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"Die werden niemals auf uns hören"

Der iranische Sänger Mohammad-Reza Shajarian ist in seiner Heimat eine Autorität. Er versteht sich als ein politischer Künstler und hat die Proteste nach den iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 unterstützt. Derzeit ist der Sänger auf Europa-Tournee.

Von Ulrich Pick | 02.10.2011
    Kurz nach der mutmaßlich manipulierten Präsidentenwahl im Juni 2009, als Hunderttausende Iraner auf die Straße gingen und die Staatsmacht mit aller Härte durchgriff, schrieb Mohammad-Reza Shajarian das Lied "Zaban-e Atash" – "Sprache des Feuers". Hierin rief der heute 71-jährige Sänger die Regierenden in Teheran auf, der Gewalt gegen die Demonstranten Einhalt zu gebieten und stattdessen mit ihnen zu reden. Als dies jedoch ausblieb und Präsident Ahamdinejad die Protestierenden als "Staub und Dreck" bezeichnete, setzte Shajarian ein Zeichen. Er verbot dem iranischen Radio und Fernsehen weiterhin seine Lieder auszustrahlen.

    "Das Radio und das Fernsehen in Iran sind nicht die Stimme des Volkes. Und wenn ich als Künstler und Sänger sehe, dass sie weder meine Meinung noch die Meinung der Menschen hier hören wollen, dann will ich auch nicht, dass diese Medien meine Stimme ausstrahlen."

    Kein anderer als Shajarian hätte sich in der hoch angespannten Situation einen solchen Schritt erlauben können. Schließlich gilt der "Ostad" – das heißt: der Meister - als eine Institution im Land, gegen die selbst die politischen Hardliner nicht wagen anzugehen. Die Situation in seiner Heimat zeichnet er freilich wenig positiv.

    "Die werden niemals auf uns hören. Die ganze Welt weiß, dass die nicht hören. Gleichwohl wissen sie eigentlich, dass hier irgendwann etwas passieren muss und sie somit auf uns hören müssen."

    Wann das allerdings passieren wird, ist offen. Denn die Regierenden in Teheran kleben an ihrer Macht und gehen gegen jede noch so kleine Reformbestrebung mit aller Härte vor. Dass sich momentan in einigen arabischen Nachbarländern politische Umbrüche vollziehen, wird übrigens sehr genau verfolgt. Sowohl von den Herrschenden als auch von der Opposition, der Shajarian nahe steht:

    "Wenn wir in unserer direkten Umgebung diesen arabischen Frühling mitbekommen - diesen Schrei nach Freiheit und Demokratie - dann hoffen wir, dass über kurz oder lang auch hier etwas passieren wird. Es sollte jedoch nicht mit Gewalt geschehen. Dieser Schrei aber muss gehört und Antwort darauf gegeben werden."

    In Iran darf Shajarian übrigens keine Konzerte geben. Und zwar, wie sagt er, weil die Herrschenden fürchten, die Veranstaltungen könnten nicht kontrolliert werden und aus dem Ruder laufen. Dabei singt der Meister der persischen Musik lediglich Texte der Klassiker Hafez, Saadi und Maulana Rumi. Doch allein deren mystisch gefärbte Weltsicht, die in Iran eine große Tradition hat, ist allem Anschein nach für die Stadthalter der starren Islamischen Republik eine zu große Provokation. Somit muss Shajarian im Ausland auftreten. Die dort lebenden Exil-Iraner dürften dies als eine große Ehre empfinden. Schließlich hoffen auch die meisten von ihnen auf einen Wandel im Iran – einen Wandel, der laut Shajarian zwei klare Ziele haben muss:

    "Freiheit und Demokratie, das ist das einzige, was ich mir in meinem Leben wünsche und natürlich auch allen anderen."

    Für dieses Ziel versucht Shajarian zu werben. Zwar mischt er sich nicht aktiv in die Politik ein, doch wenn er auch auf seiner jetzigen Europatournee das bekannte "Hamrah sho aziz" anstimmen wird – auf Deutsch: "Schließ Dich an, Freund!" – dann wird zumindest jeder Iraner im Saal wissen, was der Meister meint.

    "Hamrah sho aziz"