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Die ZVS im Wandel

Hochschulen sollen sich ihre Studierenden verstärkt selber aussuchen - die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen ZVS soll hingegen weniger zu sagen haben. So lautet eine Wunschvorstellung vieler Bildungspolitiker. Doch in der Realität stöhnen viele Unis unter dem teils riesigen Bewerberandrang. Hier sieht die ZVS ihre Chance. Sie will überlasteten Hochschulen Hilfe anbieten auf ihrem Spezialgebiet: der Vergabe von Studienplätzen.

Von Anke Ulke | 16.11.2005
    " Ich denke, es wäre einfach besser, wenn die Universitäten sich aussuchen könnten, was sie für Leute nehmen, die vielleicht besondere Fähigkeiten haben für den Studienplatz, den sie sich gerne wünschen. "

    Ein legitimer Wunsch der 20-jährigen Linda Teuber vom Dortmunder Max-Planck-Gymnasium. Doch vor dem begehrten Studienplatz für Humanmedizin steht die Hürde Auswahlverfahren und das ist in den letzten Jahren immer komplizierter geworden. Bernhard Scheer, Pressesprecher der ZVS:

    " Und das braucht einfach dann zur Unterstützung auch einfach eine stärkere Beratung für die Abiturienten. Sie müssen dies Verfahren ja verstehen, müssen ihre Entscheidung treffen, an welcher Universität möchte ich denn studieren, welche Universität hat möglicherweise ein Auswahlverfahren, das für mich persönlich das richtige ist, das richtige in dem Sinne, dass ich da einen Studienplatz bekomme, denn das ist ja mein Ziel als Abiturient. "

    Fächer wie Medizin oder Psychologie sind dauerhaft stark gefragt. Und viele hoffen den Zuschlag zu bekommen, weil die Unis nun mehr Studierende selbst auswählen können. Doch neue Auswahlregeln schaffen nicht mehr Studienplätze. Das Auswahlkriterium schlechthin ist die Abiturdurchschnittsnote - denn persönliche Gespräche bedeuten einen Aufwand, den Hochschulen oft nicht leisten wollen oder können.

    Beispiel Ruhruniversität Bochum: 29.000 Bewerbungen für dieses Semester kamen hier auf 3500 Studienplätze für 28 zulassungsbeschränkte Fächer. Peter Kardell, Leiter des Studierendensekretariats:

    " Hätten wir Gespräche durchgeführt, hätten wir innerhalb von drei Wochen die von der ZVS zugewiesenen Bewerber für diese Gespräche einladen müssen zu einem Gespräch, hätten innerhalb von drei Wochen diese Gespräche durchführen müssen und auch Ranglisten bilden, um dann die Rangliste an die ZVS zurückmelden zu können. Und nach dieser Rangliste hätte dann die ZVS die Bewerber zugelassen. "

    Gespräche führen, Ranglisten erstellen und diese an die ZVS zurückmelden, bevor sie die Plätze vergibt - all das hätte im August geschehen müssen. Der Monat, der Klausur- und vor allem Urlaubsmonat ist. Peter Kardell:

    "Also haben wir die ZVS gebeten, die für diese Hochschulquote zur Verfügung stehenden Studierenden nach der Abinote auszuwählen, was im Endeffekt bedeutet, dass nicht nur 20% nach Abinote zugelassen wurden, sondern 80 Prozent, und die 20 Prozent nach der Wartezeit. "

    So war es für die Ruhruniversität am einfachsten. Obwohl es noch mehr Auswahlkriterien gibt: Einzelnoten, Eignungstest, Berufserfahrung, Auswahlgespräch. Eine Mixtur, die durchaus auch den Studieninteressierten Chancen einräumt, die keinen Superabidurchschnitt haben.

    Für die meisten Hochschulen ist das zu aufwändig. Es sind bisher nur wenige, die sich ihre Studierenden selbst aussuchen, denn dem Wunsch der Hochschulleitung stehen die begrenzten Kapazitäten der Studiensekretariate gegenüber. Auch hier kann die ZVS punkten und einheitliche Testverfahren entwickeln. Ulf Bade, Leiter der ZVS, sieht die Zukunft seiner Einrichtung an dieser Schnittstelle: Den Bewerbern den passenden Studienplatz vermitteln und den Hochschulen die passenden Bewerber. Und alle dabei entlasten.

    "Wir möchten die Bewerber beraten, ihnen Hilfestellungen geben bei ihrer Antragstellung, dann die Bewerbung einmal zentral erfassen und vorprüfen, entsprechend den Bewerberwünschen an die Hochschulen weiterleiten und in einem weiteren Verfahrensschritt, Mehrfachzulassungsangebote von allen Hochschulen abgleichen, so dass am Ende nur eine einzige Zulassungsentscheidung steht. "

    So sind Mehrfachbewerbungen unnötig und Studienplätze können schneller vergeben werden.

    Geht es nach den Wünschen der ZVS, möchte sie nicht nur für die bundesweit zulassungsbeschränkten Fächer Medizin, Diplom-Biologie und -Psychologie zuständig sein, sondern auch deutschlandweit für andere zulassungsbeschränkte Fächer und überlaufene Bachelor- und Masterstudiengänge. In Dortmund sollen Zulassungsanträge zentral eingehen, erfasst und verteilt werden. Wer von mehreren Unis zugelassen wird, darf wählen. Und die übrig gebliebenen Plätze verteilt die ZVS weiter, damit niemand unnötig lange warten muss. Peter Kardell, Leiter des Studierendensekretariats der Uni Bochum, ist sehr für dieses neue ZVS-Modell zu haben:

    " Ich finde diese Idee sehr sinnvoll und auch sehr praxisnah, weil einerseits für den Studenten ist es eine Erleichterung. Er muss sich nicht an verschiedenen Hochschulen bewerben, wo dann jede Hochschule ein anderes Formular hat, jede Hochschule hat ein anderes Prozedere bei der Bewerbung, jede Hochschule verlangt andere Bewerbungsunterlagen, sondern bei der ZVS gibt es dann ein Formular und er kann sich an einer Stelle bewerben, die dann die Bewerbungen an die Hochschulen verteilt. "

    Den Beratungsweg wird die ZVS einschlagen, das ist sicher. Stark steigende Studentenzahlen in den nächsten Jahren sprechen für eine zentrale Koordinationsstelle. Denn den zu erwartenden Ansturm von Bewerbern können die Unis personell, finanziell und zeitlich nicht stemmen, glaubt Ulf Bade:

    " Das ganze Verfahren ist zeitkritisch - der Anfang wird markiert durch die Ausgabe der letzen Abizeugnisse im Juli und das Ende durch den Beginn der Vorlesungen im Oktober. Wenn man hier keine koordinierenden Tätigkeiten zwischenschaltet, besteht die ernst zu nehmende Gefahr, dass bei Vorlesungsbeginn ein nicht unerheblicher Teil von Plätzen frei bleibt und je nach Rahmenbedingungen des Studiums auch keine anrechenbaren Studienleistungen in diesem Semester mehr erbracht werden können. "

    Für Ulf Bade ist die ZVS auf einem guten Weg. Für angehende Studierende auch? Felix Rodenjohann, ebenfalls vom Max-Planck-Gymnasium, hat ganz eigene Wünsche an die ZVS der Zukunft. Auswahl nach Notendurchschnitt ist ihm viel zu wenig:

    " Ich denke mir, wenn man das jetzt modernisieren will und für die Zukunft erhalten will, geht's nicht anders, dass es persönliche Ansprechpartner gibt, die sich die Personen anschauen, die nicht nur auf die Noten achten, sondern auch auf Zusatzqualifikationen und dann auch vielleicht noch beratend tätig werden, denn das ist auch noch mal ganz wichtig, wenn man sich die große Zahl der Studienabbrecher anschaut, die dadurch verursacht wird, dass die Studienwahl vorher nicht gut überlegt wird und sich nicht klar gemacht wird, was man da gerade studiert. "