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Die Zukunft der GEZ

Künftig soll die Rundfunkgebühr per Haushalt, nicht mehr per Empfangsgerät erhoben werden. Der Teufel des auf den ersten Blick einfacheren Modells steckt aber im Detail der Umsetzung. Das wurde auf der sogenannten 3sat-Konferenz in Überlingen am Bodensee deutlich.

Von Thomas Wagner | 12.06.2010
    Einst trat er an, das deutsche Steuersystem zu reformieren. Sein Ziel: Eine Steuererklärung soll auf einem Bierdeckel Platz haben. Für den Verbraucher ist mit dem neuen Rundfunk-Gebührenmodell jedoch nicht einmal mehr ein Bierdeckel nötig, erklärt Professor Paul Kirchhof auf der 3sat-Konferenz in Überlingen:

    "Ich brauche keinen Bierdeckel, allenfalls noch ein Viertel davon. Oder besser: Ich brauche ein gutes Glas Bier. Schreiben muss ich ja fast nichts. Ich muss nur überweisen. Es ist ein besonders einfaches Modell."

    Ein einfaches Modell mit Folgen allerdings. Denn dadurch, dass zukünftig jeder Haushalt pauschal bezahlen muss, wird die Gebühreneinzugszentrale, kurz GEZ, zukünftig viel weniger zu tun haben, meint Professor Paul Kirchhof:

    "Diese Einrichtung wird deutlich entlastet, wenn der Belastungstatbestand der Haushalt ist. Das kann man normalerweise bei der Gemeinde erfragen. Wir müssen ja nicht mehr nach konkreten Lebensgewohnheiten, Geräten fragen. Wir müssen nicht mehr die Wohnungen betreten. Wir müssen nicht mehr das einzelne Nutzerverhalten überhaupt nicht mehr ansprechen, weil es für den Gebührentatbestand unerheblich ist."

    Was für die GEZ ganz praktisch bedeutet: Sie wird, wenn sie überhaupt erhalten bleibt, erheblich verkleinert werden. Ulrich Müller, CDU-Abgeordneter im baden-württembergischen Landtag und Vorsitzender des Verwaltungsrates beim Südwestrundfunk:

    "Also das liegt in der Logik der Entscheidung. Wenn wir das Beauftragten-Wesen, also jene, die in den Haushalten fragen: Hältst du ein Gerät bereit oder nicht?, wenn das also wegfällt, dann kann die GEZ kleiner werden. Dann wird ein bestimmter Teil der Gebühren, die man bisher dazu aufheben musste, um die Gebühr überhaupt zu erheben, wegfallen. Und das Geld steht dann dem Gesamtsystem zur Verfügung. Wir sparen zugunsten des Programms."

    Verbindliche Entscheidungen dazu haben die Ministerpräsidenten aber noch nicht getroffen. Eine erhebliche Verkleinerung der GEZ liege aber in der Logik der Gebührenreform, heißt es auf der 3sat-Konferenz in Überlingen. Völlig ungeklärt ist allerdings noch, wie die Gebührenausfälle von sozial Schwachen wie beispielsweise Hartz-IV-Empfängern gegenfinanziert werden sollen. Einigkeit besteht darin, dass dieser Personenkreis auch weiterhin von der Gebührenpflicht befreit bleibt. Die dadurch entstehenden Ausfälle müssten, so Verfassungsrechter Paul Kirchhof, dann aber vom Staat über Steuermitteln gegenfinanziert werden.

    "Wenn der wenig begüterte Mensch ein Brot kauft, dann müssen nicht die anderen Brotkäufer dieses finanzieren, sondern die Steuerzähler. Wenn der wenig begüterte Mensch ein Medikament kaufen muss, weil er krank ist, müssen nicht die anderen Menschen mit bezahlen, die auch dieses Medikament brauchen, sondern die Allgemeinheit der Steuerzahler."
    Nämlich über die Zahlungen im Zuge der Hartz-IV-Gesetze. Ebenso sei der Sozialstaat in der Pflicht, die Rundfunkgebühren der Hartz-IV-Empfänger aus Steuermitteln zu finanzieren. Ulrich Müller, Verwaltungsratsvorsitzender des SWR, zeigt sich über diesen Kirchhof-Vorschlag skeptisch:

    "Da bin ich mir sicher, dass das nicht kommt, weil das eine gewisse Unruhe mit sich bringen würde. Erstens: Es würde die öffentlichen Kassen stärker belasten. Und zweitens wäre es ziemlich verwaltungsaufwendig. Denn der eine ist Hartz-IV-Empfänger, der zweite Wohngeldempfänger. Der Dritte hat eine kleine Rente. Und der Vierte ist BAföG-Empfänger. Und die müssten dann alle zu ihren Kassen gehen und sagen: Ich muss in Zukunft die volle Rundfunkgebühr bezahlen .Und deshalb müsst ihr mir mehr Rente, mehr Hartz IV oder was auch immer geben. Das ist schon sehr aufwendig. Insofern bin ich mir sicher, dass die Politik diesen Vorschlag nicht aufgreifen wird. Und das heißt auf gut Deutsch: Soweit es Gebührenbefreite gibt aus sozialen Gründen, werden übrigen Gebührenzahler dies mit übernehmen müssen."

    In diesem Punkt bleibt es somit beim Status quo. Und auch ein weiterer Kirchhoff-Vorschlag hat derzeit nach Ansicht von Ulrich Müller, Vorsitzender des SWR-Verwaltungsrates, keine Chancen, umgesetzt zu werden. In Kirchhofs Konzeption ist der Vorschlag enthalten, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukünftig mit einem Werbeverbot zu belegen.

    "Alle Beteiligten ist klar: Würde man es einführen - Werbung bringt ja Geld, müsste man es durch eine Erhöhung der Gebühren gegenfinanzieren. Die Gebühr würde dadurch ungefähr um 1,40 steigen. Finanziell ist das natürlich schon ein klares Minus. Uns insofern haben die Ministerpräsidenten jetzt gesagt: Das Thema bleibt auf der Tagesordnung, wird aber nicht jetzt entschieden."