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Die wendige CSU

Es ist etwas anders bei der altehrwürdigen, familienorientierten, fortschrittsfreundlich-konservativen CSU: Der grüne Erzfeind ist im Nachhall der Atomkatastrophe von Fukushima zu sehr im Aufwind, als dass die CSU nicht davon profitieren könnte und müsste, sich einen grüneren Anstrich zu geben. Gedacht, getan.

Von Michael Watzke | 14.07.2011
    Gaby Englmeyer aus dem 2000 Einwohner zählenden Dorf Ruhmannsfelden im Bayerischen Wald braucht dringend ein neues Auto.

    "Weil, ich hab das falsche Auto für die grüne Partei. Das habe ich damals gekauft, da war ich noch CSU-lerin."

    Gaby Englmeyer, langjährige CSU-Ortsvorsitzende, fährt einen schwarzen, getunten Mercedes-Jeep mit 300 PS-Motor – eine Spritschleuder. Seit Mai aber ist die 44-Jährige, die bei der vergangenen Wahl auf der Landesliste der CSU noch für den Bundestag kandidierte, nicht mehr schwarz, sondern grün. Und mit ihr ist der gesamte achtköpfige Ortsvorstand bei den Christsozialen aus und bei Bündnis 90/Die Grünen eingetreten. Als einen Grund nennt Englmeyer den plötzlichen Meinungsschwenk ihrer ehemaligen Partei in Sachen Atomausstieg.

    ""Weil jeder weiß, dass die CSU nicht grün ist. Nur weil sie da ein bisschen umdenken, das hat andere Gründe, aber nicht, dass sie auf einmal grün denken. Und da wir eh schon immer so grüne Gedanken gehabt haben für unseren Ort, wie ein kleines Wasserkraftwerk oder eine Biogasanlage, das waren eigentlich lauter so grüne Ideen, dass wir gesagt haben: Mensch, warum probieren wir das nicht gleich bei den Grünen?"

    Die früheren CSU-ler gründeten den ersten grünen Ortsverband im Bayerischen Wald. Bei der Ökopartei waren sie begeistert. Luden den neuen Ortsverband zur Kreisversammlung und schickten prominente Landes-Grüne nach Niederbayern – das eigentlich Kernland der CSU ist:

    "Manche reden mich an und sagen: Mei, wie könnt's ihr zu den Grünen gehen? Die haben immer noch das Bild vor Augen: Lange Haare, was weiß ich. Aber die Grünen haben sich in der Zeit schon auch gewandelt."

    Und nicht nur die Grünen. Auch die CSU verändert sich rasant. Der Atomunfall im japanischen Fukushima bescherte den CDU-Freunden im Nachbarland Baden-Württemberg bei der Landtagswahl Ende März eine historische Niederlage. Zeitgleich wandelte sich Ministerpräsident Horst Seehofer innerhalb weniger Tage vom Kernkraftbefürworter zum entschiedenen Gegner. Der CSU-Chef ließ seine Partei thematisch ergrünen. Noch bevor Bundeskanzlerin Angela Merkel das Atom-Moratorium ausrief und die sieben ältesten deutschen Kernkraftwerke vom Netz nahm, schalteten die Bayern aus Sicherheitsgründen beispielsweise den umstrittenen Atommeiler Isar I ab. Symbolfigur dieses Spektralwandels der CSU ist ein Mann, der neuerdings gern grüne Krawatten trägt:

    "Ich ziehe eine grüne Krawatte an, weil sie mir einfach gut steht, ja. Also ziehe ich sie auch mal an."

    Bayerns Umwelt- und Gesundheitsminister Markus Söder. Der einstige CSU-Generalsekretär polterte für seinen Parteichef lange Zeit gegen die Kopfpauschale, eine Idee des Berliner Koalitionspartners FDP. Jetzt mimt Söder Seehofers grünen Katalysator. Der eine setzt die strategischen Visionen des anderen in konkrete Politik um. Mit einem Atom-Ausstiegs-Konzept, das der umtriebige Minister nach Fukushima schneller präsentierte als irgendeiner seiner Kollegen:

    "Ich persönlich, als ich die Bilder von Fukushima gesehen hab, an dem Samstag, als die Explosion war, hab für mich das Restrisiko völlig neu bewertet. Und es ist nun mal so, dass ein Atomkraftwerk wesentlich unsicherer ist als ein Windrad. Ist nun mal so. Und deshalb müssen wir uns überlegen: Gibt es einen Weg, den wir anders gehen können? Dass das ambitioniert und mutig ist, ist keine Frage. Aber wenn ein Land wie Deutschland, wie Bayern – beste Ingenieure, modernste Technologien – wenn wir uns nicht zutrauen würden, einen solchen Weg zu gehen, was für schlechte Politiker und was für ein schwaches Volk wären wir dann?"

    Markus Söder sitzt in seinem Büro in der CSU-Geschäftsstelle in Nürnberg, seiner Heimatstadt. Er lockert die grüne Krawatte. Die Energiewende hat den 44-Jährigen zum wichtigsten Minister in Seehofers Kabinett gemacht. Zum aussichtsreichsten Kronprinzen für dessen Nachfolge als Ministerpräsident und - nach dem ruhmlosen Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg als Bundesverteidigungsminister - vielleicht auch an der Spitze der Partei. Söder zitiert den Gralshüter der christlich-sozialen Union: Franz-Josef Strauß. Der hatte in den 80er-Jahren definiert: konservativ sei es, an der Spitze des Fortschritts zu stehen. Und heute? Söder zögert keine Sekunde.

    "Konservativ heißt immer noch, an der Spitze des Fortschritts zu stehen. Und zwar auch des gesellschaftlichen. Nicht nur des technologischen. Was sich weiterentwickelt hat, sind ja immer Debatten, wie eine Gesellschaft sich verändert. Und was die Werte in einer Gesellschaft sind und wie man sie umsetzt. Und ich glaube, dass an der Spitze des Fortschritts stehen heißt, eine Energiewende zu machen, die einen gesellschaftlichen Konsens hat. Die gleichzeitig aber auch eine technologisch-ökonomische Option hat. Indem man nämlich Deutschland und Bayern zu dem Energieland schlechthin entwickelt, das am Ende mit neuen Technologien als Ersatz für die Kernenergie weltweit Standards setzt und damit auch Arbeitsplätze im eigenen Land schafft."

    Endgültiger Ausstieg aus der Atomkraft. Am liebsten schneller als die Nachbarn im mittlerweile grün-rot-regierten Baden-Württemberg. Der Machtwechsel dort hat die CSU-Größen nervös gemacht. Markus Söder weiß: Auch in den Köpfen bayerischer Wähler schwirrt manch grüner Gedanke. Ohne eine inhaltliche Erneuerung, glaubt der Minister, werde es seiner CSU bei der Landtagswahl im Jahr 2013 schwerfallen, die absolute Mehrheit zurückzuholen. Er erklärt die Energiewende als unvermeidlich und als Chance für Bayern, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen. Im Widerspruch zu seinem großen Vorbild Franz Josef Strauß sieht sich Söder nicht. Der hat sich einst vehement für die friedliche Nutzung der Kernenergie eingesetzt. Er hatte beispielsweise für eine atomare Wiederaufbereitungsanlage im oberpfälzischen Wackerdorf gekämpft und so den Wandel Bayerns vom armen Agrarstaat zum reichen Industrieland ermöglicht. Damals versprach Strauß, den Kindern solle es einmal besser gehen als den Eltern. Und heute?

    "Unsere Eltern haben damit in erster Linie gemeint, wirtschaftlich-sozialer Standard und Wohlstand. Bessere Ausbildung, vielleicht mehr Geld. Zumindest eine gesicherte Lebensperspektive. Für uns heute, für meine Kinder, heißt "die sollen es mal besser haben", dass sie dieselben Rahmenbedingungen haben sollen, was Natur und Heimat betrifft. Und somit ist der Begriff 'konservativ' kein statischer, sondern ein dynamischer."

    Söders Dynamik ist gewaltig. Zumindest auf dem Papier. 1500 Windräder will der Umweltminister bis zum Jahr 2020 im Freistaat aufstellen. Eine Bayerische Wasserkraft GmbH will er gründen, mit der Bayern Energie erzeugen und Geld verdienen will. Söders Ausstiegskonzept sieht ferner neue Überlandleitungen, Solarparks, Pumpspeicherseen – und sechs neue Gaskraftwerke vor – als Ersatz für die fünf Kernkraftwerke, die bisher 60 Prozent des Stroms im Freistaat erzeugen. Erwin Huber, Ex-CSU-Parteichef, warnt seit Monaten vor den Folgen für die bayerische Industrie, Stichwort Energiesicherheit. Der Wähler, sagt Huber, will keine "grün lackierte CSU".

    "Die Gefahr dabei ist, dass konservative Kreise in die Wahlenthaltung gehen. Dass man die nicht mehr erreicht, dass die nicht mehr zur Wahl gehen. Es war eine klassische Aufgabe der Union im Süden, stärker diese konservative Flanke abzudecken. Und das ist schwächer geworden. Das darf nicht dazu führen, dass sich das Koordinatensystem innerhalb der Union verschiebt."

    Horst Seehofer und Markus Söder verschieben das konservative Koordinatensystem in Bayern derzeit nach Kräften. Mehr noch: sie definieren es um. Der bayerische Ministerpräsident klappert in diesen Wochen alle Bezirksparteitage der CSU ab. Von Oberbayern bis Oberfranken, um überall für seine Energiewende zu werben. Denn die Basis ist ob seines Schwenks in der Atompolitik verunsichert. Es heißt, sie vermisse den schwarzen Markenkern der Partei. Viele Mitglieder fragen sich, wie sie die plötzliche Abkehr von der Atomkraft den Wählern vermitteln sollen? Wie sie erklären sollen, dass heute plötzlich falsch ist, was vierzig Jahre lang richtig war. Kommt der Begriff "konservativ" nicht von "konservieren" - bewahren?

    "Konservativ darf eines nicht sein: struktur-konservativ. Denn 'struktur-konservativ' entwickelt sich irgendwann zu 'reaktionär'."

    Reaktionär. Diesen Begriff hatten die Gründerväter und –Mütter der Grünen in den 80er-Jahren für zwei CSU-Politiker reserviert: Franz-Josef Strauß und seinen Ziehsohn Peter Gauweiler. Der schwarze Peter. Einst Umweltminister in Bayern, heute Bundestagsabgeordneter. Wenn es eines Beweises dafür bedarf, wie sehr sich die Zeiten auch innerhalb der CSU geändert haben, dann ist es dieser Juni-Abend auf dem Münchner Nockherberg. Da sitzt der schwarze Peter neben der grünen Claudia auf einer Bühne und plaudert über ...

    "Heimat Bayern, CSU und Grüne. Herzlich willkommen, Claudia Roth"

    Die grüne Bundesvorsitzende aus Memmingen im schwäbischen Bayern flirtet an diesem Abend geradezu hemmungslos mit Peter Gauweiler. Sie nennt ihn einen bedeutenden unabhängigen Kopf der CSU und lobt die Schwarzen für ihre Energiewende.

    "Schwierig wird's dann, wenn mir Markus Söder vorwirft, dass ich nicht grün genug sei, dass er viel schneller aussteigt."

    "Mich juckt's am ganzen Körper."

    "Die CDU/CSU beschließt vor zehn Monaten eine demonstrative Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke. Und jetzt haben wir das Gegenteil beschlossen. Da können wir doch nicht sagen: Das ist ein Riesenerfolg!"

    ""Es ist noch gar nicht so lange her, da hat Herr Dobrindt einen sehr erfolgreichen Film produziert. Einen Zeichentrickfilm im Internet. Der hat uns sehr geholfen, Herr Dr. Gauweiler. Das war ein ganz schöner Film unter dem Motto: Ein Männlein steht im Walde, so grün und dumm."

    "Grün sein und dagegen sein mit Pflaster- Schotter- und Ziegelstein Ach, wie bin ich froh doch kein Grüner zu sein."

    CSU-Generalsekretär Dobrindt verärgerte damit nicht nur die Opposition. Auch in den eigenen Reihen waren viele nicht glücklich über die Kampagne. Stillos und kontra-produktiv fand Peter Gauweiler sie. Wer den Diskussions-Abend auf dem Münchner Nockherberg verfolgte, gewann den Eindruck, zwischen Grün und Schwarz sei jene "Epoche der Brüderlichkeit" ausgebrochen, die Ministerpräsident Seehofer einst vergeblich für das schwarz-gelbe Verhältnis ausgerufen hatte, für die Zusammenarbeit mit seinem Koalitionspartner FDP. Die Grünen profitieren von Seehofers Charme-Offensive. Der CSU-Chef wertet die Ökopartei im Freistaat zur Oppositionspartei Nummer Eins auf – vor der chronisch schwachen Bayern-SPD. Wenn die Grünen im Freistaat jemals mitregieren wollen, wird das nur über eine Koalition mit der CSU gehen. Andererseits fürchten die Grünen, dass Seehofers charmante Umarmung hinterlistig ist. Sein Flirt folgt einer klaren Strategie. Seehofer erweitert die Bündnis-Optionen seiner CSU. "Seht her, wir können auch mit den Alternativen", scheint er dem aktuellen Koalitionspartner FDP zuzurufen, mit dem die Christsozialen mehr schlecht als recht koalieren. Dabei verliert der CSU-Chef nie sein eigentliches Ziel aus den Augen: die absolute Mehrheit bei der Landtagswahl 2013. Jahrzehntelang schienen die Schwarzen ein Abonnement auf 50 plus x zu haben – und dorthin möchte Seehofer die Partei zurückführen. Auch mithilfe von urbanen Wählermilieus, die die Konservativen bisher nur schlecht erreichen: Junge Frauen etwa sind unter den CSU-Wählern Mangelware, bei den Grünen die Normalität. Junge Frauen wie die Grüne Landtagsabgeordnete Claudia Stamm. Haushaltspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Und Tochter von Barbara Stamm, der Bayerischen Landtagspräsidentin, CSU. Als Kind schien Claudia noch in die schwarzen Fußstapfen der Mutter zu treten.

    "Die klare politische Haltung war in der fünften und sechsten Klasse noch die Linie meiner Eltern. Erst in der siebten Klasse hat es dann angefangen, sich zu ändern. Ich war ja auch mal drei Monate in der Schüler-Union, also der Schüler-Vereinigung der CSU. Bin dann aber sehr schnell wieder raus, weil es mir zu parteipolitisch und konservativ wurde."

    Wer spüren will, wo es im Verhältnis zwischen Grün und Schwarz in Bayern hakt, der muss sich mit Claudia und Barbara Stamm unterhalten. Ein gemeinsames Interview geben Mutter und Tochter nicht. Aber auch die getrennte Befragung erzählt viel über die kulturelle Differenz, die zwischen der jungen und der alten Partei besteht. Noch immer. Beispiel Ehegatten-Splitting. Hier reibt sich die aufstrebende Haushaltspolitikerin der Grünen mit der arrivierten Sozialpolitikerin der CSU. Claudia Stamm, verheiratet und Mutter zweier kleiner Töchter, will das Ehegattensplitting abschaffen.

    "Ehegattensplitting ist ein veraltetes Instrument, das einseitig Familien fördert, wo der Mann arbeiten geht und die Frau die Familie betreut. Oder bestenfalls einen ganz kleinen Teilzeitjob hat. Punkt. Das muss beim Kind ankommen und nicht beim Trauschein. Das ist meine Position. Und da wundert es mich auch, dass meine Mutter sich so weigert und dagegen sträubt. Weil eigentlich ist sie ja eine ganz starke Sozialpolitikerin. Und sie müsste sehen, dass es keinen Grund gibt, den Trauschein zu subventionieren, sondern eben das Kind."

    Claudia Stamm fordert statt Ehegattensplitting eine Kindergrundsicherung – unabhängig von der Ehe. Damit schlachtet sie aber eine der letzten heiligen Kühe der CSU. Und trifft auf erbitterten Widerstand ihrer Mutter, Barbara Stamm:

    "Natürlich klingt das gut: 'Ich will eine Kindergrundsicherung!' Wer will die nicht? Ich will die auch! Nur muss ich wissen, wie ich die finanziere. Dann muss ich sagen: 'Okay, die wird aus Steuermitteln finanziert.' Aber wenn ich Geld in der Kasse haben will, und ich will es aus dem Brocken Familienpolitik rausnehmen – muss ich Familien, die Kinder erzogen haben, das Ehegattensplitting wegnehmen. Und das ist halt für mich nicht ganz ordentlich bearbeitet."

    Nicht ganz ordentlich bearbeitet. Die Tochter reagiert auf diese mütterliche Stichelei mit einem herzhaften …


    Sie wird sich schon noch drehen, sagt Claudia über Barbara Stamm. Und weist dezent auf die Atomwende hin:

    "Sie war definitiv überzeugte Atomkraft-Anhängerin. Ich hab noch zu ihr gesagt: Ich weiß nicht, wie du das Deinen Enkelkindern erklären willst. Ich kann es meinen Kindern nicht erklären. Und sie hat definitiv diese Wende gemacht. Und da spielt nicht nur Fukushima eine Rolle, sondern auch, weil sie das von ihrer ganzen Basis in Unterfranken zu spüren bekommt. Unterfranken hat Grafenrheinfeld, eben auch ein sehr altes Kraftwerk. Und da ist es eben so, dass ein Basis-Beschluss nach dem anderen kommt: Wir wollen, wir müssen aussteigen."

    Der Meinungswandel in der Atompolitik ist Grundbedingung und Katalysator für die Annäherung von Schwarz und Grün in Bayern. Denn erstens wäre ohne das Abschalten aller deutschen Kernkraftwerke bis zum Jahr 2022 für die Grünen gar keine Koalition mit der CSU denkbar. Und zweitens hat das jetzt beschlossene Ausstiegsszenario das Verhältnis zwischen CSU und FDP weiter zerrüttet.

    "Die FDP ist nicht unbedingt von Anfang an – ob das jetzt auf Bundesebene oder Landesebene ist – mein Wunsch-Koalitionspartner. Weil ich als Sozialpolitikerin und als Politikerin, die vor allen Dingen auch was Werte für unsere Gesellschaft anbelangt zum Teil oft ganz andere Meinungen habe, als das in der liberalen Partei zu finden ist."

    Mit den meisten Grünen dagegen, sagt Barbara Stamm, könne sie sich eine Zusammenarbeit durchaus vorstellen. Auch mit ihrer Tochter. Die ist vorsichtiger:

    ""Da sind schon noch einige Felder, wo sich die CSU noch sehr verändern müsste."

    Zum Beispiel in der Einwanderungspolitik. Hier liegen die größten Differenzen zwischen Schwarz und Grün. Die CSU will in der bayerischen Verfassung eine Pflicht zur Integration verankern, notfalls per Volksentscheid. Die Grünen finden das lächerlich. Sie wollen die Schranken in der Asyl- und Einwanderungspolitik öffnen. Und haben mit dieser Forderung sogar unionsnahe Unternehmer auf ihrer Seite. Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft und CSU-Mitglied:

    "Wir brauchen die Fachkräfte aus dem Ausland. Die CSU hat an dieser Stelle aus unserer Sicht überkommene Vorstellungen, die wir für falsch halten. Da verbindet uns mit den Grünen, mehr als mit der CSU."

    Trotzdem hält sich die Begeisterung der bayerischen Wirtschaft für den schwarz-grünen Sommerflirt in Grenzen. In der CSU kritisiert vor allem die Mittelstandsunion den Kuschelkurs mit der Ökopartei. Etwa bei der grünen Gentechnik. Die lehnt die CSU schon seit Jahren für die bayerische Landwirtschaft ab – zur Freude der Grünen, zur Verärgerung der Wirtschaft.

    "Da haben wir diametral andere Auffassungen als die Grünen. und wir haben für die Frage, wie hoch der Einfluss des Staates auf die Bürger ist, ob der Staat erziehen darf, haben wir auch grundsätzlich andere Auffassungen. Da glaube ich auch nicht, dass CSU und Grüne zusammenkommen werden in Bayern. Für das Entscheidende halte ich allerdings, ob wir eine Gesprächskultur miteinander haben."

    "Ob", sagt Brossardt, der Wirtschaftslobbyist. Nicht "dass". Der Gesprächsfaden zwischen der Staatsregierung und der Wirtschaft war schon mal dicker, heißt es aus Unternehmerkreisen. Schuld daran sei vor allem der Schwenk der CSU in der Atompolitik. Viele Unternehmer fühlen sich von Seehofer im Stich gelassen. Sie ärgern sich, dass der bayerische Ministerpräsident nicht nur den liberalen Koalitionspartner in Bayern, sondern sogar die Bundeskanzlerin unter Druck gesetzt hat: mit einem festen Atom-Ausstiegsdatum, das viele Betriebe aus Gründen der Energiesicherheit für gefährlich halten. Für den Vertreter der bayerischen Wirtschaft bleibt die künftige Energiepolitik der zentrale Trennfaktor zwischen Schwarz und Grün.

    "Das sind beides demokratische Parteien, die können sich entscheiden, wie sie wollen. Ich würde sie für Bayern aber derzeit als unrealistisch betrachten."

    Wie weit sind CSU und Grüne tatsächlich voneinander entfernt? Sind sie sich näher als etwa CDU und Grüne im Norden Deutschlands? Sorgt die starke Heimatverbundenheit der Menschen im Süden, ihre Nähe zu Natur und Landwirtschaft für größere Schnittmengen als anderswo in Deutschland? In Ruhmannsfelden im Bayerischen Wald war es nur ein kleiner Schritt für Gaby Englmeyer und den Rest des CSU-Ortsverbandes. Ein kleiner Schritt ins Grüne. Allerdings mit gelegentlichen Rückfällen ins Schwarze.

    "Das hab ich schon noch. Wenn man das 15 Jahre lang denkt und träumt, wenn man das so im Kopf hat, dann muss man schon aufpassen. Aber wir haben ja grüne Gedanken noch und nöcher. Und das wird dann schon besser werden."

    Gaby Englmeyer geht zu ihrem Auto. Dem schwarzen Mercedes-Geländewagen. Sie wird ihn verkaufen und sich einen Benzin sparenden Kleinwagen zulegen. Schließlich ist sie jetzt bei den Grünen – und will ökologisches Vorbild sein. Nur eines wird sie für ihre neue Partei nicht tun:

    "Dass ich mich irgendwo hinketten lassen würde zwecks den Grünen, das kann ich mir nicht vorstellen. Naaa, des möcht´ ich bitte nicht!"