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Die Wiederentdeckung eines Fluxus-Künstlers

Wir wenden uns wieder westwärts, dorthin, wo in den 60er Jahren der Werkbegriff so radikal infrage gestellt wurde, wie es in der DDR nicht möglich gewesen wäre.

Christiane Vielhaber im Gespräch |
    Novy: Was Dada am Anfang des 20. Jahrhunderst schon vorgemacht hatte, das hat später in den 60ern unter anderem die Fluxus-Bewegung aufgegriffen: Die Ersetzung des Kunstbegriffs durch Zeichen, Kommunikation, Konzept, Happening oder Performance. In Düsseldorf zeigt das Museum Kunstpalast morgen Robert Filliou, eine Retrospektive auf den Künstler, der 1987 starb und auch Erinnerungen an ihn, denn er gehört ja nicht, Christiane Vielhaber hier im Studio, er gehört ja nicht zu den bekannten Namen?

    Vielhaber: Er hat aber auch viel an dieser Legende gestrickt: Dass man nichts Besonderes über seine Biographie erfuhr. Er hat wenig veröffentlicht, und das, was er veröffentlicht hat, waren eben seine Poesien oder die kleinen Objekte. Aber im Prinzip gehört er zu den Künstlern dieser Zeit, von denen ohnehin wenig da war. Frau Novy, das war ja, wenn Sie gesagt haben Fluxus, das bedeutete ja eigentlich die fließenden Grenzen zwischen den Medien, also zwischen Musik und Theater und Literatur und bildender Kunst, also zwischen diesem Austausch der Künste. Und dann hatte das immer einen Ereignischarakter, da passierte was. Und man war eigentlich dabei oder man hat die Kunst erlebt, wenn man bei diesen Abenden dabei war, wo das passierte, wo es ja auch einen Austausch zwischen den Künstlern und zwischen den Besuchern gab. Und was davon geblieben ist, waren eigentlich nur Relikte, die ein Zeugnis davon ablegen, dass es bestanden hat. Was jetzt aber in Düsseldorf passiert, da habe ich eher das Gefühl, es wird vorgeführt wie eine Abfolge von Reliquien, noch dazu beruft man sich darauf, das chronologisch zu machen oder gehängt zu haben. Und dann merken Sie, dass es in diesem Werk eigentlich gar keine wirkliche Entwicklung gibt. Es gibt kein Frühwerk und kein Spätwerk. Sie merken vielleicht höchstens, dass er am Anfang, also Mitte der 50er Jahre, den Sprung geschafft hat weg von der reinen Poesie – also, er hat dann auch seine Theaterstücke geschrieben, die aber zu dem Zeitpunkt noch nicht aufgeführt waren. Dann aber hat er wohl gemerkt: Das Wort allein reicht nicht. Ich muss das jetzt in eine andere Form bringen, also in eine objekthafte Form, damit ich irgendwo ein Zeichen setze. Also, diese semantische Bedeutung übertragen von des Wortes Bedeutung dann in eine Form, die ändert sich eigentlich bis zum Schluss nicht. Sie haben das Gefühl, alles hängt mit allem zusammen, und ich meine das ganz wörtlich, dass er also immer bestimmte kleine Objekte mit Häkchen an ein anderes Objekt hängt und dann wieder mit anderen Objekten zusammen. Genauso hat das zu tun mit seinem Austausch der Künstler untereinander. Es spielt überhaupt keine Rolle, wer das Kunstwerk gemacht hat. Sein Freund, der ihn dann 1964 auch nach Düsseldorf geholt hat, hat gesagt, er war so ein lausiger Handwerker. Also, er konnte noch nicht einmal einen Nagel in die Wand schlagen. Er hat dann irgendwie auf einem Stuhl gesessen, eine Idee gehabt, und irgendjemand hat das dann schon umgesetzt in irgendeine Form.

    Novy: Also, er selbst war nicht der geniale Bastler, als der er doch verschrieen war.

    Vielhaber: Nein, die Ausstellung heißt ja auch: Genie ohne Talent. Und er ist mit Sicherheit ein intellektueller Vordenker oder ein witziger, humorvoller Mensch gewesen, aber künstlerisches Talent besaß er überhaupt nicht.

    Novy: Und zu den Provokateuren dieser Zunft hat er auch nicht gehört, also er hat nie ein Hühnchen auf der Bühne geschlachtet und dazu Fernseher aufgetürmt.

    Vielhaber: Nein, überhaupt nicht. Da war er viel zu sehr eingebunden in eine Philosophie der, man kann sagen, Friedensbewegung. Er war vorher auch in der Résistance in Frankreich bei den Kommunisten. Dann hat er später für die UN gearbeitet in Korea, hat da also als studierter Wirtschaftswissenschaftler auch Entwicklungshilfe geleistet, hat dann gesehen, als die Amerikaner die UN-Position übernahmen: Jetzt muss ich hier schnell weg, für die Amerikaner kann ich nicht arbeiten. Er ging dann nach Ägypten, er ging nach Spanien. Er ist eigentlich ein Abenteurer gewesen, den es nirgendwo gehalten hat. Und dann ist er eigentlich durch seine Frau, die er in Kopenhagen kennen gelernt hatte, die ihn vielleicht auch wegnehmen wollte von den ganzen Saufgelagen, mit denen ja auch die Kunst zum Teil einher ging, durch seine Frau ist er zum Buddhismus gekommen. Es ist eigentlich tragisch. Er hat dann beschlossen 1984: Ich gehe jetzt zurück nach Frankreich. Ich gehe für drei Jahre, drei Monate und drei Tage in ein Kloster. In dieser Zeit ist er dann ganz furchtbar gestorben. Was diese Ausstellung aber doch zeigen kann, ist anhand von Fotografien speziell die Zeit in Düsseldorf, wo man einfach sieht wie er mit Beuys zusammen gearbeitet hat, zusammen aufgetreten ist, mit Broodthaers, mit Spoerri, mit Diether Roth. Und dann haben Sie eine leise Vorstellung, was das einmal bedeutet hat, diese Fluxus-Kunst.

    Novy: Der lange Weg eines Kunstbewegten. Das war Christiane Vielhaber über die Ausstellung Robert Filliou in Düsseldorf.

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