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Die "Wilde 13" bleibt beharrlich

13 Unionsparlamentarier waren es zu Beginn, die eine steuerlichen Gleichstellung von Homosexuellen und Ehepaaren forderten. Inzwischen haben sich weitere Unionsabgeordnete angeschlossen. Geblieben ist aber der einprägsame Name "Wilde 13" und ihre Forderung nach weiterer Aussprache in der Partei.

Von Stefan Maas | 21.03.2013
    Es ist nur ein sehr kurzer Moment. In dem ist Jens Spahn gelöst. Richtet sich ein klein wenig auf, neigt den Kopf etwas zurück, die Mundwinkel wandern nach oben. Dann ist dieser Augenblick schon wieder vorüber. Hat kaum so lange gedauert wie die Frage, die zu dieser Antwort geführt hat:

    Sind Sie wild?

    Der 32-Jährige ist sofort wieder konzentriert, kneift die Augen hinter seiner schwarz umrandeten Brille kurz zusammen, um sie dann noch ein bisschen weiter aufzureißen. Wie er so dasitzt in seinem Bundestagsbüro, mit weißem Hemd, grün-gemusterter Krawatte, Kurzhaarschnitt und Siegelring am Finger, da ist "wild" in der Tat das letzte Wort, das einem zum gesundheitspolitischen Sprecher der Unionsfraktion einfallen würde. Und doch ist es genau dieses Wort, das Spahn seit letztem Sommer begleitet.

    Denn er gehört zur Gruppe der 13 Unions-Abgeordneten, die sich seitdem auch öffentlich für die Gleichstellung Homosexueller stark gemacht haben. Es sind Männer und Frauen dabei, nicht alle von ihnen sind homosexuell. Auf dem Parteitag im Dezember stellten sie einen Antrag zur steuerlichen Gleichstellung eingetragener Partnerschaften mit der Ehe. Seitdem ist der Name "Wilde 13" auch Programm.

    Jens Spahn:
    "Ich finde den etwas unglücklich. Und wir sind auch mehr als 13."

    Es gehe auch nicht darum, Schrecken in der Unionsfraktion und der CDU zu verbreiten, sagt Spahn, der sich im vergangenen Jahr zu seinem Schwulsein bekannt hat.

    Jens Spahn:
    "Worum es uns im Kern geht ist, dass die Union nicht ständig vom Verfassungsgericht getrieben wird, was umzusetzen, sondern tatsächlich auch in Sichtweite von absehbaren Urteilen selbst proaktiv Dinge umsetzt. Und dazu gehört im Kern das Steuerrecht. Die Sukzessivadoption. Und das sind erst einmal die beiden Punkte, um die wir uns kümmern."

    Kurz schien es vor einigen Wochen so, als hätten sie Erfolg gehabt. Gerade hatte das Bundesverfassungsgericht ein Urteil gesprochen, das es Schwulen und Lesben zukünftig erlaubt, ein Adoptivkind ihres eingetragenen Lebenspartners ebenfalls zu adoptieren, da wagten sich einige prominente Mitglieder der Unions-Bundestagsfraktion vor und erklärten, wie der Baden-Württemberger Landeschef, Thomas Strobl, die Union solle beim Thema Gleichstellung doch mal ein bisschen "lockerer werden". Was folgte, war ein Sturm der Entrüstung besonders aus der Schwesterpartei CSU. Am Ende holte CDU-Parteichefin Angela Merkel den Testballon wieder ein - die Luft aber ist noch lange nicht raus:

    Stefan Kaufmann:
    "Ich bin ein bissel enttäuscht, dass wir in den letzten zwei Wochen etwas zurück gefallen sind hinter den Stand, den wir schon hatten in der öffentlichen Diskussion."

    Sagt Stefan Kaufmann und lehnt sich in seinem Sessel zurück. Auch er trägt an diesem Tag ein weißes Hemd und einen Siegelring - und genau wie Jens Spahn sagt er, wild sei er eigentlich nicht. Beim Thema Gleichstellung aber aufmüpfig. Seit 2009 sitzt der Jurist für die CDU im Bundestag. Es gehe ihm nicht nur darum, für die eigenen Rechte zu streiten:

    Stefan Kaufmann:
    "Ich bin zum Beispiel gar nicht verpartnert. Also, ich habe steuerrechtlich jetzt gar nichts von der Gleichstellung. Aber für mich ist es in der Tat die Frage, wie offen ist die CDU, wie großstädtisch ist die CDU, wie modern ist die CDU."

    Und da sei noch einiges nachzuholen. Mit den 13 als Stachel im Fleisch von Partei und Fraktion - damit es möglichst unangenehm wird, Themen auszusitzen?

    Günter Krings
    "Also, die ärgern mich persönlich gar nicht."

    Sagt Günter Krings, stellvertretender Fraktionschef der Union.

    Günter Krings:
    "Ich finde es gut, dass da deutlich wird, dass innerhalb der Partei gerungen wird."

    Immerhin gehe es um einen Umbruch. Gesellschaftlich. Aber auch in der Partei.

    Günter Krings:
    "Ich glaube, auch diesen Kollegen ist bewusst, dass es nicht die einzig mögliche Position ist, die sie haben. Gerade beim Thema Volladoptionsrecht gibt's übrigens auch in der Gruppe manche, die da gewisse Zweifel haben."

    Die Wilde 13 - also doch keine Speerspitze für mehr Gleichstellung? Ja und nein, meint Stefan Kaufmann:

    "Große Gemeinsamkeit ist die Gleichstellung beim Einkommenssteuerrecht. Bei der Öffnung der Ehe ist sicher noch eine Konfliktlinie. Aber auch beim gemeinsamen Adoptionsrecht. Also ich weiß von Kolleginnen und Kollegen, die in diesem Punkt auch ein Problem haben."

    Und wie hält er es selbst? Mit der Öffnung der Ehe? Die sei nicht zwingend notwendig, sagt er, immerhin gibt es ja die eingetragene Partnerschaft:

    Stefan Kaufmann:
    "Aber nichtsdestotrotz könnte ich mir persönlich diesen Schritt noch vorstellen. Aber ich glaube, dass man da in der Partei noch einmal drüber diskutieren müsste."

    Jens Spahn:
    "Es geht darum, eine rechtliche Gleichstellung zu haben. Und dann braucht man auch keine Öffnung der Ehe. Das löst auch noch einmal unnötig emotionale Reaktionen aus, die ich im Übrigen auch verstehe. Da tun sich dann auch meine Eltern schwer."

    Sagt der Münsterländer Spahn. Und der Vorstoß im Bundesrat?

    Jens Spahn:
    "Was wir jetzt schon erleben im Bundestagswahlkampf in Bundesrat und Bundestag, ist, dass SPD, Grüne und Linke schon versuchen, das Thema immer wieder als Showthema hochzuziehen."

    Auch aus diesem Grund hätten die Mitglieder der "Wilden 13" in der vergangenen Woche nicht mit der Opposition gestimmt. Da hatten die Grünen im Bundestag einen Entwurf zur völligen Gleichstellung bei der Adoption eingebracht und zwei Anträge zur steuerlichen Gleichstellung.

    Jens Spahn:
    "Ich krieg natürlich auch viele böse Emails die sagen: warum stimmt ihr nicht einfach dem grünen Gesetzentwurf zu, dann ist die Sache doch auch erledigt. In der Sache mag das so sein, aber für den Gesamtprozess finde ich es wichtig, dass meine Partei und meine Fraktion zu einem anderen Ergebnis kommen. Deswegen werbe ich noch, auch wenn es manchmal anstrengend ist."

    Für die Wilde 13 heißt das also: weiter nach Karlsruhe starren:

    Stefan Kaufmann
    "Aber spätestens dann, wenn das Bundesverfassungsgericht sein Urteil gesprochen hat in Sachen Ehegattensplitting, wird man auch von den 13 wieder hören."