Ein wenig wie aus Zeit und Raum gefallen wirkte er selbst, der Barbereich des Theaters an der Ruhr. Draußen strahlende Sonne, die Verlockungen eines wunderbaren Sommertages – und hier der durch rote Plüschvorhänge abgedunkelte Raum, eine abgeschottete, intime Welt, wie geschaffen, über das Ende der Repräsentationskultur nachzudenken. Eines stimmt ja, befand der Germanist Jochen Hörisch: Theater, Theorie und Theologie – die großen Bühnen der Weltendeutung bieten keine rechten Dramen mehr.
"Das Theater ist unzeitgemäß, es gibt es seit zweieinhalbtausend Jahren. Heute noch Theorie, Großtheorie zu betreiben, ist unzeitgemäß. Wir gaben fragmentierte, quantifizierte Kleinsttheorien, man kann sie kaum Theorien nennen. Und Theologie ist aus Gründen, die ich gar nicht mehr ausführen muss, unzeitgemäß. Und die These ist, dass diese Form von Unzeitgemäßheit genau die Distanz zur rotierenden Gegenwart schafft, die man braucht."
Aber noch hat sich die neue Unzeitgemäßheit nicht angemessen artikuliert, noch proben ihre Vordenker den Auftritt. Wie füllen wir dieses Zwischentief? Wir bringen selbst Tiefe in unser Leben, erklärt der Sozialwissenschaftler Hartmut Rosa: Wir füllen es an mit immer weiteren Sinneinheiten – und bringen es so enorm in Fahrt.
"Dass man sagen kann, das Leben wird reichhaltiger, wenn ich schneller lebe, weil ich dann mehr Erlebnisse sammeln kann, weil ich doppelt so schnell lebe, kriege ich praktisch zwei Lebenspensen in eins gepackt. Und das erzeugt gewissermaßen die Idee eines ewigen Lebens vor dem Tod."
Allerdings trifft sich die private Mobilmachung derzeit auf ungute Weise mit der kollektiven. Finanzkrise, Klimakrise – die Welt ist aus dem Takt geraten und versucht wieder hineinzufinden. Genau das, fürchtet der Sozialpsychologe Harald Welzer, wird aber nicht gelingen. Denn die Krise, die wir durchleben, ist gar keine Krise. Sie ist der Anfang von etwas ganz Neuem.
"Und da übersieht man, dass man es möglicherweise bei den Gegenwartskrisen eben nicht mit Krisen zu tun hat, also Unterbrechungen von stabilen Zuständen durch eine Krise Rückkehr in einen stabilen Zustand, sondern mit gravierenden Veränderungsprozessen, die unsere Welt einfach verändern werden. Das lässt sich innerhalb linearer Fortschrittsbegriffe nicht denken."
Die Welt tritt in eine Zeit, für die sie keine Sprache hat. Eine enorme Herausforderung für die Repräsentationskultur alten Stils, die darüber vielleicht an ihr Ende kommen könnte. In dem Fall bräuchte man ganz neue Vorstellungen vom Lauf der Welt und dem, was sie zusammenhält. Doch bevor es soweit ist, glaubt Harald Welzer, stehen erstmal gewaltige sprachliche Abrissarbeiten bevor.
"Um aus dieser fatalen Situation rauszukommen, muss man einfach anfangen, selber zu denken und nicht in diesen vorgegebenen Begrifflichkeiten – Alternativlosigkeit, Wachstumsbeschleunigung und dieses ganze unhinterfragte Zeugs, was aber eigentlich nicht mehr ist als Gerede – das muss man hinterfragen und dann muss man beginnen, die Welt, die Demokratie, die Gesellschaft, in der man lebt, als politisches Gemeinwesen zu begreifen, zu dem man selber gehört und wo man geradezu die Verpflichtung hat, zu sagen, Augenblick mal! Ich möchte jetzt mal nachfragen, was bedeutet denn eigentlich "Rettungsschirm"?"
Rettungsschirm, Abwrackprämie, Wachstumsbeschleunigung: diese Begriffe, war man sich in Mülheim einig, dürften der Vorstellungswelt einer Gesellschaft angehören, die sich von der Weltbühne gerade verabschiedet. Wie verkraftet man das? Womöglich durch eine neue Bescheidenheit, glaubt der Soziologe Hartmut Rosa. Eine Bescheidenheit, die er als Theorie der "Resonanzen" beschrieb, und die die Poesie der Welt wieder entdeckt, in der
"… wir Momente des Glücks erfahren oder auch ein gutes Leben haben, wenn wir Resonanzerfahrungen machen – in sozialen Räumen, aber auch im Umgang mit der Natur und sogar mit der eigenen Arbeit. … Und wenn wir darauf den Blick noch einmal lenken kollektiv, dann können wir, glaube ich, gelingende Formen von sozialer Interaktion, von Gesellschaftsgestaltung, von misslingenden Unterschieden entlang der Parameter "Resonanz" und "Entfremdung" und eben nicht entlang der Parameter "Wachstum" oder "Rezession."
Weitere Infos zum Symposium finden Sie auf der Homepage der Müllheimer Theatertage.
"Das Theater ist unzeitgemäß, es gibt es seit zweieinhalbtausend Jahren. Heute noch Theorie, Großtheorie zu betreiben, ist unzeitgemäß. Wir gaben fragmentierte, quantifizierte Kleinsttheorien, man kann sie kaum Theorien nennen. Und Theologie ist aus Gründen, die ich gar nicht mehr ausführen muss, unzeitgemäß. Und die These ist, dass diese Form von Unzeitgemäßheit genau die Distanz zur rotierenden Gegenwart schafft, die man braucht."
Aber noch hat sich die neue Unzeitgemäßheit nicht angemessen artikuliert, noch proben ihre Vordenker den Auftritt. Wie füllen wir dieses Zwischentief? Wir bringen selbst Tiefe in unser Leben, erklärt der Sozialwissenschaftler Hartmut Rosa: Wir füllen es an mit immer weiteren Sinneinheiten – und bringen es so enorm in Fahrt.
"Dass man sagen kann, das Leben wird reichhaltiger, wenn ich schneller lebe, weil ich dann mehr Erlebnisse sammeln kann, weil ich doppelt so schnell lebe, kriege ich praktisch zwei Lebenspensen in eins gepackt. Und das erzeugt gewissermaßen die Idee eines ewigen Lebens vor dem Tod."
Allerdings trifft sich die private Mobilmachung derzeit auf ungute Weise mit der kollektiven. Finanzkrise, Klimakrise – die Welt ist aus dem Takt geraten und versucht wieder hineinzufinden. Genau das, fürchtet der Sozialpsychologe Harald Welzer, wird aber nicht gelingen. Denn die Krise, die wir durchleben, ist gar keine Krise. Sie ist der Anfang von etwas ganz Neuem.
"Und da übersieht man, dass man es möglicherweise bei den Gegenwartskrisen eben nicht mit Krisen zu tun hat, also Unterbrechungen von stabilen Zuständen durch eine Krise Rückkehr in einen stabilen Zustand, sondern mit gravierenden Veränderungsprozessen, die unsere Welt einfach verändern werden. Das lässt sich innerhalb linearer Fortschrittsbegriffe nicht denken."
Die Welt tritt in eine Zeit, für die sie keine Sprache hat. Eine enorme Herausforderung für die Repräsentationskultur alten Stils, die darüber vielleicht an ihr Ende kommen könnte. In dem Fall bräuchte man ganz neue Vorstellungen vom Lauf der Welt und dem, was sie zusammenhält. Doch bevor es soweit ist, glaubt Harald Welzer, stehen erstmal gewaltige sprachliche Abrissarbeiten bevor.
"Um aus dieser fatalen Situation rauszukommen, muss man einfach anfangen, selber zu denken und nicht in diesen vorgegebenen Begrifflichkeiten – Alternativlosigkeit, Wachstumsbeschleunigung und dieses ganze unhinterfragte Zeugs, was aber eigentlich nicht mehr ist als Gerede – das muss man hinterfragen und dann muss man beginnen, die Welt, die Demokratie, die Gesellschaft, in der man lebt, als politisches Gemeinwesen zu begreifen, zu dem man selber gehört und wo man geradezu die Verpflichtung hat, zu sagen, Augenblick mal! Ich möchte jetzt mal nachfragen, was bedeutet denn eigentlich "Rettungsschirm"?"
Rettungsschirm, Abwrackprämie, Wachstumsbeschleunigung: diese Begriffe, war man sich in Mülheim einig, dürften der Vorstellungswelt einer Gesellschaft angehören, die sich von der Weltbühne gerade verabschiedet. Wie verkraftet man das? Womöglich durch eine neue Bescheidenheit, glaubt der Soziologe Hartmut Rosa. Eine Bescheidenheit, die er als Theorie der "Resonanzen" beschrieb, und die die Poesie der Welt wieder entdeckt, in der
"… wir Momente des Glücks erfahren oder auch ein gutes Leben haben, wenn wir Resonanzerfahrungen machen – in sozialen Räumen, aber auch im Umgang mit der Natur und sogar mit der eigenen Arbeit. … Und wenn wir darauf den Blick noch einmal lenken kollektiv, dann können wir, glaube ich, gelingende Formen von sozialer Interaktion, von Gesellschaftsgestaltung, von misslingenden Unterschieden entlang der Parameter "Resonanz" und "Entfremdung" und eben nicht entlang der Parameter "Wachstum" oder "Rezession."
Weitere Infos zum Symposium finden Sie auf der Homepage der Müllheimer Theatertage.