Remme: Die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen treffen sich heute in Osnabrück zu einer gemeinsamen Kabinettssitzung. Sie haben ein Vorhaben, das Schlagzeilen macht: zusammen mit anderen SPD-Ländern forcieren sie die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Der Grund ist offenbar: nicht nur die Kassen von Hans Eichel sind leer, nein, auch die meisten Länderhaushalte sind aufgrund der Defizite verfassungswidrig. Die Vermögenssteuer, daher das starke Interesse einiger Länder, kommt ausschließlich den Ländern zugute. Und unter dem Schlagwort Gerechtigkeit glaub selbst ein Wahlkämpfer wie Siegmar Gabriel von der SPD in Hannover, diese Steuer erhöhen beziehungsweise wieder einführen zu können, insbesondere dann, wenn die Einnahmen gleich an Ausgaben für Bildung und Kinderbetreuung verknüpft werden. Die Union ist dagegen. Ach, werden Sie möglicherweise sagen, was für eine Überraschung in diesen Tagen der gegenseitigen Vorwürfe von Lug und Trug. Fakt ist; die Vermögenssteuer wurde 1997 aufgegeben nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Karlsruhe hatte gleich mehrere Punkte zu bemängeln, zuständiger Berichterstatter beim zweiten Senat war damals der Verfassungsrechtler Paul Kirchhoff. Er ist am Telefon, Morgen, Herr Kirchhoff.
Kirchhoff: Schönen guten Morgen.
Remme: Herr Kirchhoff, ich fürchte, das wird jetzt etwas kompliziert für den Steuerlaien, ich frage Sie dennoch: warum ist die Vermögenssteuer eine so problematische Steuer?
Kirchhoff: Weil man das Vermögen in seinem Wert nur schwer erfassen kann. Wenn Sie einen Geldschein haben, auf dem 100 Euro steht, weiß jeder, das ist 100 Euro wert. Wenn Sie aber ein Grundstück bewerten müssen oder Kunstgegenstände oder Möbel, ist sehr schwer, prägnant auszusagen, wie der Wert dieses Wirtschaftsgutes sich entwickelt hat. Das hatte damals bei der alten Vermögensteuer zur Folge, dass etwa das Geldvermögen zu 100 Prozent besteuert worden ist, das Grundvermögen aber etwa zu zehn Prozent und das ist eine offensichtliche Ungleichheit, weil für die Vermögensteuer natürlich der Satz gilt: Vermögen ist gleich Vermögen.
Remme: Ich habe die Initiative einiger SPD-Länder erwähnt; kann denn die Vermögensteuer Ihrer Meinung nach verfassungskonform und dennoch sinnvoll konzipiert werden?
Kirchhoff: Das ist ein Problem. Einmal im Nebeneinander von Einkommensteuer und Vermögenssteuern. Die Einkommensteuer belastet das Einkommen, das jemand tatsächlich erzielt hat, die Vermögensteuer soll das Einkommen belasten, das jemand aus seinem Vermögen erzielen könnte. Und wenn jetzt die Einkommensteuer sehr löchrig ist - wir haben gegenwärtig viel Ausnahmen, Privilegien, Subventionstatbestände im Einkommensteuergesetzt - dann muss man zunächst einmal diese Besteuerung des tatsächlichen Einkommens reparieren, dass man dort den Mehrwert des Einkommens vollständig bei jedermann erfasst und erst, wenn das geschehen ist, könnte man darüber nachdenken, ob man daneben eine Vermögensteuer einführt. Aber dann kommt ein zweites Problem: es gilt im deutschen Steuerrecht der Grundsatz, der schon vor 250 Jahren von Friedrich dem Großen formuliert worden und der heute Verfassungsrecht ist: der Bürger soll zumindest die Hälfte seines Einkommens, im äußersten Fall, versteuern müssen, also die andere Hälfte für sich behalten dürfen. Und wenn wir im Einkommensteuerrecht Steuersätze haben nahe 50 Prozent und unterstellen, es wäre die Bemessungsgrundlage in Ordnung, also man könnte nicht ausweichen, dann würde die Vermögensteuer zusätzlich zu einer in Ordnung gebrachten Einkommensteuer mit diesem Prinzip kollidieren.
Remme: Offensichtlich rechnen die Initiatoren damit, das irgendwie hinbekommen zu können, die Gewerkschaften sagen, es geht schlicht um mehr Verteilungsgerechtigkeit. Lassen Sie das gelten?
Kirchhoff: Es gibt im Steuerrecht natürlich ein Problem der Verteilungsgerechtigkeit, aber die Ungerechtigkeit, die dort zurecht gerügt wird, liegt im Kern im Einkommensteuerrecht und würde durch die Vermögensteuer nicht annähernd gehoben. Wir müssen die Bemessungsgrundlage im Einkommensteuerrecht in Ordnung bringen, das Grundprinzip, dass jeder Bürger das Einkommen, das er erzielt hat versteuern muss, davon nur das abziehen kann, was er für den zukünftigen Erwerb braucht, also Betriebsausgaben und Werbungskosten, dann sein persönliches Existenzminimum und vielleicht noch gewisse Spenden, sonst keine Abzugstatbestände, da liegt di Ungerechtigkeit.
Remme: Und auch die Tatsache, dass die Initiatoren jetzt die Freibeträge deutlich anheben wollen, es werden ja offensichtlich wohl nur Euromillionäre belangt, auch das mindert Ihre Kritik nicht?
Kirchhoff: Das ist eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, dass das Kleinvermögen, insbesondere das zum Familiengut gehörige, also die individuelle Grundlage der familiären Gestaltung für das eigene Einfamilienhaus, dass dieses steuerlich verschont werden muss. Das ist ein wichtiger Punkt der Gerechtigkeit, aber alleine durch Erfüllung dieses Postulats ist die Gesamtgerechtigkeit noch nicht hergestellt.
Remme: Nun hat es immer wieder Kritik gegeben, dass die Vermögensteuer auch schlicht, wenn man sich Einnahmen und Aufwand der Erhebung ansieht, sich nicht zahlt. Man rechnet jetzt mit Einnahmen von sieben bis acht Milliarden Euro. Sind diese Erwartungen berechtigt?
Kirchhoff: Das wird man sehr sorgfältig durchrechnen müssen, weil das Problem der Bewertung sehr viel Personal kostet, man spricht von 5000 Leuten, die man jedes Jahr alleine für den Zweck braucht, den Gegenwartswert etwa eines Grundstücks oder Hausvermögens mit Inventar festzustellen. Wenn aber die Verwaltungskosten unangemessen hoch zum Steuerertrag sind, dann sollte man eine solche Steuer von vornherein lassen. Sie beschäftigt Beamte, erfüllt aber nicht die Funktion der Steuer, nämlich den Staatshaushalt zu stärken.
Remme: Nun tun die SPD-Länder dies nicht ohne Not. Die Kassen sind leer. Gibt es für Sie sinnvollere Alternativem die Kassen der Länder aufzubessern?
Kirchhoff: Natürlich hat dieser Staat gegenwärtig ein bedeutendes Finanzierungsproblem und niemand wird davor die Augen verschleißen. Aber wenn man die große Reform der Einkommensteuer und danach die große Reform der Umsatzsteuer ernstlich in Angriff nehmen würde, würde man mehr materielle Gleichheit in der Belastung herstellen, zugleich aber mehr staatliche Erträge erzielen, wenn man dieses denn will. Man könnte sogar noch kühner sein und daran denken, bringen wir das Steuerrecht so in Ordnung, dass der Wirtschaft und dem Mensch weniger über Steuervermeidung nachdenken muss sondern primär über sein Wirtschaftsvorhaben, sein Produkt, seinen Markt, dann wird die Wirtschaft mehr florieren, es gibt mehr steuern, man braucht die Steuern nicht zu erhöhen sondern können auf diesem Wege den Staat angemessen mit Finanzen ausstatten.
Remme: Herr Kirchhoff, ich sagte es: die Union ist gegen die Pläne zur Wiedereinführung der vs. Der bayerische Finanzminister hat klargemacht: in Bayern wird diese Steuer nicht wieder eingeführt. Ist es überhup vorstellbar, dass es in einigen Ländern dazu kommt, in anderen nicht?
Kirchhoff: Es kommt darauf an, was die Länder wollen. Wenn sie eine Landesvermögensteuer nur mit Wirkung für das jeweilige Land einführen wollen, gibt es Probleme, weil nicht klar ist, ob der Bundesgesetzgeber, der ja früher mal ein Bundessteuergesetz beschlossen hatte, das nur vom Bundesverfassungsgericht für unanwendbar erklärt wurde, ob er die Materie Vermögensteuer für den Landesgesetzgeber freigegeben hat. Außerdem sollten die Länder sehr sorgfältig überlegen, ob das eine Land die Vermögensteuer einführt und das andere nicht, dann könnte es nämlich eine gewaltige Verscheidung der Vermögen und zwar sowohl Betriebs- wie Privatvermögen in das Land geben, wo es keine Vermögensteuer gibt. Von daher wäre dieses vielleicht auch wirtschaftspolitisch für das jeweilige Land unklug. Eine andere Frage ist, ob die Länder gemeinsam im Bundesrat eine Initiative starten wollen, damit der Bundesgesetzgeber die Vermögensteuer wieder einführt. Das wäre kompetenzrechtlich kein Problem, dann aber ergeben sich die oben genannten materiellen Fragen.
Remme: Das war der Verfassungsrechtler Paul Kirchhoff. Herr Kirchhoff, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Kirchhoff: Bittschön.
Link: Interview als RealAudio
Kirchhoff: Schönen guten Morgen.
Remme: Herr Kirchhoff, ich fürchte, das wird jetzt etwas kompliziert für den Steuerlaien, ich frage Sie dennoch: warum ist die Vermögenssteuer eine so problematische Steuer?
Kirchhoff: Weil man das Vermögen in seinem Wert nur schwer erfassen kann. Wenn Sie einen Geldschein haben, auf dem 100 Euro steht, weiß jeder, das ist 100 Euro wert. Wenn Sie aber ein Grundstück bewerten müssen oder Kunstgegenstände oder Möbel, ist sehr schwer, prägnant auszusagen, wie der Wert dieses Wirtschaftsgutes sich entwickelt hat. Das hatte damals bei der alten Vermögensteuer zur Folge, dass etwa das Geldvermögen zu 100 Prozent besteuert worden ist, das Grundvermögen aber etwa zu zehn Prozent und das ist eine offensichtliche Ungleichheit, weil für die Vermögensteuer natürlich der Satz gilt: Vermögen ist gleich Vermögen.
Remme: Ich habe die Initiative einiger SPD-Länder erwähnt; kann denn die Vermögensteuer Ihrer Meinung nach verfassungskonform und dennoch sinnvoll konzipiert werden?
Kirchhoff: Das ist ein Problem. Einmal im Nebeneinander von Einkommensteuer und Vermögenssteuern. Die Einkommensteuer belastet das Einkommen, das jemand tatsächlich erzielt hat, die Vermögensteuer soll das Einkommen belasten, das jemand aus seinem Vermögen erzielen könnte. Und wenn jetzt die Einkommensteuer sehr löchrig ist - wir haben gegenwärtig viel Ausnahmen, Privilegien, Subventionstatbestände im Einkommensteuergesetzt - dann muss man zunächst einmal diese Besteuerung des tatsächlichen Einkommens reparieren, dass man dort den Mehrwert des Einkommens vollständig bei jedermann erfasst und erst, wenn das geschehen ist, könnte man darüber nachdenken, ob man daneben eine Vermögensteuer einführt. Aber dann kommt ein zweites Problem: es gilt im deutschen Steuerrecht der Grundsatz, der schon vor 250 Jahren von Friedrich dem Großen formuliert worden und der heute Verfassungsrecht ist: der Bürger soll zumindest die Hälfte seines Einkommens, im äußersten Fall, versteuern müssen, also die andere Hälfte für sich behalten dürfen. Und wenn wir im Einkommensteuerrecht Steuersätze haben nahe 50 Prozent und unterstellen, es wäre die Bemessungsgrundlage in Ordnung, also man könnte nicht ausweichen, dann würde die Vermögensteuer zusätzlich zu einer in Ordnung gebrachten Einkommensteuer mit diesem Prinzip kollidieren.
Remme: Offensichtlich rechnen die Initiatoren damit, das irgendwie hinbekommen zu können, die Gewerkschaften sagen, es geht schlicht um mehr Verteilungsgerechtigkeit. Lassen Sie das gelten?
Kirchhoff: Es gibt im Steuerrecht natürlich ein Problem der Verteilungsgerechtigkeit, aber die Ungerechtigkeit, die dort zurecht gerügt wird, liegt im Kern im Einkommensteuerrecht und würde durch die Vermögensteuer nicht annähernd gehoben. Wir müssen die Bemessungsgrundlage im Einkommensteuerrecht in Ordnung bringen, das Grundprinzip, dass jeder Bürger das Einkommen, das er erzielt hat versteuern muss, davon nur das abziehen kann, was er für den zukünftigen Erwerb braucht, also Betriebsausgaben und Werbungskosten, dann sein persönliches Existenzminimum und vielleicht noch gewisse Spenden, sonst keine Abzugstatbestände, da liegt di Ungerechtigkeit.
Remme: Und auch die Tatsache, dass die Initiatoren jetzt die Freibeträge deutlich anheben wollen, es werden ja offensichtlich wohl nur Euromillionäre belangt, auch das mindert Ihre Kritik nicht?
Kirchhoff: Das ist eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, dass das Kleinvermögen, insbesondere das zum Familiengut gehörige, also die individuelle Grundlage der familiären Gestaltung für das eigene Einfamilienhaus, dass dieses steuerlich verschont werden muss. Das ist ein wichtiger Punkt der Gerechtigkeit, aber alleine durch Erfüllung dieses Postulats ist die Gesamtgerechtigkeit noch nicht hergestellt.
Remme: Nun hat es immer wieder Kritik gegeben, dass die Vermögensteuer auch schlicht, wenn man sich Einnahmen und Aufwand der Erhebung ansieht, sich nicht zahlt. Man rechnet jetzt mit Einnahmen von sieben bis acht Milliarden Euro. Sind diese Erwartungen berechtigt?
Kirchhoff: Das wird man sehr sorgfältig durchrechnen müssen, weil das Problem der Bewertung sehr viel Personal kostet, man spricht von 5000 Leuten, die man jedes Jahr alleine für den Zweck braucht, den Gegenwartswert etwa eines Grundstücks oder Hausvermögens mit Inventar festzustellen. Wenn aber die Verwaltungskosten unangemessen hoch zum Steuerertrag sind, dann sollte man eine solche Steuer von vornherein lassen. Sie beschäftigt Beamte, erfüllt aber nicht die Funktion der Steuer, nämlich den Staatshaushalt zu stärken.
Remme: Nun tun die SPD-Länder dies nicht ohne Not. Die Kassen sind leer. Gibt es für Sie sinnvollere Alternativem die Kassen der Länder aufzubessern?
Kirchhoff: Natürlich hat dieser Staat gegenwärtig ein bedeutendes Finanzierungsproblem und niemand wird davor die Augen verschleißen. Aber wenn man die große Reform der Einkommensteuer und danach die große Reform der Umsatzsteuer ernstlich in Angriff nehmen würde, würde man mehr materielle Gleichheit in der Belastung herstellen, zugleich aber mehr staatliche Erträge erzielen, wenn man dieses denn will. Man könnte sogar noch kühner sein und daran denken, bringen wir das Steuerrecht so in Ordnung, dass der Wirtschaft und dem Mensch weniger über Steuervermeidung nachdenken muss sondern primär über sein Wirtschaftsvorhaben, sein Produkt, seinen Markt, dann wird die Wirtschaft mehr florieren, es gibt mehr steuern, man braucht die Steuern nicht zu erhöhen sondern können auf diesem Wege den Staat angemessen mit Finanzen ausstatten.
Remme: Herr Kirchhoff, ich sagte es: die Union ist gegen die Pläne zur Wiedereinführung der vs. Der bayerische Finanzminister hat klargemacht: in Bayern wird diese Steuer nicht wieder eingeführt. Ist es überhup vorstellbar, dass es in einigen Ländern dazu kommt, in anderen nicht?
Kirchhoff: Es kommt darauf an, was die Länder wollen. Wenn sie eine Landesvermögensteuer nur mit Wirkung für das jeweilige Land einführen wollen, gibt es Probleme, weil nicht klar ist, ob der Bundesgesetzgeber, der ja früher mal ein Bundessteuergesetz beschlossen hatte, das nur vom Bundesverfassungsgericht für unanwendbar erklärt wurde, ob er die Materie Vermögensteuer für den Landesgesetzgeber freigegeben hat. Außerdem sollten die Länder sehr sorgfältig überlegen, ob das eine Land die Vermögensteuer einführt und das andere nicht, dann könnte es nämlich eine gewaltige Verscheidung der Vermögen und zwar sowohl Betriebs- wie Privatvermögen in das Land geben, wo es keine Vermögensteuer gibt. Von daher wäre dieses vielleicht auch wirtschaftspolitisch für das jeweilige Land unklug. Eine andere Frage ist, ob die Länder gemeinsam im Bundesrat eine Initiative starten wollen, damit der Bundesgesetzgeber die Vermögensteuer wieder einführt. Das wäre kompetenzrechtlich kein Problem, dann aber ergeben sich die oben genannten materiellen Fragen.
Remme: Das war der Verfassungsrechtler Paul Kirchhoff. Herr Kirchhoff, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Kirchhoff: Bittschön.
Link: Interview als RealAudio
