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"Die Zukunft kommender Studentengenerationen"

Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen, hat nach der Exzellenzinitiative in der Forschung eine solche Initiative auch für die Hochschul-Lehre gefordert. Es gehe dabei schließlich um die Zukunft kommender Studentengenerationen. Sein Verband werde "im kommenden Jahr das Thema universitäre Lehre ganz nach vorne schieben", sagte Kempen.

Moderation: Kate Maleike |
    Kate Maleike: Was war für Sie die wichtigste bildungspolitische Weichenstellung in diesem Jahr?

    Bernhard Kempen: Ob es eine glückliche Weichenstellung war, da kann man in der einen oder anderen Hinsicht Zweifel haben, aber eine zweifellos wichtige Weichenstellung war die Exzellenzinitiative, die in diesem Jahr erstmals zur Durchführung kam, und das hat, da sind sich, glaube ich, alle einig, doch für sehr viel Bewegung in der bildungspolitischen Landschaft geführt.

    Maleike: Reden wir mal aus der Sicht der Hochschullehrer, die Sie ja vertreten als Verband. Was hat die Exzellenzinitiative bei den Hochschullehrern bewegt?

    Kempen: Sie hat dazu geführt, dass über Fächergrenzen hinweg in vielen Universitäten, und wir müssen beschämenderweise sagen, erstmals ein Dialog stattgefunden hat, der zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit dann geführt hat. Es sind Anträge gestellt worden, es sind Forschungskräfte zusammengeführt worden, das alles ist positiv.

    Maleike: Heißt das auch, dass wir jetzt einen kleinen Schritt weiter sind, was unseren Verlust an Nachwuchswissenschaftlern angeht, also im Sinne von positives Zeichen in Deutschland gesetzt, damit die Nachwuchswissenschaftler auch eher einen Anreiz haben, bei uns zu bleiben?

    Kempen: Frau Maleike, da hätte ich gewisse Zweifel. Was die Nachwuchswissenschaftler angeht, da müssen wir ganz andere Signale aussenden. Wir müssen deutlich machen, dass eine Karriere in der Wissenschaft, dass das eine berechenbare, attraktive Berufsplanung bedeutet, und davon sind wir meilenweit entfernt. Wir haben ja ganz im Gegenteil in den vergangenen Jahren entgegengesetzte Signale ausgesendet. Die Politik hat den Nachwuchsleuten zu verstehen gegeben, ihr seid uns nicht mehr so viel wert wie eure Vorgängergeneration. Das hat auch dazu geführt, dass sich viele von der Wissenschaft abwenden, und zwar in den so genannten marktgängigen Fächern, indem sie der Universität den Rücken zugewendet haben oder auch die Flucht ins Ausland angetreten haben. Ich spreche jetzt auch von Besoldungsrahmenbedingungen. Wir müssen sehen, dass Professorinnen und Professoren, die Exzellenz in der Forschung leisten sollen und in der Lehre, dass man die nicht mit bescheidenen und kargen Gehältern an die Universität binden kann.

    Maleike: Was passiert denn jetzt mit der Lehre in Deutschland? Der kostengünstige Lecturer war ja auch in diesem Jahr immer wieder mal Thema. Es gibt Hochschulen, die diesen bereits ausschreiben, zum Beispiel die TU München. Ist das sozusagen jetzt demnächst möglich?

    Kempen: Das Landesrecht lässt in den 16 Bundesländern gewisse Spielräume, was die Personalstruktur an den Universitäten angeht. Wir warnen davor, die Chance, die darin liegt, dass wir demnächst zweieinhalb Millionen Studierende an den Hochschulen haben werden, diese Chance zu verspielen, indem wir nun in der Qualität des Lehrpersonals nachlassen. Dann könnte sich das, was sich in den PISA-Studien für die Gymnasien abgebildet hat, auch an den Universitäten wiederholen. Wir brauchen hier qualitätvolle Ausbildung auch in Zukunft. Auch die kommende Studierendengeneration hat einen Anspruch darauf, dass sie eine akademische Ausbildung erhält, die im internationalen Wettbewerb wettbewerbsfähig ist. Das schafft man aber nicht, wenn wir mit Billiglehrkräften arbeiten, sondern da müssen wir auch in Zukunft hoch qualifiziertes Personal haben. Von daher sehe ich es mit etwas Sorge, was sich da in Bayern ereignet, dass da Lecturer-Stellen ausgeschrieben werden. Mit dem Billigprof lässt sich in Zukunft keine gute Ausbildung machen.

    Maleike: Sie haben vorhin den Studentenansturm angesprochen. Also wir erwarten ja sehr viel mehr neue Studenten an den Hochschulen in Deutschland in den nächsten Jahren, deswegen hat es zwischen Bund und Ländern auch den so genannten Hochschulpakt gegeben, der vor ein paar Tagen, ja, sagen wir mal, zumindest für dieses Jahr versiegelt worden ist. Aus Ihrer Sicht gelungen diese doch eigentlich einzigartige und rein gesetzlich nicht mehr notwendige Verbindung zwischen Bund und Ländern?

    Kempen: Es war bitter notwendig, denn die Länder alleine haben nicht die finanziellen Mittel, um diese große Aufgabe, die vor uns liegt, zu bewältigen. Das ist schon glücklich. Was aber fehlt und was wir sehen müssen, ist, diese Finanzierung erstreckt sich nur auf die Jahre bis 2010. Ich stelle mir die Frage, wie wird es dann weitergehen, wird der politische Wille und die politische Kraft da sein, diese Mittel zu verstetigen. 2010 geht der Ansturm der Studierenden ja erst so richtig los. Also mit anderen Worten: Hier muss gehandelt werden, hier muss man rechtzeitig politische Initiativen ergreifen, und ich bin etwas skeptisch, ob dann in den nächsten Jahren die politische Kraft da sein wird, um das zu bewältigen.

    Maleike: Im nächsten Jahr, also 2007 gibt es das Jahr der Geisteswissenschaften, das neue Themenjahr ist mit diesen Disziplinen sozusagen verbunden. Begrüßen Sie das?

    Kempen: Ich begrüße das außerordentlich, denn wir haben in den letzten Jahren den Fehler gemacht, allzu einseitig auf die Natur- und Technikwissenschaften zu schauen. Diese Fächer sind zweifellos wichtig, sie haben Schlüsselfunktionen für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt, aber man darf dabei nicht vergessen, dass die Natur- und Technikwissenschaften nicht alleine da stehen, sondern dass sie eingebettet sind in einem Kranz von geisteswissenschaftlichen Fächern, ohne die sie selbst gar nicht wirklich existenzfähig sind.

    Maleike: Jetzt kommen wir zu den Wünschen, die darf man ja haben immer für das neue Jahr. Was sind Ihre Wünsche für 2007?

    Kempen: Nachdem wir im Jahr 2006 eine Exzellenzinitiative in der Forschung betrieben haben, ist es, meine ich, jetzt an der Zeit, eine Exzellenzinitiative Lehre zu starten. Wir müssen vielmehr ins Bewusstsein rücken, dass es nicht nur um Forschung geht, sondern auch um Ausbildung und damit um die Zukunft kommender Studentengenerationen.

    Maleike: Herr Bode, der Generalsekretär des DAAD, hat ja auch eine entsprechende Forderung öffentlich gemacht, also eine Exzellenzinitiative für die Lehre. Gibt es da Hoffnung, dass auch noch genug Geld dafür da ist?

    Kempen: Ich würde es mir doch sehr wünschen. Der Deutsche Hochschulverband jedenfalls wird im kommenden Jahr das Thema universitäre Lehre ganz nach vorne schieben, und wir werden da ein Bündel von Initiativen entfalten, um die Bedeutung von Lehre, von Ausbildung in der Universität weiter nach vorne zu schieben.