millionär?", "Was ist ein Blog?" Doch auch der 50:50-Joker half der jungen Kandidatin nicht weiter, sie musste passen. Damit gehört sie zur Mehrheit: Nach einer Studie eines Marktforschungsunternehmens können fast zwei Drittel der deutschen Internet-Nutzer mit dem Begriff Blog nichts anfangen.

    Anders in den USA. Dort lesen 32 Millionen US-Amerikaner regelmäßig Blogs, fand eine repräsentative Umfrage heraus. Von einer einheitlichen Einschätzung dieses Massenphänomens ist man in Deutschland noch weit entfernt. "Revolution" und "Demokratisierung der Medienwelt" jubeln die einen, "Gerüchteschleudern" und "Zeitfresser" meinen die anderen. Klar ist: Irgendetwas passiert gerade im Internet. Aber was genau?

    Der Begriff Blog ist die Kurzform von Weblog, einem Kunstwort aus Web und Logbuch. Jeder Nutzer kann einen Weblog regelmäßig aktualisieren, der neueste Beitrag steht immer an erster Stelle. Schaut man sich ein paar typische Weblogs an, hat man selten das Gefühl, an einer Revolution teilzunehmen. Texte, ein paar Bilder, eine Hand voll Links zu anderen Seiten: Und deshalb der ganze Wirbel?

    Das Innovative der Blogs liegt tiefer, als es zunächst den Anschein hat. Inhaltlich sind sie mit keinem anderen Medium zu vergleichen: Permanent verlinken Blogger amüsante Fundstücke und Artikel mit politischen Kommentaren, sie verweisen auf Filmkritiken oder wissenschaftliche Analysen. Thematisch sind dabei keinerlei Grenzen gesetzt. Von banalsten Alltagsbeobachtungen über hochwissenschaftliche Betrachtungen bis zu bissigen Politkommentaren reicht das Spektrum.

    Katharina Borchert, Journalistin und Online-Chefin der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung ist eine erfahrene Bloggerin. In Lyssas Lounge beschreibt sie seit Jahren ihre ganz persönlichen Alltagserfahrungen. Was ist der Reiz daran, private, zum Teil sogar intime Geschichten zu veröffentlichen?

    "Ich gebe ja nicht minutiös meinen Tagesablauf wieder und versuche, auch nicht über mein Morgen-Müsli zu schreiben, sondern schon liebevolle, skurrile Alltagsgeschichten zu erzählen, besondere Beobachtungen aufzuschreiben, wo sich manchmal Leute wiederfinden, wo sie sagen: Stimmt, da habe ich lange nicht drüber nachgedacht, das kenne ich auch, ich bemerke es nur einfach nicht mehr.

    Ich glaube, manchmal bin ich so ein bisschen das Mittagsentertainment der Versicherungsbranche, ich merke es an meinen Seitenstatistiken, dass sehr viele Leute vom Büro aus auf meine Seite zugreifen und das so ein bisschen zur Erheiterung an trüben Bürotagen nutzen. Ich kenn das ja von mir selber auch, dass mir manche Leute einfach ans Herz wachsen, die müssen nicht jeden Tag etwas wahnsinnig Spannendes schreiben, auch die beste Freundin hat nicht jeden Tag etwas Tolles zu erzählen, trotzdem telefoniere ich gerne mit ihr."

    Die enge Vernetzung ist es, welche die Blogwelt so dynamisch und explosiv macht: Egal, ob witzige Beobachtungen oder brisante Informationen, Texte und Hinweise verbreiten sich im weltweiten Netz so schnell wie das sprichwörtliche Lauffeuer. Diese Vernetzung ist es auch, die jene Bloggingsphäre so interessant macht, meint der Berliner Medienwissenschaftler Norbert Bolz. Dabei gelte es, von den klassischen Standards des Journalismus Abschied zu nehmen:

    #"Nicht jeder Wahnsinn trifft auf Abermillionen offene Ohren, obwohl man manchmal das Gefühl hat, jede Paranoia findet ihre Community. Es ist eben doch nicht so, dass jeder Wahnsinn sofort zu einer Informationskaskade wird, es gibt hier schon einen Wettbewerb um Aufmerksamkeit der anderen Blogger, der anderen Webteilnehmer. Dieser Wettbewerb wird wahrscheinlich dafür sorgen, dass sich doch eine neue Form von Annäherung an die Wirklichkeit herausbildet."

    Tatsächlich unterscheiden sich Blogs in einem wichtigen Detail von herkömmlichen Netzpublikationen: Eine Kommentarfunktion erlaubt es jedem Leser, eine eigene Stellungnahme unter dem jeweiligen Blog-Eintrag zu veröffentlichen. Die redaktionellen Prozesse der Prüfung von Fakten und der Korrektur werde so auf die Leserschaft verlagert. Ganze Geschäftsmodelle, wie etwa jenes des Internetlexikons Wikipedia funktionieren auf dieser Grundlage.

    "Ich habe schon vor langer Zeit begriffen, dass meine Leser immer mehr wissen als ich","

    schrieb der amerikanische Autor und Journalist Dan Gillmor. Er hat das Manuskript seines Buches "We the Media" vollständig im Internet veröffentlicht und von den Lesern seines Blogs korrigieren lassen.

    ""Nachrichten müssen aufhören, ein Vortrag zu sein","

    sagt er,

    ""stattdessen müssen sie eher einem Seminar oder einem Gespräch gleichen."

    Der Redakteur der US-Zeitschrift "Business Week", Stephan Baker geht noch weiter: Er sieht nur eine Möglichkeit, Unwahrheiten und Gerüchten in der Blogosphäre zu begegnen:

    "Der beste Weg, ein gewisses Maß an Kontrolle über diesen Informationsfluss zu gewinnen ist, dazu beizutragen."

    Seinen Lesern empfiehlt er:

    "Lesen Sie ein Blog oder zwei, und veröffentlichen Sie dort Kommentare. Besser noch: Eröffnen Sie Ihr eigenes Blog."

    Vielleicht ist diese Forderung derzeit in Deutschland noch ein wenig fern der Wirklichkeit, Tatsache jedoch ist: Blogs üben vor allem auf jüngere Medienkonsumenten eine große Faszination aus. Authentizität geht vor Verlässlichkeit und seriöser Recherche - geradezu ein Skandal für das journalistische Selbstverständnis der meisten Journalisten, meint Norbert Bolz. Dennoch: Man wird sich mit dieser neuen Form der Kommunikation beschäftigen müssen. Norbert Bolz spricht von einer Art Parajournalismus, der sich im Internet entwickelt habe:

    "Das sind eben nicht nur Privatkommunikationen, sondern das sind subjektive Meinungen und Stellungnahmen, die aber in die Weltöffentlichkeit gestellt werden. Vielfach bleibt sie virtuell, aber in vielen Fällen bildet sie Communities, bilden sie Informationskaskaden, und sie wird zu einer immer schärferen Konkurrenz zur klassischen Formen des Journalismus und unseren vertrauten Formen von Öffentlichkeit. Wenn es Öffentlichkeit bildet, in einer ganz neuen Weise, dann müssen wir wohl auch sagen, dass der klassische Journalismus auf seinem eigenen Feld eine harte Konkurrenz bekommen hat."

    Und in der Tat: Selbst wenn einzelne Weblogs nur über eine Handvoll Leser verfügen, Tausende von Blogs können schnell einen enormen Aufmerksamkeitsstrom erzeugen und auf die klassischen Medien einwirken. Auch Deutschlandradio Kultur und der Deutschlandfunk haben Weblogs auf ihrer Internetseite dradio.de (Euroblog, Blogspiel) geschaltet. Mit großer Resonanz.

    In der heißen Phase des letzten US-Präsidentschaftswahlkampfes im Jahr 2004 präsentierte der CBS-Nachrichtenmoderator Dan Rather in der Sendung "60 Minutes" Dokumente, die belegen sollten, dass George W. Bush seinen Militärdienst geschwänzt hatte. Nur neun Minuten später, noch während die Sendung lief, tauchten in Blogs erste Zweifel an der Echtheit dieser Papiere auf. Die Blogger betätigten sich daraufhin als Amateurdetektive: Einer kannte einen Spezialisten für alte Schreibmaschinen, ein anderer war Experte für Militärformulare, ein dritter machte vor, wie schnell man solche Dokumente mit Hilfe des Schreibprogramms Word nachbauen kann. Der Sender musste einige Wochen später einlenken und sich bei Bush entschuldigen, was schließlich zum vorzeitigen Abgang des Starmoderators Dan Rather beitrug.

    Dennoch: Die Blogs und klassischen Journalismus in einen Topf zu werfen, sie quasi auf eine Stufe zu stellen, das geht vielen Journalisten zu weit. Einer, der von den Blogs gar nicht viel hält, ist Thomas Leif. Leif ist Fernsehchefreporter des Südwestrundfunks und Vorsitzender des Vereins Netzwerk Recherche, der sich um mehr Qualität im Journalismus bemüht. Leif meint, dass zumindest, was die deutschen Blogs angeht, das Thema derzeit eher überbewertet werde.

    "Und zwar aus folgendem Grund: Erstens, das, was wir in Blogs heute haben, ist überwiegend private Kommunikation. Das ist zweitens im Wesentlichen eine Form von digitalem Tagebuch, und selten geprüft oder abgewogen oder analysiert. Unter Journalismus versteht man ja, dass man Daten, Informationen gewichtet, aus der Kompetenz des jeweiligen Journalisten, und das dann entsprechend veröffentlicht. Blogs, so wie sie heute erscheinen, haben eine andere Qualität: Man gibt, in Anführung, seinen Senf zu einem Thema dazu, man erläutert seine private Position, und das sind zwei verschiedene kulturelle Phänomene. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass viel darüber geschrieben wird, aber wenig analysiert wird, was es wirklich am Ende bringt."

    Auf den Hitlisten der am meisten angeklickten Blogs finden sich immer wieder eine Handvoll derselben Namen: Riesenmaschine, Ehrensenf, Spreeblick oder auch Bildblog, das mit 50.000 Lesern erfolgreichste Blog in Deutschland. Sie alle unterscheiden sich von den anderen Blogs durch eine Reihe besonderer Kriterien: Erstens sind die Macher meist selbst journalistische Profis, sie sind oft zu zweit, zu dritt oder haben eine Reihe von Mitarbeitern. Und sie verfügen über eine ganz konkrete Idee, welche publizistische Nische sie besetzen wollen, ähnlich einem Magazingründer, der sich genau überlegt, welches Projekt am Kiosk noch fehlt. Darüber hinaus sind diese Blogger hauptberuflich für ihr Internetprojekt tätig und wollen in nicht allzu großer Ferne davon leben.

    In einem Erdgeschossbüro im Berliner Stadtteil Kreuzberg befindet sich Bildblog, ein Projekt der beiden Journalisten Stefan Niggemeier und Christof Schultheis. Bildblog ist sozusagen der Shootingstar unter den deutschen Blogs. Die Idee der Macher ist: Jeden Tag die Fehler, Übertreibungen oder auch Fälschungen der "Bild"-Zeitung zu analysieren. Und das ist das Erstaunliche: Jeden Tag gibt die "Bild"-Zeitung Stoff für Korrekturen, Kommentare und Kolumnen, erklärt Christof Schultheis:

    "Es gibt verschiedene Wege, wie wir zu den Geschichten kommen. Das eine ist tatsächlich, dass wir die 'Bild'-Zeitung lesen. Jetzt in den zwei Jahren haben wir auch eine gewisse Erfahrung, wenn wir Geschichten lesen, dass wir sagen: Das kommt uns merkwürdig vor, das sollte man sich mal genauer angucken. Das andere ist natürlich, dass wir von Anfang unsere Leser auffordern, uns sachdienliche Hinweise zu schicken per Mail, das wird nach wie vor sehr gut genutzt. Wir recherchieren das dann nach und sagen dann, das ist was, woraus ein Eintrag bei uns wird, allerdings immer mit Dank an den sachdienlichen Hinweisgeber, damit der nicht zu kurz kommt."

    Übertreibungen, Falschdarstellungen, all das wird mit schöner Regelmäßigkeit jeden Morgen auf den Schreibtisch geliefert, sagt Christof Schultheis. Neben den alltäglichen kleinen Fehlern, die in jeder Zeitung auftauchen, sei bei der "Bild"-Zeitung festzustellen,

    "dass viele der Fehler, der irreführenden Darstellungen in "Bild" so ist, dass man nicht mehr unterstellen kann, dass es auf Schlamperei beruht, sondern dass es bewusste Desinformation des Lesers ist. Das sind dann Geschichten, die mich besonders emotional aufregen."

    Trotz des großen Erfolgs von Bildblog können die beiden Macher noch nicht von ihrer Arbeit leben. Zwar haben sie kürzlich eine professionelle Werbeagentur mit der Akquise von Werbung beauftragt, aber dennoch ist die Werbewirtschaft bei der Schaltung noch zurückhaltend, erstaunlich angesichts des Erfolgs der Seite. Weblogs seien für die Werbeindustrie eben noch Neuland, meint Christof Schultheis:

    "Möglicherweise hat das damit zu tun, dass denen weniger große Glaubwürdigkeit unterstellt wird und dass man da eher vorsichtig ist. Ich glaube, da gibt es noch sehr viel zu tun, wir natürlich als erfolgreichstes deutsches Blog haben natürlich eine gewisse Vorreiterrolle um zu sagen, vielleicht muss man daran arbeiten, um zu zeigen, dass Weblogs durchaus seriös sein können und auch eine gute Plattform, um da Werbung zu platzieren, die uns letztendlich auch finanzieren könnte."

    Doch bis es soweit ist, macht Bildblog erst einmal mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf sich aufmerksam. Die "Bild"-Zeitung hatte im Sommer vergangenen Jahres ihre Leser dazu aufgerufen, per Handy und Digitalkamera Schnappschüsse von Prominenten, von Unfällen oder kuriosen Situationen zu machen: Bürgerjournalismus, jeder ist sein eigener Chronist der Ereignisse. Eine problematische Aktion: Ist doch das Eindringen in die Privatsphäre von Prominenten oft Gegenstand von Prozessen.

    Bildblog hat daraufhin seine Leser aufgerufen, als subversiven Racheakt den "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann zu fotografieren. "Knips den Kai!", so das Motto der Aktion. Und schon gingen eine ganze Reihe Fotos in der Redaktion ein.

    Aber nicht nur die "Bild"-Zeitung setzt auf den so genannten Bürgerjournalismus. Auch die "Net-Zeitung" bedient sich ihrer Leser, um auf neue interessante Geschichten zu kommen. Die Net-Zeitung gehört nach Spiegel online zu den meist gelesenen professionellen Internetmedien in Deutschland. Sie erscheint ausschließlich im Netz.

    In der eigens geschaffenen Rubrik "Reader's Edition" schicken Leser täglich bis zu zehn neue Texte. Mit der "Reader's Edition" bedient die "Net-Zeitung" gewissermaßen die Kluft zwischen den völlig unzensierten Blogs und der klassisch redigierten Zeitung aus der analogen Welt. In der "Reader's Edition" darf zwar im Prinzip jeder schreiben, dennoch gibt es Regeln: Ehrenamtliche Moderatoren redigieren die Texte, machen Änderungsvorschläge und halten Kontakt zu der immer größer werdenden Zahl der Autoren. Solveig Grothe ist Projektleiterin der "Reader's Edition".

    "Es ist schon eine sehr breite Palette. Wir haben ja im Prinzip so die klassischen Ressorts: Politik, Wirtschaft, Technik, Sport und jetzt auch ein Kulturressort. Und eigentlich zu all diesen Ressorts bekommen wir Artikel zu ganz verschiedenen Themen, man kann gar nicht so einen Schwerpunkt ausmachen, die Bandbreite ist sehr groß."

    In der Tat liest sich die "Reader's Edition" wie ein wildes Potpourri aus allen nur erdenklichen thematischen Ecken. Ein Artikel über Korruption in Italien steht neben Buchrezensionen, eine Besprechung des Films "Das Parfüm" taucht da auf oder ein Reisebericht aus Mexiko. All das ist durchaus nicht schlecht geschrieben, aber: Die Texte haben einen sehr subjektiven Blick, Ausgewogenheit ist nicht Sache der Hobbyautoren. Das müsse aber auch nicht unbedingt sein, meint Solveig Grothe:

    "Das kommt auf das Thema und auf den Text an. Wenn es ein Bericht ist, dann sollte er auch wertfrei sein, das bekommen die Autoren auch so mitgeteilt, wenn es nicht so sein sollte. Auf der anderen Seite bekommen wir gerade bei politischen Themen sehr viele Kommentare, die aber auch als solche gedacht sind. Dann ist es eine sehr schöne Ergänzung, glaube ich, zu dem sehr nachrichtlichen Inhalt der 'Net-Zeitung' selber, dann zu sehen, dass die Leser diese Themen aufgreifen, aber selber kommentieren wollen."

    Bei der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" in Essen versuchen die Verantwortlichen ebenfalls, die beiden Welten miteinander zu verbinden - zum einen die Blogs, zum anderen den klassischen Journalismus. Für die Online-Chefin Katharina Borchert ist das derzeit der wohl spannendste Job der Republik. Sie beobachtet bei immer mehr Redakteuren einen Umdenkprozess:

    "Weil natürlich, und das ist ja nicht nur bei uns im Haus so, andere Zeitungen haben das schon längst implementiert, dass gewisse Funktionalitäten, die schon lange in den Blogs bekannt sind, wie zum Beispiel die Kommentarfunktion, das unmittelbare Leser-Feedback zunehmend auch auf Zeitungsauftritte übertragen wird, Und das ist sicherlich was, was für klassische Printredakteure eher ungewohnt ist, denn erfahrungsgemäß ist die Zahl der Kommentare sehr viel höher als die Zahl der Leserbriefe, die zu einem Thema eingehen. Es ist natürlich eine viel unmittelbarere, ungefilterte Form des Feedbacks, ich persönlich halte das für einen sehr spannenden Umdenkprozess, der aber definitiv stattfinden wird, den aber sicherlich nicht alle mit demselben Enthusiasmus sehen, wie ich das tue."

    Noch ist bei vielen Journalisten die Skepsis groß angesichts der neuen Entwicklung, und das, obwohl der Internet-Blog per se zunächst einmal weder etwas Schlechtes noch etwas Gutes ist. Es komme auf die Ausgestaltung, auf Seriosität und solide Recherche an, meint Thomas Leif. Wenn im Frühjahr das neue Telemediengesetz in Kraft treten wird, unterliegen die Blogs einer stärkeren Kontrolle als bisher: Auch die Blogger müssen dann ein Impressum veröffentlichen und sich zur Trennung von Werbung und ihrem eigenen Text verpflichten, wie jedes andere redaktionelle Medium auch.

    Im Gegensatz zu den Mainstream-Medien scheint die Welt der Blogs als eine schier grenzenlose, ungefilterte Spielwiese.

    "Dieser Trend wird zunehmen, und ich persönlich als Journalist hoffe natürlich in der Richtung, dass wir qualifizierten Bürgerjournalismus in den etablierten Medien haben, dass wir auch qualifizierte Blogs haben, die sich Mühe geben, die Substanz eines Themas für eine große Audienz zur Verfügung zu stellen, aber nicht jetzt ihre privaten Kleinigkeiten und Wehleiden der Welt mitzuteilen, das ist sicherlich die größere Gefahr der Beliebigkeit, und dagegen muss man was tun."