Doris Schäfer-Noske: Herr Lang, die Ereignisse liegen ja 70 Jahre zurück, warum ist denn nicht früher drauf gekommen, dieses Kapitel aufzuarbeiten?
Andreas Lang: Wir haben ja mehrere Rückblicke gehabt in letzter Zeit. Wir haben 1995 den Rückblick gemacht auf 1945 und haben auch ein eigenes Festkonzert gehabt mit Werken von jenen Komponisten, die quasi zwischen bei uns 1938 und 1945, in Deutschland zwischen 1933 und 1945, nicht hätten gespielt werden können. Das war quasi der erste Rückblick in der Ära Holländer. Der zweite Rückblick war dann 2005, 50 Jahre Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper 1955. Und dort wurde bereits auch angesprochen die Kontinuität, die eben stattgefunden hat, dass quasi der letzte Staatsoperndirektor vor Ende des Zweiten Weltkrieges derselbe war, der Erste, der die wiedereröffnete Staatsoper übernommen hat. Und jetzt war mehr oder weniger der dritte Rückblick, wo wir speziell auf alle eingegangen sind. Aber, sagen wir so, so systematisch versucht aufzuarbeiten, dass wir wirklich alle einzelnen Abteilungen wirklich durchleuchten, das ist noch nicht passiert.
Schäfer-Noske: Ihre Mitarbeiter haben ein Dreivierteljahr in den Archiven recherchiert für diese Ausstellung. Wurden denn 1938 vor allem Exempel an Stars statuiert, oder hat es alle getroffen?
Lang: Es hat wirklich alle getroffen, definitiv sowohl Stars betroffen als auch bis hin zu Bühnenarbeitern und Wäscheverwahrinnen. Es war alle größeren Abteilungen wie Ballett, Chor, Orchester, Sänger, Direktionsetage, es war wirklich durch das ganze Haus durch.
Schäfer-Noske: Welche Folgen hatten denn diese Entlassungen damals für die Wiener Staatsoper und für den Betrieb?
Lang: Für den Betrieb hat es zumindest einmal gleich am Beginn jene Folgen gehabt, dass die Qualität so viel schlechter geworden ist, dass sich sowohl das Publikum beschwert hat als auch tatsächlich Nazi-Bonzen interne vertrauliche Briefe geschrieben haben, die gesagt haben, das geht doch nicht, dass jetzt die Qualität so schlecht geworden ist. Und das hat wirklich sowohl den Chor betroffen als auch das Orchester und die ganze Qualität aller Aufführungen. Und es ist ganz interessant, was man gar nicht annehmen würde, dass Werke von Wagner nach 1938, also nach dem Einmarsch, weniger wesentlich weniger gespielt wurden als vorher, weil die Künstler gefehlt haben.
Schäfer-Noske: Inwieweit gab es denn Widerstand gegen diese Entlassungen?
Lang: Einen wirklichen Widerstand hat es in dem Sinne nicht gegeben. Das Einzige, was es vielleicht gegeben hat, dass man, da so viele pensioniert wurden, ich weiß es nicht, man kann es nicht genau sagen, ob das aus menschlichen Gründen passiert ist oder einfach aus Gründen passiert ist, weil man sonst nicht weiter hätte spielen können, aber es war definitiv so, dass zum Beispiel ein Fall, den wir hier in unseren Staatsoperakten gefunden haben, da gab es einen Paukisten, und den hat man dann als Substitut geheim weitergeführt, einfach weil Bedarf war. Und da gab es offensichtlich dann Spitzel im Zuschauerraum, die dann den angezeigt haben, worauf dann ein reger Briefwechsel zwischen Berlin und Wien angefangen hat, wo einfach wirklich das Staatsoperorchester und die Staatsoper versucht haben, diesen Musiker zu halten und auch die Strafzahlungen, die der hätte zahlen sollen, diese Sachen eben aufgehoben werden. Das heißt, man hat es ganz leicht versucht, wirklichen Widerstand hat es nicht gegeben.
Schäfer-Noske: Wird denn das Schicksal der ehemaligen, oder besser gesagt, der entlassenen Mitarbeiter weiter verfolgt in der Ausstellung?
Lang: Ja. Wir versuchen wirklich, so gut es geht, aufzuzeigen, wann die Kündigungen, wie die Kündigungen stattgefunden haben. Es war auch ziemlich unterschiedlich. Der Effekt war immer gleich. Aber manche hat man sozusagen vorerst einmal beurlaubt und hat dann die Kündigung ausgesprochen. Manche hat man zwangspensioniert. Das Ergebnis war immer gleich. Und dann haben wir versucht nachzuschauen, was passiert mit diesen. Einige wurden zum Beispiel vertrieben, konnten, was weiß ich, in den USA zum Beispiel eine neue Karriere aufbauen. Andere sind, wie zum Beispiel der berühmte Dirigent Karl Alwin, der hier 18 Jahre lang gearbeitet hat, ist dann verbittert, hat zwar weiter dirigiert im Ausland, aber ist dann verbittert verstorben. Wieder andere wollten zurückkommen, ganz wenige wurden wieder eingeladen, um hier mitzuarbeiten nach 1945. Sehr viele wurden auch ermordet. Das heißt, wir haben versucht, diverse Schicksale herauszugreifen und zu zeigen, was ist mit denen passiert, wie ging es mit denen noch weiter.
Schäfer-Noske: Kamen denn diese Entlassungen 1938 unvorbereitet, oder gab es da schon vorher Unterschiede zwischen Juden und Nichtjuden?
Lang: Aus den Akten, die wir gefunden haben, wir können nicht nachweisen, dass es vorher schon große Unterschiede gegeben hat. Allerdings muss man eines dazu sagen, dass innerhalb von ganz, ganz kurzer Zeit, es ist eigentlich von einem Tag auf den anderen, gab es bereits schwarze Listen, gab es bereits ausführliche, penible Listen, wo genau aufgelistet wird, wer ist Halbjude, wer ist Vierteljude, so nach diesem typischen Nazi-Jargon und dann einfache Strichlisten geführt werden. Das heißt, da die offensichtlich so schnell zur Hand waren, hat es intern sicherlich schon eine Zweiteilung gegeben, gab es sicherlich schon, vor allem in diversen Nazizellen, Vorbereitungen für einen möglichen Ausschluss von jüdischen Mitarbeitern. Aber offiziell hat es das nicht gegeben.
Schäfer-Noske: Die Wiener Staatsoper arbeitet ihre NS-Vergangenheit in einer Ausstellung auf. Das war ein Gespräch mit dem Kurator Andreas Lang.
Andreas Lang: Wir haben ja mehrere Rückblicke gehabt in letzter Zeit. Wir haben 1995 den Rückblick gemacht auf 1945 und haben auch ein eigenes Festkonzert gehabt mit Werken von jenen Komponisten, die quasi zwischen bei uns 1938 und 1945, in Deutschland zwischen 1933 und 1945, nicht hätten gespielt werden können. Das war quasi der erste Rückblick in der Ära Holländer. Der zweite Rückblick war dann 2005, 50 Jahre Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper 1955. Und dort wurde bereits auch angesprochen die Kontinuität, die eben stattgefunden hat, dass quasi der letzte Staatsoperndirektor vor Ende des Zweiten Weltkrieges derselbe war, der Erste, der die wiedereröffnete Staatsoper übernommen hat. Und jetzt war mehr oder weniger der dritte Rückblick, wo wir speziell auf alle eingegangen sind. Aber, sagen wir so, so systematisch versucht aufzuarbeiten, dass wir wirklich alle einzelnen Abteilungen wirklich durchleuchten, das ist noch nicht passiert.
Schäfer-Noske: Ihre Mitarbeiter haben ein Dreivierteljahr in den Archiven recherchiert für diese Ausstellung. Wurden denn 1938 vor allem Exempel an Stars statuiert, oder hat es alle getroffen?
Lang: Es hat wirklich alle getroffen, definitiv sowohl Stars betroffen als auch bis hin zu Bühnenarbeitern und Wäscheverwahrinnen. Es war alle größeren Abteilungen wie Ballett, Chor, Orchester, Sänger, Direktionsetage, es war wirklich durch das ganze Haus durch.
Schäfer-Noske: Welche Folgen hatten denn diese Entlassungen damals für die Wiener Staatsoper und für den Betrieb?
Lang: Für den Betrieb hat es zumindest einmal gleich am Beginn jene Folgen gehabt, dass die Qualität so viel schlechter geworden ist, dass sich sowohl das Publikum beschwert hat als auch tatsächlich Nazi-Bonzen interne vertrauliche Briefe geschrieben haben, die gesagt haben, das geht doch nicht, dass jetzt die Qualität so schlecht geworden ist. Und das hat wirklich sowohl den Chor betroffen als auch das Orchester und die ganze Qualität aller Aufführungen. Und es ist ganz interessant, was man gar nicht annehmen würde, dass Werke von Wagner nach 1938, also nach dem Einmarsch, weniger wesentlich weniger gespielt wurden als vorher, weil die Künstler gefehlt haben.
Schäfer-Noske: Inwieweit gab es denn Widerstand gegen diese Entlassungen?
Lang: Einen wirklichen Widerstand hat es in dem Sinne nicht gegeben. Das Einzige, was es vielleicht gegeben hat, dass man, da so viele pensioniert wurden, ich weiß es nicht, man kann es nicht genau sagen, ob das aus menschlichen Gründen passiert ist oder einfach aus Gründen passiert ist, weil man sonst nicht weiter hätte spielen können, aber es war definitiv so, dass zum Beispiel ein Fall, den wir hier in unseren Staatsoperakten gefunden haben, da gab es einen Paukisten, und den hat man dann als Substitut geheim weitergeführt, einfach weil Bedarf war. Und da gab es offensichtlich dann Spitzel im Zuschauerraum, die dann den angezeigt haben, worauf dann ein reger Briefwechsel zwischen Berlin und Wien angefangen hat, wo einfach wirklich das Staatsoperorchester und die Staatsoper versucht haben, diesen Musiker zu halten und auch die Strafzahlungen, die der hätte zahlen sollen, diese Sachen eben aufgehoben werden. Das heißt, man hat es ganz leicht versucht, wirklichen Widerstand hat es nicht gegeben.
Schäfer-Noske: Wird denn das Schicksal der ehemaligen, oder besser gesagt, der entlassenen Mitarbeiter weiter verfolgt in der Ausstellung?
Lang: Ja. Wir versuchen wirklich, so gut es geht, aufzuzeigen, wann die Kündigungen, wie die Kündigungen stattgefunden haben. Es war auch ziemlich unterschiedlich. Der Effekt war immer gleich. Aber manche hat man sozusagen vorerst einmal beurlaubt und hat dann die Kündigung ausgesprochen. Manche hat man zwangspensioniert. Das Ergebnis war immer gleich. Und dann haben wir versucht nachzuschauen, was passiert mit diesen. Einige wurden zum Beispiel vertrieben, konnten, was weiß ich, in den USA zum Beispiel eine neue Karriere aufbauen. Andere sind, wie zum Beispiel der berühmte Dirigent Karl Alwin, der hier 18 Jahre lang gearbeitet hat, ist dann verbittert, hat zwar weiter dirigiert im Ausland, aber ist dann verbittert verstorben. Wieder andere wollten zurückkommen, ganz wenige wurden wieder eingeladen, um hier mitzuarbeiten nach 1945. Sehr viele wurden auch ermordet. Das heißt, wir haben versucht, diverse Schicksale herauszugreifen und zu zeigen, was ist mit denen passiert, wie ging es mit denen noch weiter.
Schäfer-Noske: Kamen denn diese Entlassungen 1938 unvorbereitet, oder gab es da schon vorher Unterschiede zwischen Juden und Nichtjuden?
Lang: Aus den Akten, die wir gefunden haben, wir können nicht nachweisen, dass es vorher schon große Unterschiede gegeben hat. Allerdings muss man eines dazu sagen, dass innerhalb von ganz, ganz kurzer Zeit, es ist eigentlich von einem Tag auf den anderen, gab es bereits schwarze Listen, gab es bereits ausführliche, penible Listen, wo genau aufgelistet wird, wer ist Halbjude, wer ist Vierteljude, so nach diesem typischen Nazi-Jargon und dann einfache Strichlisten geführt werden. Das heißt, da die offensichtlich so schnell zur Hand waren, hat es intern sicherlich schon eine Zweiteilung gegeben, gab es sicherlich schon, vor allem in diversen Nazizellen, Vorbereitungen für einen möglichen Ausschluss von jüdischen Mitarbeitern. Aber offiziell hat es das nicht gegeben.
Schäfer-Noske: Die Wiener Staatsoper arbeitet ihre NS-Vergangenheit in einer Ausstellung auf. Das war ein Gespräch mit dem Kurator Andreas Lang.