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Die Wirtschaft entdeckt die Ökoeffizienz

Wir hatten gestern bereits darüber berichtet: in Düsseldorf findet derzeit die internationale Umweltmesse ENVITEC statt, eine Messe, auf der über Umweltschutz und Umwelttechnik informiert wird und die vor allem für die deutschen Industrieunternehmen, die auf diesem Markt tätig sind, interessant ist. Parallel dazu tagen heute und morgen international angesiedelte Unternehmen, die sich den Umweltschutz auf ihre Fahnen geschrieben haben und ihn als Bestandteil ihres unternehmerischen Handelns sehen. Es geht dabei um Begriffe wie Ökoeffizienz und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung.

Von Sigrid Müller |
    In Vorbereitung auf den großen Umweltgipfel in Rio de Janeiro gründete vor 10 Jahren eine Handvoll umweltbewusster Unternehmer das "World Business Council for sustainable development," den "Weltwirtschaftsrat für nachhaltige Entwicklung." Seitdem haben die einflussreichen Herren aus den Chefetagen bei ihren Treffen nur ein Thema: die Öko-Effizienz in der Wirtschaft. Und der Klub der engagierten Unternehmer wird immer größer, erklärt Jan-Dirk Seiler vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie:

    "Heute diskutieren rund 140 global agierende Unternehmen in diesem Unternehmensverband und versuchen andere davon zu überzeugen, dass es sinnvoll ist Ökologie und Ökonomie zu verbinden, um mehr Profit im Unternehmen zu erreichen."

    Da sind die meisten Umweltschützer inzwischen ganz nüchtern: ökologisches wirtschaften wird von den Konzernen nicht aus Nächstenliebe betrieben, sondern weil es sich rechnet. Öko-Effizienz ist dabei nicht mehr nur ein Schlagwort sondern eine berechenbare Größe. Seit Mitte der 90er Jahre gibt es dafür einen Richtwert, den sogenannten "Faktor Vier". Geprägt hat diesen Begriff Ernst Ulrich von Weizsäcker , Gründungspräsident des Wuppertaler Klimainstitutes:

    "Dass heißt, dass man mehr Wohlstand aus dem Energie- und Stoffeinsatz herausholt. Also aus einer Tonne Kupfer oder einer Kilowattstunde oder einem Kubikmeter Wasser viermal soviel Wohlstand herausholt. Dass man weltweit doppelt soviel Wohlstand und gleichzeitig nur noch den halben Naturverbrauch anbieten kann."

    Diese einfache Formel : Halber Ressourcenverbrauch bei doppeltem Wohlstand gehört inzwischen auch in vielen Wirtschaftsunternehmen zum Einmaleins der Effizienzrechnung.

    Eine Fabrikhalle im nordrhein-westfälischen Kempen. Hier bauen Mitarbeiter der Firma SEW Systemtechnik die Herzstücke ihrer hocheffizienten Klimaanlagen. Grundlage dieses Systems ist die Wärmerückgewinnung. Und die hat Firmeninhaber Heinz Schilling revolutioniert:

    "Früher dienten diese Systeme ja nur dazu, dass man im Winter kalte Luft praktisch mit der Wärme aus der verbrauchten Abluft erwärmt hat, das ist Wärmerückgewinnung. Bedeutend wirtschaftlicher werden diese Wärmerückgewinnungssysteme dadurch, dass diese Wärmetauscher nicht nur im Winter genutzt werden zu Erwärmung der Luft sondern dadurch, dass die auch im Sommer zur Kühlung benutzt werden."

    Der Wirkungsgrad dieser Anlagen ist enorm, sie sind fast doppelt so effizient wie herkömmliche Systeme. Damit erspart die Niedrig-Energietechnik dem globalen Treibhaus jährlich 89 000 Tonnen Co2. Doch auch die Großen in der Wirtschaft beginnen sich zu bewegen. Der Chemiekonzern BASF prüft seit einiger Zeit seine Produkte mit Hilfe einer Öko-Effizienz-Analyse. Der Umwelt-Check ist umfassend, er geht vom Rohstoffeinsatz bis zur Abfalltonne mit detaillierter Kostenanalyse. Ohne diese Zahlen plant der Konzern heute keine neuen Produktionsanlagen mehr. Und nur so wird es Zukunft gehen , meint Andreas Kicherer von BASF:

    "Nur wenn wir Produkte auf den Markt bringen, die sich wirtschaftlich tragen, die ökologisch sinnvoll sind und sozial verträglich sind, nur das sind die Produkte der Zukunft. Und nur Unternehmen, die diese Produkte herstellen sind Unternehmen der Zukunft."

    Das hat sich auf den großen Aktienmärkte herumgesprochen. Seit eineinhalb Jahren gibt es neben dem "Dow Jones Index" die ökologische Variante: den "Dow Jones Sustainability Index". Zur Zeit gehören rund 200 global agierende Konzerne dieser exklusiven Gruppe an. Ausgesucht werden die Unternehmen durch ein umfangreiches Prüfverfahren, das die Züricher Investmentgesellschaft SAM zusammen mit dem amerikanischen Indexanbieter Dow Jones entwickelt hat. Hier spielen neben der Ökoeffizienz auch soziale Daten eine große Rolle. Der Dow Jones Nachhaltigkeitsindex versteht sich nicht als eine "grüne" Aktiengruppe. Konzerne der Öl und Chemiebranche sind ebenso vertreten wie Autofirmen. SAM Mitarbeiter Alois Flatz erklärt, warum das so ist:

    "Wir definieren Sustainability danach, wie Unternehmen auf die ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Veränderungen reagieren. Und wir bezeichnen dann ein Unternehmen als nachhaltig, wenn es innerhalb der Branche am besten und am schnellsten reagiert. Und innerhalb einer Branche, die ökologische Belastungen hat, sind die Unterschiede zwischen den Unternehmen sehr, sehr groß."

    Und die Bilanzen geben den Branchenvorreitern recht: verglichen mit der Konkurrenz lagen ihre Kurse in den vergangenen sechs Jahren im Durchschnitt um 40 Prozent höher.