Donnerstag, 02. Mai 2024

Archiv


Die Wurst im gläsernen Darm

Die Skandale in der Fleischbranche haben in den vergangenen Monaten gezeigt, dass die Kontrolle der Lebensmittelherstellung verbesserungswürdig ist. Die Bundesregierung will mit einem Verbraucherinformationsgesetz Abhilfe schaffen, das unter anderem die Nennung der Täter bei Lebensmittelskandalen erleichtern soll. Doch wie gut ist der Gesetzesplan in den Augen von Verbraucherschützern?

Von Dieter Nürnberger | 22.02.2006
    Konkret ausgedrückt hält die Verbraucherschutz-Organisation Foodwatch wenig von den gegenwärtigen Plänen. Die schwarz-rote Bundesregierung hatte ja im November vergangenen Jahres ein Verbraucherinformationsgesetz als wesentliches Element der Verbraucherpolitik angekündigt, und Entwürfe dazu wurden auch im Januar vorgestellt. Doch die Schwächen liegen laut Foodwatch vor allem in der Transparenz der notwendigen Informationen, um ein solches Vorhaben sinnvoll erscheinen zu lassen. Missstände in der Lebensmittelwirtschaft könnten so kaum beseitigt werden. Thilo Bode, der Geschäftsführer von Foodwatch;

    "Nach unserer Auffassung verstößt der jetzige Entwurf von Herrn Seehofer sogar gegen den Koalitionsvertrag. Der Grund liegt darin, dass die Lebensmittelwirtschaft und die Agrarindustrie hier kräftig mitmischen. Der Bund für Lebensmittelkunde und Lebensmittelrecht, auch der Deutsche Bauernverband, insbesondere auch der Bundesverband der Deutschen Industrie vertreten die Meinung, dass der Markt von sich aus für die nötige Transparenz sorgt. Das ist aber nicht der Fall. Wie wir sehen, muss der Staat hier intervenieren. Der Markt von sich aus, stellt diese Informationen nicht zur Verfügung. Sonst hätten wir nämlich die ganzen Lebensmittelskandale – Gammelfleisch et cetera – überhaupt nicht in Deutschland."

    Die Schwächen des Regierungsentwurfs liegen vor allem, so heißt es, im schwierigen Informationszugang. Es gäbe beispielsweise weiterhin auch einen Vorrang der Geheimhaltung. Den Regierungsplan hat Michael Günther analysiert, ein Hamburger Rechtsanwalt:

    "Das sind nicht nur die Geschäftsgeheimnisse. Es sind auch vertrauliche Hinweise. Oder: Auch Auskünfte, die erteilt werden müssen gegenüber den Behörden, weil etwa Straftatbestände vorliegen. So etwas kann derzeit zurückgehalten werden. Es gibt zudem viele formale Möglichkeiten, man kann auf Zeit spielen – sogar über Jahre hinweg. Und Verbraucherinformationen müssen aktuell sein, sonst sind sie wertlos. Wir haben die Entwürfe geprüft, wir sind da ziemlich enttäuscht. Weil dies alles nicht mehr bewirken würde als das, was wir derzeit schon an Möglichkeiten haben."

    Deshalb hat Foodwatch heute auch einen Gegenentwurf vorgelegt. Ein Verbraucherinformationsgesetz müsse demnach gewährleisten, dass Unternehmen beispielsweise über Produkte und die Produktionskette verpflichtend Auskunft geben müssen. Und generell solle gelten, Informationen zur Abwehr von Gefahren für die Verbraucher haben Vorrang vor Informationsausschlussgründen, die Unternehmen anbringen könnten. Thilo Bode blickt da auch etwas neidisch nach Großbritannien:

    "In England haben wir ja seit dem Jahr 2000 die so genannte Food-Standards-Agency. Die gibt tagesaktuell Meldungen an die Verbraucher hinaus – über kontaminierte Lebensmittel, über Produkte, die zurückgerufen werden. Die Anzahl der signifikanten Lebensmittelskandale ist in Großbritannien zurückgegangen. Denn keine Firma möchte ihren eigenen Namen so veröffentlicht sehen. Es besteht somit ein starker Druck, auch für die Behörden, hier präventiv tätig zu werden. Und insbesondere ist es auch wichtig, dass die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen bekannt gemacht werden."

    Zuallererst müsse also ein effektives Verbraucherinformationsgesetz her. Über die Institutionen, die dann die notwendigen Informationen auch für die Verbraucher öffentlich machen sollen, könne später noch entschieden werden. Aber ganz klar: Foodwatch plädiert hier für eine unabhängige Institution, nicht etwa für eine Behörde, die ohnehin im Ministerium angesiedelt ist. Noch einmal der Geschäftsführer von Foodwatch:

    "Das Landwirtschaftsministerium ist ja auch für die Landwirte zuständig. In den Ländern, wo erfolgreiche Informationsgesetze gelten, sind unabhängige Behörden für die Informationen verantwortlich. Beispielsweise in England und Irland. Ich glaube, das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, welches ja dem Landwirtschaftsministerium unterstellt ist, teilt auch unsere Auffassung. Deren Präsident meint beispielsweise, dass die offensive Politik der Food-Standards-Agency in Großbritannien vorbildlich ist. Das ist für Herrn Seehofer sicher ein Schlag ins Gesicht."

    Vorwurf der Verbraucherschützer also: Das neue, geplante Verbraucherinformationsgesetz fördere nicht den mündigen Bürger. Dazu gehöre deutlich mehr Transparenz – und nur mit Transparenz könnten die vielen unappetitlichen Skandale der vergangenen Jahre in Zukunft verhindert werden.