Archiv


Die Zeit nach der Karriere

Nur bei einigen ehemaligen Bundesligaprofis reicht das verdiente Geld bis zur Rente, alle anderen müssen sich nach Ende ihrer Laufbahn eine neue berufliche Perspektive schaffen. Fast kaum ein Ex-Bundesligaspieler ist darauf richtig vorbereitet.

Von Thorsten Poppe |
    Seit zwei Wochen läuft das von der Spielergewerkschaft VdV veranstaltete Trainingscamp für arbeitslose Fußballer in Duisburg. Hier halten sich die seit dem 1. Juli vertragslose Spieler fit, um sich für einen künftigen Arbeitgeber zu empfehlen. Dafür kommt in erster Linie natürlich nur ein Fußballverein in Frage.

    Doch was ist eigentlich mit den vielen Profis, die zum Ende der letzten Saison die Schuhe an den Nagel gehangen haben. Oder denjenigen, die mangels Aussicht auf einen neuen Vertrag sich anders orientieren müssen. Auch sie bedürfen einer beruflichen Perspektive.

    Denn ohne eine richtige Berufsausbildung oder einem abgeschlossenen Studium ist für jeden es schwer eine sinnvolle berufliche Tätigkeit zu finden. Auch für ehemalige Profi-Fußballer.

    100-150 Ex-Profis aus dem bezahlten Fußball in Deutschland schauen sich am Ende einer jeden Spielzeit nach einer neuen beruflichen Tätigkeit um. Die Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV) schätzt, dass nur rund zehn Prozent aller Bundesligaprofis bis zur Rente von ihren Verdiensten leben können und fast ein Viertel am Ende ihrer Laufbahn pleite oder sogar verschuldet sind.

    Die größten Hürden für die Karriere nach der Karriere eines Profikickers kennt der Laufbahnberater der Spielergewerkschaft Frank Günzel:
    "Die wesentliche Hürde aus meiner Sicht ist, in einem Alter auf den freien Arbeitsmarkt zu kommen, wo andere einfach Berufserfahrung haben und teilweise in manchen Branchen schon zu alt sind mit Mitte 30. Aber die schwierigste Frage für die Meisten ist, sich vorzustellen, was sie machen möchten. Das ist ein völlig neuer Lebensabschnitt. Man muss ein Jahr bis 18 Monate damit rechnen, um einfach die Karriere zu verarbeiten und jetzt auch mal zu gucken, jetzt beginnt ein neues Leben."
    Für ein neues Leben entschloss sich vor kurzem auch Thomas Kläsener. Bis vor ein paar Tagen hielt er sich als vertragsloser Spieler im Trainingscamp der Spielergewerkschaft fit. Dann kam für den ehemaligen Schalker und Ex-Zweitligaprofi das Angebot als Trainee in einem mittelständischen Unternehmen auf den Tisch. Unter der Bedingung in einem unterklassigen Verein weiter zu spielen, dessen Hauptsponsor sein neuer Arbeitgeber ist. Frank Günzel hat ihm in verschiedenen Gesprächen dazu geraten, dieses Angebot anzunehmen:
    "Thomas, haste umgeschaltet und biste schnell angekommen bei dem nächsten Schritt? Ab 01.09 geht es los mit dem Trainee, oder?"

    "Ja, ab 01.09 schnuppere ich in eine Firma rein, und stelle mich nach 15 Jahren Profifußball mal dem Ernst des Lebens."
    Der 35-Jährige hat seit ein paar Tagen Gewissheit über seine eigene Zukunft, der Vertrag ist unterschrieben und laut Frank Günzel auch arbeitsrechtlich wasserdicht. Gerade die vertragslosen Profi-Kicker aus dem Camp der Spielergewerkschaft besitzen diese Klarheit zu Zeit nicht:

    "Die meisten haben natürlich gesagt, das ist eine tolle Sache, dass man relativ schnell einen Übergang findet. Ich sehe es ja auch bei Kollegen, mit denen ich lange gespielt habe, die ich noch kenne, die zum Beispiel auch im VdV-Camp sind. Dass die Schwierigkeiten haben einen Verein zu finden, von denen viele glücklich wären über die Möglichkeit, die ich jetzt geboten bekommen habe."

    Ein wenig weint Thomas Kläsener seiner Profikarriere hinterher, in der er sich jeder Woche am Spieltag einer Herausforderung stellen konnte. Jetzt winkt der normale berufliche Alltag, wo man sich ständig neu motivieren muss. Der Respekt davor ist ihm deutlich anzumerken.

    "Lernen muss man auch lernen, sagen wir mal. Man muss sich versuchen die Zeit richtig einzuteilen. Beim Fußball ist es ja so, man hat total viel Freizeit. Vieles wird einfach vorgegeben, wann Trainingsabläufe sind, was gemacht wird. Und jetzt steht man praktisch von morgens 8 bis 17 Uhr, manche fangen noch früher an, ist man auf den Beinen. Kann sich nicht mal mittags eben hinlegen und sich für die nächste Trainingseinheit ein bisschen Schlaf verschaffen, dass man wieder fit ist. Sondern da hat man eine Frühstücks- und eine Mittagspause und ist genauso dran wie alle anderen. Und ich denke mal es wird sich auch erst einmal körperlich bemerkbar machen und da muss man auch erst einmal durch."
    Einer der es nach seiner Zweitligalaufbahn mit einer Umschulung zum "Staatlich geprüften Bautechniker" geschafft hat, ist Ex-Profi Ronny Jank. Der Weg dorthin war mehr als beschwerlich, weil er von Seiten des Staates erst einmal keinerlei Förderung für seine Umschulung vom Bauzeichner zum Bautechniker erhielt. So investierte er seine gesamten Ersparnisse, um sich in langen Fortbildungsmaßnahmen für diesen Beruf zu qualifizieren.

    "Man hat vor mehreren tausend Zuschauern Fußball gespielt, jetzt sitzt man auf der Schulbank, hat wieder Mathe, Physik und Chemie. Es war schon eine Umstellung, auch finanziell, gar keine Frage. Man muss absolut seine Ansprüche nach unten fahren. Ich habe mir ein Stück Zeit genommen, diese Entscheidung zu treffen. Jetzt ging es eigentlich darum, wie finanziere ich mir dieses Studium. Es ist natürlich so, in der Zeit als Profi, hat man sich schon ein bisschen was zurückgelegt. Von diesem zurückgelegten Geld konnte ich dann auch mein Studium finanzieren."

    Das hieß für Ronny Jank drei Jahre auf eigene Kosten studieren, die meiste Zeit davon legte er jeden Tag im Auto 200 Kilometer zurück. Er war auf sich allein gestellt, um seinen Traum vom Beruf zu erreichen. Aber es hat sich für ihn gelohnt, heute saniert er Fußballstadien und kümmert sich um Wohnungsbauprojekte.

    Die meisten Ex-Fußballer tingeln nach ihrer Profikarriere meist noch ziellos durch unterklassige Ligen umher. Sie bleiben damit aber nur Gefangene eines Jobs, den sie nicht mehr lange ausüben können. Auch deshalb appelliert Frank Günzel an jeden Profi sich frühzeitig Gedanken zu machen:

    "Ich glaube, es ist jeder Profi mit sechs oder sieben Profijahren angehalten sich über diese Perspektiven Gedanken zu machen, dass auch in den Denkrahmen mit aufzunehmen den Plan B. Ganz einfach auch aus den Gründen, dass das Angebot an Spielern viel größer ist, als Vollbeschäftigung in diesem Bereich möglich ist."

    Denn es wird immer schwieriger einen Vertrag zu bekommen, je älter man wird. Grund dafür ist vor allem in den letzten Jahren die gute Jugendarbeit in den Leistungszentren der Bundesliga, die den Druck im Fußball-Geschäft noch einmal erheblich verstärkt hat.