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Die Weltwirtschaft retten

Folgt man der Zeitschrift 'Universitas', dann ist Shopping eine Möglichkeit, die Welt vor der Wirtschaftskrise zu retten. Oder ist es es die "Kultur des Maßes", die Paul Kirchhof in der 'Politischen Meinung' empfiehlt? Die Finanzkrise hat viele Gesichter und manchen Profiteur.

Von Norbert Seitz |
    "Was ist das eigentlich für eine Krise?" fragt sich Herbert Hönigsberger in der Zeitschrift "Kommune":

    "Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik wurde der Dualismus von kapitalistischer Produktionsweise und demokratisch verfasster Gesellschaft für jedermann so sichtbar. (…) Doch destruiert die Krise nicht nur populäre Illusionen über die Marktwirtschaft, en passant entzaubert sie auch den Mythos von der Wissensgesellschaft. (…) Die Intellektuellen, die Philosophen und Ökonomen haben die Krise nicht vorhergesehen, zu viele sind ihr blind und besinnungslos entgegengedämmert. Wer eine Ahnung von der Krisenhaftigkeit der Verhältnisse hatte, kam nicht zu Wort oder wurde nicht gehört."

    Wo wieder die Systemfrage gestellt wird, ist auch die Berufung auf Marx nicht allzu fern. In der Zeitschrift "Merkur" stellt Heinz Bude jedoch klar: Der Marx von heute sei nicht der "von 68 einer eingebildeten, sondern der einer wirklichen Krise":

    "Das neuerliche Interesse an Marx ist das Interesse an der Wahrheit über eine Ökonomie, die die einen so maßlos gewinnen und die anderen so hoffnungslos verlieren lässt. (…) In der Politik werden nach wie vor die Formen der Koordination beschworen, aber in der Gesellschaft herrschen längst die Dschungelgesetze der Desorganisation. (…) Auf der betrieblichen Ebene ist sich jeder selbst der Nächste. (…) Auf der Strecke bleibt die Idee einer überlokalen Solidarität, die einen verwilderten Verdrängungs- und Überbietungswettbewerb in Grenzen hält."

    Paul Kirchhof, Angela Merkels erfolgloser Joker bei der letzten Bundestagswahl, plä-diert für eine "Kultur des Maßes". In der "Politischen Meinung" beschreibt er, wie sehr die Anonymität auf dem Finanzmarkt in die Un-verantwortlichkeit geführt habe. Vorbei die Zeiten jener Verantwortungseigentümer in der Wettbewerbswirtschaft, die immer die gemeinsame These von Adam Smith und Ludwig Erhard bestätigten, wonach sich Unternehmer-Erfolg nur einstellt, wenn ein Bedarf des Konsumenten entdeckt und befrie-digt worden sei. Auf dem Finanzmarkt je-doch…

    "… treffen die Banken und Finanzinstitute auf Kunden, die nicht mehr Einkommen für ihren Lebensunterhalt verdienen, sondern ihr Vermögen mehren wollen. Sie haben sich ein regelmäßiges Einkommen bis an ihr Lebensende gesichert, können ihr Leben bequem gestalten, entwickeln jetzt aber ein besondere Freude an der Mehrung ihres Vermögens."

    Wer aber soll die Weltwirtschaft retten? Der Konsument ist gefragt. Shopping heißt die Rettungsparole. Alle warnen vor "Angstsparen", "Kaufzurückhaltung" oder gar "Käuferstreik". Doch Wolfgang König erinnert in der Zeitschrift "Universitas" auch an die Grenzen der Konsumgesellschaft, die er vor allem in der knapp gewordenen und nicht beliebig vermehrbaren Zeit zum Konsumieren zu erkennen glaubt:

    "Viele Konsumgüter, wie Waschmaschinen oder Automobile werden gekauft, um Zeit zu sparen. Andere Konsumgüter wie der Fernseher sparen nicht, sondern verbrauchen die Zeit, die dann für andere Konsumhandlungen nicht mehr zur Verfügung steht."

    Was jedoch nicht heißt, dass die Anschaffung neuer Konsumgüter nicht mehr stattfindet. Denn da gibt es ja noch …

    "…das Multitasking. Und das heißt: (Der Konsument) telefoniert, schaut dabei in seinen Computer, und die Stereoanlage liefert dazu die Hintergrundbeschallung."

    Werfen wir zum Abschluss noch einen Blick auf die parteipolitischen Profiteure der Finanzkrise, die Liberalen, die sich seit ihrem Wahlerfolg in Hessen wachsender Aufmerksamkeit erfreuen. Die Zeitschrift "Cicero" bemüht dabei vorschnell neue Label – wie etwa das von der "Generation Guido" und sieht bereits einen neuen "wertkonservativen Liberalismus" heraufziehen, kaum dass ein junger Hoffnungsträger namens Philipp Rösler "Respekt, Anstand und Familiensinn" einfordert:

    "Der wertkonservative Liberalismus einer neuen Generation – der natürlich immer in der Gefahr ist, ins Spießige, in ein besitzerstolzes Biedermeier umzukippen - gewinnt bei einer wachsenden Minderheit an Anziehungskraft. Wer es gerne linksliberaler
    hätte, dem bleiben die deshalb ebenfalls reüssierenden Bündnisgrünen."

    Wie tröstlich! Scharfsinniger ist dagegen der nüchterne Befund von Jens Hacke in der Zeitschrift "Berliner Republik". Danach trägt der Vorsitzende Westerwelle die Verantwortung für die "geistige Einöde" der "entkernten und ausgedünnten" Liberalen. Die Situation erscheine deshalb paradox, …

    "… da der Zusammenbruch der Finanzmärkte und die drohende Rezession keinen programmatischen Rechtfertigungszwang für den parteipolitischen Marktliberalismus auslöst. Die Rolle der Opposition bietet hier den Luxus, völlig aus der Schusslinie der Kritik zu geraten, wenn sich alles auf das Regierungshandeln in der Krise konzentriert."


    Zitierte Zeitschriften:
    Kommune, 1/09.
    Merkur, 718, 3/09.
    Die Politische Meinung, 2/09.
    Universitas, 2/09.
    Cicero, 2 und 3 /09.
    Berliner Republik, 1/2009.