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Die Zukunft gehört der Bildung

Fast unbemerkt hielt Barack Obama eine Rede vor der hispanischen Handelskammer in Washington und kündigte dabei nicht weniger als eine rigorose Reform des amerikanischen Bildungssystems an. Die Zukunft gehöre jenen mit der besten Bildung, lautete sein Kernsatz.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Friedrich Mielke |
    Stefan Koldehoff: Mein Kollege Friedrich Mielke hat diese Rede nicht nur gehört, sondern auch noch einmal gelesen und sogar analysiert. Herr Mielke, was ist denn zunächst mal der Ausgangspunkt? Wie steht es nach Obamas Meinung um das US-Bildungssystem?

    Friedrich Mielke: Ja, Obama ist sehr kritisch mit dem Bildungssystem umgegangen. Er sagt, dass Amerika zurückgefallen sei, dass nur noch Amerika auf der Rangliste an zwölfter, elfter Stelle stünde ungefähr, im Vergleich zum zweiten Platz vor 20 Jahren. Also er war sehr kritisch, nicht wahr. Er sagte, Amerika habe seine Maßstäbe gesenkt, die Schule missachtet, die Lehrerausbildung vernachlässigt und so weiter. Und im internationalen Vergleich hätte sich Amerika überholen lassen. Mit dieser Kritik fing er an, aber dann hat er eine neue Bildungspolitik, eine Bildungsreform angesagt, und die dann im Einzelnen auch begründet.

    Koldehoff: Dann müssen Sie uns jetzt natürlich erzählen, was er angekündigt hat.

    Mielke: Ja, zunächst mal an erster Stelle steht die frühkindliche Bildung. Obama sagt, dass also frühkindliche Bildung sich hervorragend auf die Gesellschaft, auf die Kinder, auf die Menschen überhaupt auswirkt. Jeder Dollar, den man in frühkindliche Ausbildung und Bildung investiere, der würde sich später bezahlt machen durch weniger Sozialhilfekosten, niedrigere Krankenkosten und sinkende Kriminalität zum Beispiel. Also das war ganz wichtig. Dann will er auch das Leistungsniveau heben. Er beobachtet unterschiedliche Schulniveaus, Leistungsniveaus in den Einzelstaaten. Da müsse also mehr Kommunikation zwischen den einzelnen Bildungsbehörden sein. An dritter Stelle steht die Lehrerausbildung; er möchte unbedingt eine leistungsabhängige Bezahlung der Lehrer erreichen. Schlechte Lehrer müsste man entlassen und gute müsse man noch besser bezahlen, das sei also sehr wichtig. Er könne kein System ertragen, dass Unfähigkeit belohnt. An vierter Stelle stehen dann längere Unterrichtszeiten – mehr Schultage, längere Schultage, kürzere Ferien. In Korea zum Beispiel, sagt Obama, würden die Kinder einen ganzen Monat länger zur Schule gehen. Das sei zwar bei den eigenen Töchtern Malia und Sasha sehr unbeliebt, aber es nütze nichts, was Korea könne, das könne auch Amerika. Abschließend sagte er noch: Fach- und Hochschulen, da müsse man mehr investieren, besonders das Studium müsse finanzierbar sein, sodass jeder Amerikaner die Möglichkeit habe, zur Universität zu gehen.

    Koldehoff: Investieren ist wahrscheinlich, Herr Mielke, das Schlüsselwort. Die Amerikaner haben ja eine Entwicklung schon seit vielen Jahren, die sich in Deutschland auch abzeichnet: Wer es sich leisten kann, schickt die Kinder auf Privatschulen, und wer es muss, auf die öffentlichen Schulen. Was sagt er denn zum Thema Geld?

    Mielke: Na ja, natürlich, er sagt, wir brauchen mehr Geld. Und er bittet den Kongress um höhere Zugaben im Haushalt. Da ist ja auch Geld jetzt bewilligt worden, dieses gewaltige Milliardenpaket sieht ja auch Geld für innere Reformen und auch für Bildung vor, das ist ganz klar. Aber es ginge nicht nur um Geld, es ginge auch um eine Einstellung, um Politik, um Inhalte. Und da müssen also auch Lehrer und Schuldirektoren und ganz besonders eben auch die Eltern gefördert werden. Geld sei da, Geld habe er versprochen, und der Kongress, der ja nun mehrheitlich demokratisch strukturiert ist, der werde dieses Geld auch bewilligen.

    Koldehoff: Gibt es denn schon Reaktionen nach dieser Rede, schallt ihm auch da ein einmütiges "Yes, we can!" entgegen?

    Mielke: Ja, sehr schön, also er hat das auf Spanisch gesagt, "Si, se puede!", weil er das vor der hispanischen Handelskammer gesagt hat. Ja, ja, doch. Die Reaktionen in den Medien war sehr stark positiv, also die haben ihn sehr gelobt. Hier und da ein wenig Kritik an diesem Leistungsniveau und dem Föderalismus, die Einzelstaaten, die versuchen, sich da so ein wenig zu schützen. Besonders gut kommt ja an, dass die öffentlichen Schulen hauptsächlich in den inneren Städten, in den Cities daniederliegen, besonders also bei den Minoritäten, bei den Schwarzen und bei den Latinos. Und das kommt natürlich an, da setzt er hauptsächlich an. In den höheren Schichten, in den – wenn ich so sagen darf – weißen kaukasischen Schichten, ist das nicht so ein großes Problem. Also Lob für Obama, "Yes, we can!", "Si, se puede!", und insofern also ein Auftakt seiner Bildungspolitik, ja, mit Schmackes.

    Koldehoff: Nun lernen wir ja hier in Deutschland so furchtbar gerne von Herrn Obama. Was hat er uns denn gesagt, was können wir denn aufs deutsche Bildungssystem möglicherweise übertragen? Leistungsgerechte Bezahlung von Lehrern zum Beispiel?

    Mielke: Ja, einmal das, bei den Lehrern, leistungsgerecht. Er lobt die Lehrer, er sagt, Lehrer sind wichtig, und er fordert alle Studenten auf, Lehrer zu werden, die seien extrem wichtig, aber eben leistungsgerechte Bezahlung. Gute Lehrer kriegen mehr Geld, auch in den Naturwissenschaften besonders, und schlechte werden einfach entlassen. Und ganz wichtig finde ich diese Betonung der frühkindlichen Ausbildung. Also da liegt ja wohl auch bei uns so ein wenig was im Argen. Es hat sich zwar einiges gebessert, aber da ist man in Amerika einen Sprung weiter. Man hat erkannt, dass frühkindliche Bildung, Ausbildung, Sprachen lernen, Rechnen, Schreiben, all das ganz früh ansetzen muss, sodass, wenn die Kinder vom Kindergarten in die Schule kommen, bereits gut vorbereitet sind und nicht so einfach mit Bauklötzen gespielt haben. Das hat Obama erkannt, da hat er viel Beifall bekommen. Und ich meine, da ist vielleicht Amerika, jedenfalls in der Politik, nicht wahr, in dieser Zielsetzung richtungsgebend.