Die Florentiner Ausstellung im Renaissanca-Palazzo Strozzi zeigt in ihren verschiedenen Sektionen - wie zum Beispiel "Die Frauen" oder "Die Madonnen" - immer die Bilder Botticellis neben denen von Filippino Lippi, dessen 500. Todestag sich im kommenden April jährt. Durch diese Gegenüberstellung wird der Unterschied in der Malweise der beiden Künstler deutlich: Während Botticelli seine Figuren in einen mystischen, einen geheimnisvollen Zusammenhang stellte und seine Sujets einen deutlich entrückten Charakter haben, zeichnen sich Lippis Bilder durch einen grösseren Realitätsbezug aus: vor allem in den Gesichtszügen und den landschaftlichen Details. Dass Lippi heute nur Experten ein Begriff ist während Botticelli mit Michelangelo und Leonardo da Vinci in einem Atemzug genannt wird, lieg Jonathan Nelson zufolge an den "belle signorine", den schönen Damen:
Botticelli ist heute so berühmt, weil er schöne Frauen halbnackt malte. Das erklärt auch, wie es zu seiner Wiederentdeckung Ende des 19. Jahrhunderts kam, als man es neckich fand, Frauen halbwegs nackt zu malen. Wie auf den Bildern "Die Geburt der Venus" und "Der Frühling.
Bei Botticellis Schüler hingegen sucht man vergebens nach der nackten Haut gut aussehender Damen. Die Besucher des Palazzo Strozzi werden mit der Geschichte der engen Beziehung zwischen Meister und Schüler konfrontiert. Eine Beziehung, die zu ihrer Zeit jahrzehntelang für Klatsch und Tratsch sorgte, denn Botticelli unterrichtete einen jungen Mann, der aus einer höchst skandalösen Beziehungen stammte: Sein Vater war der malende Mönch Fra Filippo Lippi. Der brannte mit einem seiner Modelle, der Nonne Lucrezia Buti, durch, nachdem er sie als Heilige Margherita für den Hauptaltar eines Klosters in Prato gemalt hatte. Der Spross aus dieser Beziehung wurde der Maler Filippino Lippi. Schon mit 15 Jahren arbeitete er bei Botticelli. Als zwanzigjähriger war er ein begehrter Maler. Die Kunstschau fasziniert auch durch mehrere Bilder, die zum ersten Mal überhaupt einer breiten Öffentlichkeit gezeigt werden. Dazu der Kunsthistoriker Nelson:
Eines der Bilder kommt aus einem Florentiner Palazzo, der der Familie Pucci gehört, die heute Mode macht, die früher aber eine der führenden Adelsfamilien war, für die unter anderem Botticelli malte. Die Puccis erklärten sich bereit, ein Jagdbild Botticellis auszuleihen, das bisher niemand sehen konnte, der nicht zur Familie gehörte.
Diese Jagdszene gehört zu einem Zyklus von vier Tafelbildern, die jetzt, nach der Leihgabe durch die Familie Pucci, zum ersten Mal wieder seit dem 16. Jahrhundert zusammen gezeigt werden können. Ein anderer Höhepunkt der Ausstellung ist ein Gemälde von Filippino, dass zuletzt 1965 von einem londoner Kunstgaleristen ausgestellt wurde und dann in einer Privatsammlung auf Nimmer Wiedersehen verschwand. Nach langen Verhandlungen konnte die "Heilige Maria Magdalena" nach Florenz ausgeliehen werden: ein in seiner realistischen Darstellung einer reuig schauenden Frau ergreifendes Gemälde - das deutlich zeigt, wie der Schüler seinen Lehrer in der Wiedergabe menschlicher Gesichter hinter sich ließ. Ein Bild, davon sind die Ausstellungsmacher überzeugt, dass ein weiterer Beweis dafür ist, dass man Filippino Lippi zu Unrecht nur als Schüler Botticellis abtut.