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Die Zukunft des Fernsehens

Am Freitag startet in Köln das größte deutsche Fernsehfestival: die Cologne Conference. Seit ihrem Start 1991 hat sich die Konferenz den Ruf erworben, eines der wichtigsten Foren für künftige TV-Höhepunkte zu sein. In diesem Jahr haben die Veranstalter unter 700 Fernsehproduktionen aus 34 Ländern die je zehn besten fiktionalen und dokumentarischen Arbeiten für den Wettbewerb ausgewählt und darüber hinaus eine neue Reihe mit Nachwuchsfilmen ins Programm genommen.

Von Gisa Funck |
    Das Fernsehen der Zukunft, glaubt Martina Richter, Direktorin der Cologne Conference, wird noch stärker als heute ein Fernsehen der Gegensätze sein. Angesichts einer Welt, die dank Globalisierung und Terrorbedrohung immer schwerer vorhersehbar wird - so ihre Prognose - wird man bei den Sendern noch mehr auf eine Doppel-Strategie setzen: einerseits auf technisch aufgerüstete Spaßformate, die den Zuschauer von seinen Sorgen ablenken sollen. Andererseits auf seriös-investigative Spielfilme und Berichte, die immer genauer über Gefahren und Katastrophen aufklären. Vor allem im Unterhaltungssektor kündigt sich mit der bereits gestarteten Digitalisierung nun eine richtige Revolution unserer Fernseh-Gewohnheiten an. Denn das digitale Fernsehen könnte schon bald zu einer Art Clip-TV führen. Ähnlich wie SMS oder E-Mail kann man nämlich auch digitale Fernseh-Spots per Handy oder Internet verschicken. Oder sich als Zuschauer selbst über einen Rückkanal in die Bildschirm-Handlung einklinken. Neuerungen, die unser Fernsehverhalten nachhaltig verändern werden, glaubt Martina Richter:

    Das gilt natürlich für diverse Genres, die man gut in klein gucken kann. Alles, was so newsorientiert ist - ergebnisorientiert, vielleicht wie Sport, kleine Unterhaltungssachen. Sachen, die mit Musik zusammenhängen, die gehen dann auch auf kleinem Display. Und die kann man durchs Fernsehen schicken, die kann man übers Internet schicken. Die kann man auf Handy schicken. Also so was.

    Anders als im Comedy-, Show- oder Nachrichten-Bereich haben die Cologne-Conference-Macher bei den Spielfilmen, Serien und Dokumentationen, die sie vorstellen, auch in diesem Jahr wieder einen Trend hin zur konventionellen Erzählweise beobachtet. Wo das Geld in der Branche knapp wird, fehlt offenbar der Mut für formale Experimente. Wie schon im letzten Jahr dominieren bei den 20 Wettbewerbs-Beiträgen und zehn ausgewählten Nachwuchsfilmen, die auf der Cologne Conference erstmalig in einer eigenen Reihe laufen, sozialkritische und politische Themen. Es geht viel um Krieg, um gesellschaftliche Benachteiligung oder Korruption im Festival-Programm. Wobei der große Konflikt in den Filmen dann gern anhand von Einzelschicksalen erzählt wird. Bereits vorab heftig diskutiert in der nicht-fiktionalen Reihe wurde hier ein Dokumentarfilm aus Israel mit dem Titel "One Shot". In "One Shot" - auf Deutsch: "Ein Schuss" - hat der israelische Regisseur Nurit Kedar zum ersten Mal überhaupt jüdische Scharfschützen im Palästina-Krieg mit einer Filmkamera begleitet. Auf seine Fragen im Film machen einige Todesschützen keinen Hehl daraus, dass das gezielte Erschießen von Gegner ihnen manchmal sogar regelrecht "Spaß" macht.

    Auch die drei deutschen Wettbewerbs-Beiträge auf der Cologne Conference beschäftigen sich mit gesellschaftlich strittigen Fragen. Ob der Zusammenbruch des Neuen Marktes, DDR-Flucht und Stasi-Bespitzelung - oder das Versprechen ewiger Jugend durch Gentechnik: stets dient auch hier ein individueller Fall als beispielhaftes Paradigma für eine allgemeine Problematik. So wie in "Käthchens Traum" von Jürgen Flimm, dem offiziellen Eröffnungsfilm, der am Samstag Premiere hat.

    Zuvörderst müsst ihr wissen, dass mein Käthchen Ostern, die nun verflossen 15 Jahre alt war, gesund an Leib und Seele, wie die ersten Menschen, die geboren worden sein mögen. Ein Kind recht nach der Lust Gottes,

    Mit "Käthchens Traum" beweist das Team um Martina Richter Mut. Denn Theater-Altmeister Jürgen Flimm hat das Drama von Heinrich von Kleist darin völlig neu als zeitgenössischen Wirtschaftskrimi inszeniert. Der Kleist'sche Edelmann Graf Wetter vom Strahl wird hier zum Genforscher und Aktien-Besitzer, der ein Serum gegen das menschliche Altern entdeckt hat. Käthchens Gegenspielerin Kunigunde verdankt ihren schönen Schein einem Verjüngungspräparat. Und Käthchen selbst sorgt als Polit-Aktivistin für Furore. Stoff genug für Finten, Intrigen und Verfolgungsjagden nach bester "Tatort"-Manier - und doch alles gesprochen im Originaltext von Kleist, was wahrscheinlich nicht jedem Fernsehzuschauer gefallen wird. Liebhaber des Kleist'schen Stückes aber dürften bei den ungewöhnlichen Sinnbezügen auf ihre Kosten kommen. Und auch wenn bislang noch kein Sendetermin feststeht: zumindest für Flimms TV-Adaption des "Käthchen von Heilbronn" stehen die Chancen gut, demnächst bei uns auf den Bildschirm zu landen.