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Die XXL - Kids auf dem Vormarsch

Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gallensteine, Bandscheibenvorfälle - das sind Krankheiten, die normalerweise erst im Erwachsenenalter auftreten. Doch mittlerweile sind davon bereits viele Kinder und Jugendliche betroffen. Und selbst der Altersdiabetes ist in der Praxis des Kinderarztes keine Seltenheit mehr. Der Grund: Kinder essen zu fett und leiden an Bewegungsmangel. Das beginnt im Kindergarten und setzt sich in der Grundschule fort. Beispiel Köln. Dort sind - nach einer Untersuchung des Gesundheitsamtes 30 Prozent der Grundschüler übergewichtig. Im Bundesdurchschnitt leider kein Einzelfall; Was ist zu tun? Denn aus dicken Kindern werden oft dicke Erwachsene. Und bereits knapp die Hälfte der Bundesbürger - so die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes - haben Übergewicht. Die Deutsche Sporthochschule Köln hat ein Pilotprojekt gestartet, das vorbeugen helfen soll.

Barbara Weber |
    Burgschule in Köln Frechen: Kinder der 2.Klasse haben frische Möhren von zu Hause mitgebracht. Benjamin Koch, Sportstudent an der Deutschen Sporthochschule Köln, steht an der Tafel. Gemeinsam mit den Kindern überlegt er, wie ein leckerer Dip auch ohne fettige Mayonnaise hergestellt werden kann.

    "Wir haben einen Quark gemacht und essen gerade Möhren...(schmatz) Kresse, Quark, Pfeffer, Salz, ... Oregano...Yoghurt.... Gemüsebrühe-salz.... lecker."

    Theorie nennt sich das, was die Kinder da lernen. Dabei beschränkt sich die Gesundheitserziehung nicht nur auf das gesunde Essen. Dazu kommt wöchentlich zusätzlich eine Stunde Sport. Seit 1,5 Jahren ist die Gruppe jetzt zusammen. An drei Kölner Schulen startete damals das Pilotprojekt, bislang durch-geführt von Mitarbeitern der Deutschen Sporthochschule.

    Projektleiterin Dr. Christine Graf, Ärztin am Institut für Kreislauf und Sportmedizin der Deutschen Sporthochschule Köln:

    "Die Grundidee war eben, wie können wir mehr Gesundheit für Kinder an eine Struktur bringen, die eben auch für Kinder strukturiert ist. Das bietet sich eben an in der Schule, dort haben wir gestartet mit dieser einen Stunde Gesundheitserziehung und Sportunterricht, haben aber gesehen, dass das ein Luxusprojekt ist, dass es eben nicht möglich ist, Schulen grundsätzlich damit auszustatten und haben jetzt eben begonnen, das Ganze auszuweiten und an die Lehrer heranzutragen, die eben diese Sportstunden integrieren in den Unterricht, in die Pause und auch die Gesundheitserziehung der Kinder übernehmen, und in der Hoffnung, dass die etwas älteren Sportlehrer Hilfeleistungen mitnehmen und auch der Sportunterricht etwas optimiert wird."

    Wie wichtig auch die Optimierung des Sportunterrichtes ist, zeigt sich an motorischen Defiziten. Wolfgang Krause, Diplom Sportlehrer und Dozent am Institut für Individualsport der Deutschen Sporthochschule:

    "Das macht sich im Alltagsleben der Kinder bemerkbar, nicht nur bei sportlichen Dingen sondern auch so, wie sie sich im Alltag bewegen, ... zum Beispiel Straßenverkehr, anhalten... am Bordstein, wenn es darum geht, die Kinder spielen, laufen auf den Bürgersteig und wollen über die Straße, müssen aber am Straßenrand stehen bleiben, da haben sie zu-nehmend Probleme, genau an dieser Stelle eben zu stoppen. .... Ich denke das hängt damit zusammen, dass die Kinder eben im frühen Kindesalter zu wenig diese Dinge trainieren, das heißt, das optische Wahrnehmen einerseits und zum zweiten dann das Einsteuern auf die muskuläre Reaktion funktioniert nicht."

    Hier will das Projekt gegensteuern. Die Erfahrungen sind bislang positiv. Die Kinder reagieren begeistert auf das Angebot. Schulen und Lehrer unterstützen die Arbeit. Erstaunt war Dr.Graf über die Reaktion der Eltern, die zunächst ebenfalls befragt wurden und ihr Einverständnis zu dem Angebot geben mussten:

    "Die Befragung war ein bisschen erschreckend, dass auch die Eltern im Durchschnitt, also die Frauen 32 und die Männer 38 Jahre, im übergewichtigen Bereich waren, also die Frauen mit diesem Körper-Masse-Index von 25, was genau an der Grenze ist Normalgewicht/Übergewicht. Aber die Männer eben schon mit 27, und das ist schon moppsig, muss man sagen. Aber...was auch erschreckend ist, ist das Freizeitverhalten der Eltern, die machen nämlich im Grunde genommen nichts, zum Teil, weil sie keine Lust haben, der größte Teil, und zum Teil auch aus Zeitgründen, und wir hatten Ihnen angeboten, eine Stunde pro Woche Sport extra, und es kamen von 30 Elternpaaren vier."

    Keine Regel ohne Ausnahme: Monika Hartmann, deren Sohn Philipp in der Klasse 2B eifrig am Gesundheitsunterricht beteiligt ist, arbeitet an der Aktivierung der anderen Eltern.

    "Die Reaktion auf den Unterricht, also Theorie und Praxis, ist wunderbar, wir hatten sogar einige Versuche gestartet, die Eltern auch aktiv mit einzubeziehen. Aber das ist leider an der Terminplanung gescheitert. .... Also das hängt jetzt ein bisschen in der Luft, aber ich hoffe doch, dass der ein oder andere sich durch sein Kind animiert fühlt, mal das Fahrrad wieder aus dem Keller zu holen. (lachen)"

    Resümee: nicht nur die Kinder lernen, besser und eigenverantwortlich mit ihrer Gesundheit umzugehen. Monika Hartmann hat beobachtet, dass die Eltern auch von den Kindern lernen. Nach den Erfolgen soll das Gesundheitsprojekt zum neuen Schuljahr an weiteren 12 Kölner Schulen durchgeführt werden.