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Die Welt geht weiter unter

Eigentlich sollte er erst im Herbst erscheinen, doch ein Entwurf des 5. Weltklimareports kursiert schon jetzt unautorisiert im Internet. Darin steht unter anderem: Der Meeresspiegel könnte statt 59 über 80 Zentimeter ansteigen.

Von Volker Mrasek | 17.12.2012
    "Warming of the climate system is now unequivocal."

    Dass sich das Klima der Erde erwärmt, sei eindeutig. So kommentierte die US-Forscherin Susan Solomon vor fünf Jahren den letzten Weltklimareport, als ihn die Hauptautoren der Öffentlichkeit vorstellten. Heute sind sich die Experten noch sicherer:

    "Neue Beobachtungen, längere Datenreihen und fortschreitende Erkenntnisse über das Klima der Vergangenheit untermauern diese Schlussfolgerung zusätzlich".

    So steht es im Entwurf für den kommenden 5. Weltklimareport. Oder genauer: für den ersten von drei Bänden. Es ist der Teil, der sich mit den wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels befasst. Er soll zwar erst im Herbst erscheinen. Doch der Entwurf wurde schon jetzt unautorisiert im Internet verbreitet, darunter auch die "Zusammenfassung für Politische Entscheidungsträger", in der es heißt:

    "Viele [heute] beobachtete Veränderungen [ ... ] im Klimasystem sind ungewöhnlich oder [sogar] beispiellos – teils für Jahrzehnte, teils für viele Hunderte oder Tausende von Jahren."

    Kohlendioxid sei der stärkste Antreiber des Klimawandels, steht in dem Entwurf. Der relative Beitrag von CO2 zur globalen Erwärmung steige von Jahrzehnt zu Jahrzehnt und übertreffe den von natürlichen Klimafaktoren bei weitem:

    "Solche CO2-Konzentrationen sind noch nie da gewesen in den letzten 800.000 Jahren."

    Das Gleiche gelte für Methan und Lachgas, zwei weitere wichtige Treibhausgase. Das zeige die Analyse von Eisbohrkernen. Aus ihnen läßt sich die historische Zusammensetzung der Atmosphäre ableiten.

    Im Entwurf für seinen neuen Bericht hebt der Weltklimarat besonders auf die Entwicklung der letzten Jahrzehnte ab:

    "Besonders ausgeprägt ist die Erwärmung seit den 1970er Jahren. Jedes der letzten drei Jahrzehnte war deutlich wärmer als alle vorhergehenden Dekaden seit 1850. [Der Zeitraum von] 1981 bis 2010 war sehr wahrscheinlich die wärmste 30-Jahres-Periode der letzten 800 Jahre."

    Die Experten gehen davon aus, dass dieser Trend vorerst anhält. Selbst dann, wenn die Staaten der Erde viel mehr Klimaschutz betreiben als bisher. Solche Szenarien wurden für den 5. Weltklimareport gerechnet. Laut dem Berichtsentwurf ergaben sie, dass die globale Mitteltemperatur in den kommenden 20 Jahren dennoch weiter steigen wird - um 0,4 bis ein Grad Celsius. Also ziemlich kräftig. Und mit Folgen für Wetter und Klima:

    "Es ist sehr wahrscheinlich, dass warme Tage und warme Nächte in den nächsten Jahrzehnten häufiger werden. Modelle sagen außerdem voraus, dass Hitzewellen [...] in ihrer Dauer, Stärke und Ausdehnung zunehmen werden."

    Am schnellsten werde sich auch weiterhin die Arktis erwärmen. Was das für die Meereisbedeckung im Nordpolarmeer bedeutet, war zu erwarten: Sie soll weiter schrumpfen. Doch aufhorchen läßt, was die Experten des Weltklimarats über die gefrorenen Böden der Arktis schreiben. Schon heute tauen sie an ihrer Oberfläche auf:

    "Ein Rückgang der Permafrost-Fläche mit steigenden globalen Temperaturen ist so gut wie sicher. Zu erwarten ist, dass der Permafrost an der Oberfläche bis zum Ende des Jahrhunderts um 37 bis 81 Prozent abnimmt."

    Das kann man nur als Hiobsbotschaft bezeichnen. Denn wenn diese Böden tauen, kommen biologische Prozesse in Gang, die große Mengen Methan und CO2 freisetzen. Also zusätzliche Treibhausgase, die die globale Erwärmung noch forcieren.

    Besser als vor fünf Jahren kann der Weltklimarat jetzt offenbar einschätzen, wie stark schmelzende Gletscher zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen und auch in Zukunft beitragen werden. In diesem Punkt korrigieren die Experten ihre Prognosen nach oben:

    "Im Zeitraum von 2081 bis 2100 wird der globale Meeresspiegelanstieg wahrscheinlich im Bereich von 29 [ ... ] bis 82 Zentimetern liegen."

    2007 hieß es noch, es könnten 18 bis 59 Zentimeter werden. Hier scheint sich die Situation also zuzuspitzen.

    Es gibt aber auch beruhigende Feststellungen in dem neuen Bericht. So hält der Weltklimarat inzwischen für sehr unwahrscheinlich, dass der Golfstrom in diesem Jahrhundert abreißt. Und auch tropische Wirbelstürme müssen durch den Klimawandel nicht unbedingt häufiger oder stärker werden, zumindest bis zur Jahrhundertmitte.

    Der Weltklimarat selbst betont zwar, dass es sich nur um einen Entwurf handele und nicht um die Schlussfassung des Reports. Es werde auf jeden Fall noch Änderungen geben. Doch nach den Erfahrungen mit den früheren Berichten dürften das nur Nuancen sein...


    Weiterführende Links:

    UN-Klimagipfel in Doha: Schwierige Kompromisssuche
    Klimawandel hat Höhepunkt noch nicht erreicht -
    Neue Studie des Club of Rome