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Die zweite Chance

Arbeitslosigkeit ist auch unter gut ausgebildeten Akademikern keine Seltenheit mehr. Ihr Wissen und ihre Erfahrung werden im Brandenburger Projekt "Campus der Generationen" wieder sichtbar, das ältere Erwerbslose mit Studierenden zusammenbringt.

Von Axel Flemming |
    Das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam erlebt selten eine Altersmischung, meist sind hier ältere Semester vertreten, die sich mit der Vergangenheit beschäftigen.

    Auf der Bühne stehen zwei junge und zwei ältere Teilnehmer am "Campus der Generationen. Frank Michael Günther, 60:

    "Mein Studium liegt ungefähr 40 Jahre zurück, ich hatte damals Physik studiert und hatte damals nach der Wende umgeschult auf Vermessungstechniker, habe das dann auch 16 Jahre gemacht, bin nun leider arbeitslos geworden und bin weiterhin auf der Suche nach Arbeit. Ich habe noch fünf bis sechs Jahre zu tun und die sollen nicht ungeschehen vergehen."

    Zusammen haben die Teilnehmer am "Campus der Generationen" für ein Brandenburger Unternehmen eine Marktanalyse zum IT-Management erstellt. Ein Lehrgang dauerte sechs Monate. Die älteren Teilnehmer sind in dieser Zeit als Gasthörer an der Universität eingeschrieben und können alle Möglichkeiten des wissenschaftlichen Arbeitens an der Hochschule nutzen.

    Darüber hinaus erwerben sie Management- und Beratungskompetenzen. Ute Herrmann ist gelernte Groß- und Außenhandelskauffrau:

    "Wir über 50 haben viel aktuelles theoretisches Wissen auch von den Studenten lernen können, also die kamen sofort mit ganz aktuellen Methoden und Analyse-Theorien. Insofern war das eine sehr kooperative Zusammenarbeit und wir haben halt unsere Erfahrungen aus unseren beruflichen Feldern mit eingebracht, unsere praktische Erfahrung."

    Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen der Region Berlin-Brandenburg beginnen, das Projekt als Chance zu begreifen, die Potenziale der Zielgruppe zu erkennen und zu nutzen. Kerstin Grothe-Benkenstein, die Projektkoordinatorin:

    "Im ersten Semester war es noch unbekannt. Da sind wir zu den Unternehmen gegangen, haben uns vorgestellt. Die waren gleich begeistert, die meisten, und haben eine Projektaufgabe formuliert. In diesem Semester konnten wir uns nicht retten vor Angeboten von Unternehmen, denn es hat sich inzwischen herumgesprochen über die Unternehmerverbände, die auch Mitglieder unseres Projektbeirates sind, und die Unternehmen sehen inzwischen auch den Mehrwert, den sie erstens aus diesem Projekt ziehen und zweitens, den sie auch durch das Potenzial der älteren und jüngeren Projektteilnehmer haben können."

    Der "Campus der Generationen" möchte vor allem das Wissen älterer, erfahrener Erwerbsloser sichtbar machen. Darüber hinaus soll eine breite Öffentlichkeit für die demografischen Trends und deren wirtschaftliche Konsequenzen einerseits und die beruflichen Belange der älteren, gut ausgebildeten Erwerbslosen andererseits sensibilisiert werden. Die Studierenden der Universität Potsdam sind bereits sensibilisiert. Die BWL-Studenten Steffen Herbaczowski, 30, und Andreas Kammermeier, 28 Jahre alt, haben an der Marktforschungsanalyse mitgearbeitet:

    "Ja, konkret war es einfach, strukturierter an ein Projekt ranzugehen, dass man, wenn man jünger ist, schneller agieren will und die Älteren bringen etwas Gelassenheit rein. Das war eine reibungslose Kommunikation und, ja, war sehr schön."

    "Man sieht schon, dass die ein bisschen ruhiger sind, ein bisschen mehr Lebenserfahrung haben und entspannter an die Sachen rangehen, und auch einfach schon ein breiteres Wissen haben. Und dazu kam halt noch, dass die beiden halt keine BWLer sind, sondern der Michael, der ist halt beispielsweise Techniker, hat auch sehr viel Ahnung, wir hatten ja auch ein Technikprojekt. Das war dann schon sehr passend eigentlich."

    Das Ziel des Projekts, arbeitslose Akademiker zu qualifizieren und zu vermitteln, scheint erreicht: Sechs von elf Teilnehmern des ersten Durchgangs sind in Arbeit, und schon kurz vor Abschluss der zweiten Projektphase haben bereits zwei Teilnehmerinnen eine neue Arbeitsstelle gefunden. Die Uni Potsdam arbeitet deshalb schon an einem dritten Durchgang des "Campus der Generationen".