
"Merz nutzte die zweite Rede innerhalb von einer Woche, um auf die Kritik an der ersten zu reagieren. Keine schlechte Idee. Zumal in der Zwischenzeit wohl auch der ein oder andere Termin Spuren hinterlassen haben wird. Am Montag zum Beispiel empfing der Kanzler die Spitzenvertreter von Industrie, Arbeitgebern und Handwerk. Die Herrschaften waren nicht besonders gut drauf, klagten über hohe Energiepreise und zu viel Bürokratie. Merz reagierte überrascht, hieß es anschließend aus Verbandskreisen. Der Kanzler kann nun beobachten, dass er seinen Vorschuss bei Wirtschaftsvertretern so gut wie aufgebraucht hat. Sie haben ihm vertraut, dass er, ein Mann mit ordnungspolitisch reinem Gewissen, mit Rekordschulden sorgsam umgehen wird. Jetzt kritisieren drei der vier Ökonomen, die das 500-Milliarden-Paket vorgeschlagen haben, dass nicht alles in Investitionen fließe. Das trägt nicht unbedingt zur weiteren Vertrauensbildung bei."
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG blickt auf das trotz vieler Probleme neu erwachte Interesse von Investoren am Standort Deutschland:
"Dafür gibt es mehrere Gründe. Das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen und das Aufbohren der Schuldenbremse signalisieren eine neue Ausgabenfreude der Bundesregierung, die Wachstum in Europas größter Volkswirtschaft verspricht. Die schwarz-rote Koalition kündigt zudem Strukturreformen an, die Unternehmen das Leben leichter machen sollen. Hinzu kommt, dass man sich im Ausland alle Mühe gibt, unattraktiver zu werden: Donald Trumps erratische Wirtschaftspolitik mag zwar das ein oder andere Unternehmen verleiten, Produktion nach Amerika zu verlagern, um Zölle zu umgehen. Die Unsicherheit insgesamt hat aber dazu geführt, dass die jahrelange Fokussierung der Investoren auf die Vereinigten Staaten ein Ende hat. Auf das neue Interesse an Deutschland werden aber erst dann neue Fabriken und Arbeitsplätze folgen, wenn die Bundesregierung Wort hält und Reformen folgen lässt."
Ähnlich sieht es das HANDELSBLATT mit Blick auf Investitionen beim Energienetzbetreiber Tennet:
"Internationale Geldgeber glauben an das, was hierzulande passiert: an die deutsche Politik und vor allem auch an die Energiewende, die Transformation. Wer Milliarden in Stromnetze investiert, geht von einem stark steigenden Strombedarf aus – und damit von einer Elektrifizierung von Industrie, Autos und Heizungen. Diese Signale machen Mut in einer Zeit, in der an vielen anderen Stellen eine Abkehr von den bisherigen Transformationszielen diskutiert wird – weil sich abzeichnet, dass sie Menschen und Unternehmen überfordern. Doch während die politischen Ziele zu wackeln scheinen, wetten die neuen Stromnetz-Investoren auf eine erfolgreiche Transformation – mit einem Wetteinsatz von mehreren Milliarden Euro. Daraus lässt sich Hoffnung schöpfen, dass andere nach- und mitziehen."