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Die Wiederentdeckung der Höflichkeit

Als vor Jahresfrist die Mitteilung durch die Medien ging, in saarländischen und bremischen Schulen werde per Beschluss der jeweils politisch Verantwortlichen "Benimmunterricht" eingeführt, gab es neben allgemeinem Beifall auf der einen und Kopfschütteln auf der anderen Seite auch recht eigenwillige Vorstellungen, wie so ein Fach wohl aussähe: Pädagogen, selbst einschlägig wenig vorbelastet, bringen Fünftklässlern die Feinheiten des Small Talk am kalten Büfett bei? Oder doch wenigstens die Regel, wer wann wo zuerst durch die Tür oder die Treppe hinauf geht? Tanzschule?

Moderation: Mirko Smiljanic |
    Tatsächlich ist gutes Benehmen unter vielen Jugendlichen heutzutage wieder gefragt Weil sie ahnen, dass das für ihre berufliche Zukunft nicht ganz unwichtig ist, und weil Vater und Mutter sie damit nicht traktiert haben. Schließlich ist die heutige Elterngeneration diejenige, die gegen erstarrte Konventionen der Endfünfziger, frühen 60er Jahre rebelliert oder sie im Gefolge der 68er gar nicht mehr verinnerlicht hat. Im emanzipatorischen Fortschritt sind ein paar Höflichkeitsformen auf der Strecke geblieben. Das war vielleicht notwendig. (Wobei: heute gibt es viele Kinder, die nicht heimlich etwas "Verbotenes" tun, sondern gar nicht wissen, was "man nicht tut" - zum Beispiel sein Messer ablecken oder öffentlich in der Nase bohren.)

    Aber jetzt, wo allen klar ist, dass der Mann nicht deshalb der Frau in den Mantel helfen sollte, weil sie das alleine nicht kann, ist es dringend an der Zeit, auf die Vorzüge von Höflichkeit und gutem Benehmen hinzuweisen. Sie machen das Leben freundlicher und den Kopf für Wichtigeres frei als das krampfhafte Nachdenken darüber, wie ein Fischbesteck funktioniert. Es geht um mehr als Knigge. Es geht um die Vermittlung von Respekt gegenüber den anderen: den Mitschülerinnen und Schülern wie den Erwachsenen. Um gutes Benehmen im umfassenden Sinne, um die Wertschätzung des anderen. Im Grunde geht es um - Erziehung, modern ausgedrückt: soziales Lernen durch Vormachen. Das klappt nur im täglichen Umgang... aber jemand muss damit anfangen. Und wenn es die Bildungspolitiker mit ihren Vorgaben sind.


    Gesprächspartner

    Karin Weiskircher-Hemmer, Leiterin des Gymnasiums Am Steinwald, Neunkirchen

    Sybil Gräfin Schönfeldt, Buchautorin

    Literatur zum Thema

    Sybil GräfinSchönfeldt: Gutes Benehmen wieder gefragt. Goldmann 2004

    Sybil Gräfin Schönfeldt:Knigge für die nächste Generation. Rowohlt Juni 2003


    Links zum Thema

    Gutes Benehmen ist wieder gefragt:
    www.familienhandbuch.de/...

    Der Auftakt im Saarland:
    www.bildung.saarland.de/...

    Dies ist die "Aktion Respekt und Co":
    Aktion Respekt und Co

    Und das halten Kinder davon:
    Beitrag im KiKa: www.tivi.de/fernsehen/logo/...

    Interessanter Aufsatz zum Zusammenhang von Erziehung und "Benimmunterricht":
    www.prof-kraft.de/vortraege/erziehung.htm

    Soziales Lernen statt Benimm

    Was die LandesschülerInnenvertretung NRW von "Benimmunterricht" hält:
    LandesschülerInnenvertretung NRW

    Praktische Tipps gibt "Lehren und Lernen Online"
    www.teachsam.de/pro/...

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